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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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weit entfernt, im übrigen Körperbau durchzugreifen und man findet
deshalb meist die inneren Organe, besonders die Verdauungs- und
Geschlechtswerkzeuge in höchst unsymmetrischer Lagerung. Bei einer
ganzen Klasse, den Bauchfüßlern, zeigt sich die Tendenz, die Ebene, zu
deren Seiten die Organe vertheilt sind, spiralig aufzurollen und so
die Gestalt der Schneckenschalen herzustellen. Das Nervensystem
ist bei den Unterkreisen nach zwei verschiedenen Typen entwickelt. Bei
den Molluskoiden findet sich nur ein einziger, meist ziemlich ansehn-
licher Nervenknoten, der nach allen Seiten hin seine Aeste ausstrahlen
läßt. Bei den übrigen, den eigentlichen Weichthieren dagegen besteht
das Nervensystem aus zerstreuten Knoten, welche durch Fäden mitein-
ander verbunden sind und ziemlich unregelmäßig im Körper zerstreut
umherliegen. Es bildet aber ein Theil dieser Knoten mit ihren Ver-
bindungsfäden stets einen mehr oder minder weit ausgedehnten Ring um
den Schlund und bei den höhern Gattungen läßt sich auch eine bedeu-
tendere Centralisation zu förmlichen Hirnknoten über dem Schlunde
wahrnehmen. Die Anordnung der einzelnen Knoten im Körper ist
indeß so mannigfaltig, daß wir sie erst bei den einzelnen Klassen und
Ordnungen behandeln können. Entsprechend dieser Mannigfaltigkeit
sind auch die Sinnesorgane angeordnet, die bald gänzlich fehlen,
bald in ziemlicher Ausdehnung vorhanden sind. Besondere Tastor-
gane
sind meist weniger entwickelt als bei den Würmern, indem die
ganze weiche Körperoberfläche gegen äußere Eindrücke ganz besonders
empfindlich ist; doch finden sich bald Lippen, bald eigene um den Mund
gestellte Lappen, Haare oder Arme, bald einziehbare Fühler, welche
besonders zu dem Zwecke des Tastens vorhanden sind. Die Seh-
werkzeuge
sind nicht überall vorhanden und bei vielen findet sich
nur ein einziges, ziemlich rudimentäres Auge, während andere eine
große Menge unvollständiger Augen besitzen, die nicht einmal in der
Nähe des Kopfendes liegen. In den höhern Klassen freilich, wo stets
nur ein Paar Augen vorhanden ist, die an dem Kopfe angebracht sind,
erscheinen diese auch in bedeutendem Grade ausgebildet. Wir begegnen
bei den Weichthieren zum Erstenmale fast in allgemeiner Verbreitung
unverkennbaren Gehörorganen, runden Bläschen, welche meistens
dem Gehirnknoten unmittelbar aufsitzen oder doch nur einen kurzen aber
ziemlich bedeutenden Gehörnerven zeigen. Im Innern dieser fast stets
kugeligen Bläschen findet sich eine klare Flüssigkeit und eine feste Con-
cretion von kohlensaurem Kalke, die bald nur einen runden, bald
mehrere krystallinische Hörsteinchen bildet. Es scheint, als würden diese

weit entfernt, im übrigen Körperbau durchzugreifen und man findet
deshalb meiſt die inneren Organe, beſonders die Verdauungs- und
Geſchlechtswerkzeuge in höchſt unſymmetriſcher Lagerung. Bei einer
ganzen Klaſſe, den Bauchfüßlern, zeigt ſich die Tendenz, die Ebene, zu
deren Seiten die Organe vertheilt ſind, ſpiralig aufzurollen und ſo
die Geſtalt der Schneckenſchalen herzuſtellen. Das Nervenſyſtem
iſt bei den Unterkreiſen nach zwei verſchiedenen Typen entwickelt. Bei
den Molluskoiden findet ſich nur ein einziger, meiſt ziemlich anſehn-
licher Nervenknoten, der nach allen Seiten hin ſeine Aeſte ausſtrahlen
läßt. Bei den übrigen, den eigentlichen Weichthieren dagegen beſteht
das Nervenſyſtem aus zerſtreuten Knoten, welche durch Fäden mitein-
ander verbunden ſind und ziemlich unregelmäßig im Körper zerſtreut
umherliegen. Es bildet aber ein Theil dieſer Knoten mit ihren Ver-
bindungsfäden ſtets einen mehr oder minder weit ausgedehnten Ring um
den Schlund und bei den höhern Gattungen läßt ſich auch eine bedeu-
tendere Centraliſation zu förmlichen Hirnknoten über dem Schlunde
wahrnehmen. Die Anordnung der einzelnen Knoten im Körper iſt
indeß ſo mannigfaltig, daß wir ſie erſt bei den einzelnen Klaſſen und
Ordnungen behandeln können. Entſprechend dieſer Mannigfaltigkeit
