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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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"Inzwischen war es in der Welt draußen ja zum
Kriege zwischen Preußen und Oesterreich gekommen.
Sie können sich denken, wie es einem alten Kämpfer
für Schleswig-Holstein zu Muthe war, als die Sache
diesen Gang nahm, als nun die Preußen in Böhmen
einrückten, als Schlag auf Schlag ihre blutigen Siege
folgten. Man sah dem Mann einen schweren inneren
Kampf an, er sprach wenig, ich hörte ihn droben
häufig mit starken Schritten auf und ab gehen. Ein¬
mal sagte er: ,'s ist unrecht, aber es wäre schwerlich
anders gegangen;' das andere Mal: ,es wäre schwer¬
lich anders gegangen, aber es ist unrecht, es wird
nachhaltig der öffentlichen Moral schaden.' Aus seiner
Abendgesellschaft im Stern kam er meist aufgeregt,
oft verstimmt nach Hause. Wenn ich ihn zu beruhigen
suchte und zur Langmuth ermahnte, konnte er sagen:
,Es sind eben Parteisimpel, alle bis auf Einen.' Er
meinte einen jungen Mann, den Assessor. Schließlich
schöpfte er doch immer wieder Hoffnung. Man konnte
merken, daß ein Umschlag alter Ansichten in ihm vor
sich gieng. Einmal fuhr er bei Tische plötzlich auf,
trat an's Fenster, als sähe er nach dem Wetter und
sagte dann mit einem Tone wie ein Schlafredner:
,Da ist Hoffnung, ja, ja, -- der Spieler in Frank¬
reich -- der hilft uns noch -- ein guter Krieg kor¬
rigirt den schlimmen und die Mainlinie.'

"Die Jahre," fuhr sie fort, "zogen sich so hin,

„Inzwiſchen war es in der Welt draußen ja zum
Kriege zwiſchen Preußen und Oeſterreich gekommen.
Sie können ſich denken, wie es einem alten Kämpfer
für Schleswig-Holſtein zu Muthe war, als die Sache
dieſen Gang nahm, als nun die Preußen in Böhmen
einrückten, als Schlag auf Schlag ihre blutigen Siege
folgten. Man ſah dem Mann einen ſchweren inneren
Kampf an, er ſprach wenig, ich hörte ihn droben
häufig mit ſtarken Schritten auf und ab gehen. Ein¬
mal ſagte er: ,’s iſt unrecht, aber es wäre ſchwerlich
anders gegangen;‘ das andere Mal: ‚es wäre ſchwer¬
lich anders gegangen, aber es iſt unrecht, es wird
nachhaltig der öffentlichen Moral ſchaden.‘ Aus ſeiner
Abendgeſellſchaft im Stern kam er meiſt aufgeregt,
oft verſtimmt nach Hauſe. Wenn ich ihn zu beruhigen
ſuchte und zur Langmuth ermahnte, konnte er ſagen:
‚Es ſind eben Parteiſimpel, alle bis auf Einen.‘ Er
meinte einen jungen Mann, den Aſſeſſor. Schließlich
ſchöpfte er doch immer wieder Hoffnung. Man konnte
merken, daß ein Umſchlag alter Anſichten in ihm vor
ſich gieng. Einmal fuhr er bei Tiſche plötzlich auf,
trat an's Fenſter, als ſähe er nach dem Wetter und
ſagte dann mit einem Tone wie ein Schlafredner:
‚Da iſt Hoffnung, ja, ja, — der Spieler in Frank¬
reich — der hilft uns noch — ein guter Krieg kor¬
rigirt den ſchlimmen und die Mainlinie.‘

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[16/0029] „Inzwiſchen war es in der Welt draußen ja zum Kriege zwiſchen Preußen und Oeſterreich gekommen. Sie können ſich denken, wie es einem alten Kämpfer für Schleswig-Holſtein zu Muthe war, als die Sache dieſen Gang nahm, als nun die Preußen in Böhmen einrückten, als Schlag auf Schlag ihre blutigen Siege folgten. Man ſah dem Mann einen ſchweren inneren Kampf an, er ſprach wenig, ich hörte ihn droben häufig mit ſtarken Schritten auf und ab gehen. Ein¬ mal ſagte er: ,’s iſt unrecht, aber es wäre ſchwerlich anders gegangen;‘ das andere Mal: ‚es wäre ſchwer¬ lich anders gegangen, aber es iſt unrecht, es wird nachhaltig der öffentlichen Moral ſchaden.‘ Aus ſeiner Abendgeſellſchaft im Stern kam er meiſt aufgeregt, oft verſtimmt nach Hauſe. Wenn ich ihn zu beruhigen ſuchte und zur Langmuth ermahnte, konnte er ſagen: ‚Es ſind eben Parteiſimpel, alle bis auf Einen.‘ Er meinte einen jungen Mann, den Aſſeſſor. Schließlich ſchöpfte er doch immer wieder Hoffnung. Man konnte merken, daß ein Umſchlag alter Anſichten in ihm vor ſich gieng. Einmal fuhr er bei Tiſche plötzlich auf, trat an's Fenſter, als ſähe er nach dem Wetter und ſagte dann mit einem Tone wie ein Schlafredner: ‚Da iſt Hoffnung, ja, ja, — der Spieler in Frank¬ reich — der hilft uns noch — ein guter Krieg kor¬ rigirt den ſchlimmen und die Mainlinie.‘ „Die Jahre,“ fuhr ſie fort, „zogen ſich ſo hin,

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/29>, abgerufen am 28.03.2024.