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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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obgleich unbestimmte Abdrücke in den Schiefern von Solenhofen
allerdings darauf hindeuten, daß die älteren Meere ebenfalls von
Quallen bewohnt waren. Auch die Bäumchen, welche die Glocken-
polypen bilden, sind zu weich, um sich erhalten zu finden. In
der jetzigen Schöpfung sind beide Formen der Klasse in allen
Meeren verbreitet; die Quallen namentlich meist in ungemein
zahlreichen Schwärmen, die in bestimmter Richtung schwimmen und
von Rippenquallen und schwimmenden Schnecken verfolgt werden,
welche ihre hauptsächliche Nahrung an ihnen finden. Annäherung der
beiden Geschlechter oder sonstige besondere Lebenserscheinungen hat man
bei den Quallen noch nicht beobachtet. Die meisten leuchten des Nachts
mit zitterndem, gelbem Lichte, das besonders bei Bewegungen stär-
ker wird.



Klasse der Röhrenquallen. (Siphonophora.)


Ein sonderbares Gemisch sonderbarer Thiere, deren Zusammen-
stellung als Klasse oder Ordnung nur ein Resultat unserer großen Un-
kenntniß ihrer Organisation ist. In der That wissen wir von den meisten
dieser seltsamen Thiere noch nicht einmal, ob wir sie als einfache Thiere mit
vielen Saugmündungen oder als schwimmende Polypenstöcke betrachten sol-
len, wo an einem gemeinschaftlichen Stamme, der zum Schwimmen einge-
richtet ist, eine bedeutende Anzahl einfacher Polypen sitzen. Die Ana-
tomie dieser Thiere ist nur sehr wenig gekannt, ihre Fortpflanzung
vollkommen dunkel, so daß man stets nur mit Unsicherheit die einzel-
nen Thiere zusammenstellen kann, welche zu dieser Klasse gehören sollen.
Wir müssen, da die Struktur dieser Thiere so außerordentlich verschie-
den ist, auf die einzelnen Familien sogleich eingehen, indem wir nur
bemerken, daß man weder Nervensystem, noch Sinnesorgane, noch
Athemorgane erkannt hat, und daß auch die Anatomie der Geschlechts-
theile noch fast unbekannt erscheint.

Die Familie der Seeblasen (Physalida) besteht aus großen blasen-
förmigen Körpern von gelatinöser Beschaffenheit, aus deren unterem Raum

obgleich unbeſtimmte Abdrücke in den Schiefern von Solenhofen
allerdings darauf hindeuten, daß die älteren Meere ebenfalls von
Quallen bewohnt waren. Auch die Bäumchen, welche die Glocken-
polypen bilden, ſind zu weich, um ſich erhalten zu finden. In
der jetzigen Schöpfung ſind beide Formen der Klaſſe in allen
Meeren verbreitet; die Quallen namentlich meiſt in ungemein
zahlreichen Schwärmen, die in beſtimmter Richtung ſchwimmen und
von Rippenquallen und ſchwimmenden Schnecken verfolgt werden,
welche ihre hauptſächliche Nahrung an ihnen finden. Annäherung der
beiden Geſchlechter oder ſonſtige beſondere Lebenserſcheinungen hat man
bei den Quallen noch nicht beobachtet. Die meiſten leuchten des Nachts
mit zitterndem, gelbem Lichte, das beſonders bei Bewegungen ſtär-
ker wird.



Klaſſe der Röhrenquallen. (Siphonophora.)


Ein ſonderbares Gemiſch ſonderbarer Thiere, deren Zuſammen-
ſtellung als Klaſſe oder Ordnung nur ein Reſultat unſerer großen Un-
kenntniß ihrer Organiſation iſt. In der That wiſſen wir von den meiſten
dieſer ſeltſamen Thiere noch nicht einmal, ob wir ſie als einfache Thiere mit
vielen Saugmündungen oder als ſchwimmende Polypenſtöcke betrachten ſol-
len, wo an einem gemeinſchaftlichen Stamme, der zum Schwimmen einge-
richtet iſt, eine bedeutende Anzahl einfacher Polypen ſitzen. Die Ana-
tomie dieſer Thiere iſt nur ſehr wenig gekannt, ihre Fortpflanzung
vollkommen dunkel, ſo daß man ſtets nur mit Unſicherheit die einzel-
nen Thiere zuſammenſtellen kann, welche zu dieſer Klaſſe gehören ſollen.
Wir müſſen, da die Struktur dieſer Thiere ſo außerordentlich verſchie-
den iſt, auf die einzelnen Familien ſogleich eingehen, indem wir nur
bemerken, daß man weder Nervenſyſtem, noch Sinnesorgane, noch
Athemorgane erkannt hat, und daß auch die Anatomie der Geſchlechts-
theile noch faſt unbekannt erſcheint.

Die Familie der Seeblaſen (Physalida) beſteht aus großen blaſen-
förmigen Körpern von gelatinöſer Beſchaffenheit, aus deren unterem Raum

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[138/0144] obgleich unbeſtimmte Abdrücke in den Schiefern von Solenhofen allerdings darauf hindeuten, daß die älteren Meere ebenfalls von Quallen bewohnt waren. Auch die Bäumchen, welche die Glocken- polypen bilden, ſind zu weich, um ſich erhalten zu finden. In der jetzigen Schöpfung ſind beide Formen der Klaſſe in allen Meeren verbreitet; die Quallen namentlich meiſt in ungemein zahlreichen Schwärmen, die in beſtimmter Richtung ſchwimmen und von Rippenquallen und ſchwimmenden Schnecken verfolgt werden, welche ihre hauptſächliche Nahrung an ihnen finden. Annäherung der beiden Geſchlechter oder ſonſtige beſondere Lebenserſcheinungen hat man bei den Quallen noch nicht beobachtet. Die meiſten leuchten des Nachts mit zitterndem, gelbem Lichte, das beſonders bei Bewegungen ſtär- ker wird. Klaſſe der Röhrenquallen. (Siphonophora.) Ein ſonderbares Gemiſch ſonderbarer Thiere, deren Zuſammen- ſtellung als Klaſſe oder Ordnung nur ein Reſultat unſerer großen Un- kenntniß ihrer Organiſation iſt. In der That wiſſen wir von den meiſten dieſer ſeltſamen Thiere noch nicht einmal, ob wir ſie als einfache Thiere mit vielen Saugmündungen oder als ſchwimmende Polypenſtöcke betrachten ſol- len, wo an einem gemeinſchaftlichen Stamme, der zum Schwimmen einge- richtet iſt, eine bedeutende Anzahl einfacher Polypen ſitzen. Die Ana- tomie dieſer Thiere iſt nur ſehr wenig gekannt, ihre Fortpflanzung vollkommen dunkel, ſo daß man ſtets nur mit Unſicherheit die einzel- nen Thiere zuſammenſtellen kann, welche zu dieſer Klaſſe gehören ſollen. Wir müſſen, da die Struktur dieſer Thiere ſo außerordentlich verſchie- den iſt, auf die einzelnen Familien ſogleich eingehen, indem wir nur bemerken, daß man weder Nervenſyſtem, noch Sinnesorgane, noch Athemorgane erkannt hat, und daß auch die Anatomie der Geſchlechts- theile noch faſt unbekannt erſcheint. Die Familie der Seeblaſen (Physalida) beſteht aus großen blaſen- förmigen Körpern von gelatinöſer Beſchaffenheit, aus deren unterem Raum

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/144>, abgerufen am 20.04.2024.