ſind auch die Sinnesorgane angeordnet, die bald gänzlich fehlen,
bald in ziemlicher Ausdehnung vorhanden ſind. Beſondere Taſtor-
gane
ſind meiſt weniger entwickelt als bei den Würmern, indem die
ganze weiche Körperoberfläche gegen äußere Eindrücke ganz beſonders
empfindlich iſt; doch finden ſich bald Lippen, bald eigene um den Mund
geſtellte Lappen, Haare oder Arme, bald einziehbare Fühler, welche
beſonders zu dem Zwecke des Taſtens vorhanden ſind. Die Seh-
werkzeuge
ſind nicht überall vorhanden und bei vielen findet ſich
nur ein einziges, ziemlich rudimentäres Auge, während andere eine
große Menge unvollſtändiger Augen beſitzen, die nicht einmal in der
Nähe des Kopfendes liegen. In den höhern Klaſſen freilich, wo ſtets
nur ein Paar Augen vorhanden iſt, die an dem Kopfe angebracht ſind,
erſcheinen dieſe auch in bedeutendem Grade ausgebildet. Wir begegnen
bei den Weichthieren zum Erſtenmale faſt in allgemeiner Verbreitung
unverkennbaren Gehörorganen, runden Bläschen, welche meiſtens
dem Gehirnknoten unmittelbar aufſitzen oder doch nur einen kurzen aber
ziemlich bedeutenden Gehörnerven zeigen. Im Innern dieſer faſt ſtets
kugeligen Bläschen findet ſich eine klare Flüſſigkeit und eine feſte Con-
cretion von kohlenſaurem Kalke, die bald nur einen runden, bald
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[242/0248] weit entfernt, im übrigen Körperbau durchzugreifen und man findet deshalb meiſt die inneren Organe, beſonders die Verdauungs- und Geſchlechtswerkzeuge in höchſt unſymmetriſcher Lagerung. Bei einer ganzen Klaſſe, den Bauchfüßlern, zeigt ſich die Tendenz, die Ebene, zu deren Seiten die Organe vertheilt ſind, ſpiralig aufzurollen und ſo die Geſtalt der Schneckenſchalen herzuſtellen. Das Nervenſyſtem iſt bei den Unterkreiſen nach zwei verſchiedenen Typen entwickelt. Bei den Molluskoiden findet ſich nur ein einziger, meiſt ziemlich anſehn- licher Nervenknoten, der nach allen Seiten hin ſeine Aeſte ausſtrahlen läßt. Bei den übrigen, den eigentlichen Weichthieren dagegen beſteht das Nervenſyſtem aus zerſtreuten Knoten, welche durch Fäden mitein- ander verbunden ſind und ziemlich unregelmäßig im Körper zerſtreut umherliegen. Es bildet aber ein Theil dieſer Knoten mit ihren Ver- bindungsfäden ſtets einen mehr oder minder weit ausgedehnten Ring um den Schlund und bei den höhern Gattungen läßt ſich auch eine bedeu- tendere Centraliſation zu förmlichen Hirnknoten über dem Schlunde wahrnehmen. Die Anordnung der einzelnen Knoten im Körper iſt indeß ſo mannigfaltig, daß wir ſie erſt bei den einzelnen Klaſſen und Ordnungen behandeln können. Entſprechend dieſer Mannigfaltigkeit ſind auch die Sinnesorgane angeordnet, die bald gänzlich fehlen, bald in ziemlicher Ausdehnung vorhanden ſind. Beſondere Taſtor- gane ſind meiſt weniger entwickelt als bei den Würmern, indem die ganze weiche Körperoberfläche gegen äußere Eindrücke ganz beſonders empfindlich iſt; doch finden ſich bald Lippen, bald eigene um den Mund geſtellte Lappen, Haare oder Arme, bald einziehbare Fühler, welche beſonders zu dem Zwecke des Taſtens vorhanden ſind. Die Seh- werkzeuge ſind nicht überall vorhanden und bei vielen findet ſich nur ein einziges, ziemlich rudimentäres Auge, während andere eine große Menge unvollſtändiger Augen beſitzen, die nicht einmal in der Nähe des Kopfendes liegen. In den höhern Klaſſen freilich, wo ſtets nur ein Paar Augen vorhanden iſt, die an dem Kopfe angebracht ſind, erſcheinen dieſe auch in bedeutendem Grade ausgebildet. Wir begegnen bei den Weichthieren zum Erſtenmale faſt in allgemeiner Verbreitung unverkennbaren Gehörorganen, runden Bläschen, welche meiſtens dem Gehirnknoten unmittelbar aufſitzen oder doch nur einen kurzen aber ziemlich bedeutenden Gehörnerven zeigen. Im Innern dieſer faſt ſtets kugeligen Bläschen findet ſich eine klare Flüſſigkeit und eine feſte Con- cretion von kohlenſaurem Kalke, die bald nur einen runden, bald mehrere kryſtalliniſche Hörſteinchen bildet. Es ſcheint, als würden dieſe

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/248>, abgerufen am 28.03.2024.