Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
Klasse der Lurche. (Amphibia.)


Im Beginne ihrer niederen Formen noch zu beständigem Aufent-
halte an das Wasser gefesselt und deßhalb mit mehr fischähnlichen
Ruderorganen versehen, erhebt sich diese Klasse allmälig auf das feste
Land und entwickelt so zuerst die den Landthieren eigenthümliche Be-
schaffenheit der Gehwerkzeuge, bei einigen Familien sogar in außer-
ordentlichem Grade der Ausbildung. Die Körperform der Thiere,
welche zu dieser kleinen Klasse gehören, wechselt ausnehmend, indem
einerseits gänzlicher Mangel an Gliedmaßen oder höchst rudimen-
täre Entwicklung derselben mit drehrunder Wurmform, anderseits
breite abgeplattete Körpergestalt, welche sich der Scheibenform nähert,
bei stark entwickelten Gehwerkzeugen vorhanden sind. Bei den auf
dem Lande lebenden gliedmaßenlosen Blindwühlen gleicht der ganze
Körper, der nur Leib und durchaus schwanzlos ist, vollkommen einem
Regenwurme, während bei den im Wasser lebenden Aalmolchen bei
langstreckiger Körperform doch ein seitlich zusammengedrückter Schwanz
oft mit einer senkrechten Hautfalte als Schwimmflosse versehen die
Schwimmbewegung vermittelt. Hierzu gesellen sich nun allmälig die
Füße in allen Stufen der Ausbildung, anfänglich durchaus unfähig,
den Körper zu stützen und mit nur kleinen rudimentären Zehen in
geringer Zahl ausgerüstet. Zuweilen sind nur die Vorderfüße vor-
handen, die als unbedeutende Stummelchen am Halse hängen, in an-
deren Fällen nur die Hinterfüße. Je mehr sich die Füße entwickeln,
desto mehr schiebt sich der Körper zusammen und plattet sich zugleich
ab. Bei den froschartigen Thieren schwindet der Schwanz im erwach-
senen Alter vollständig, so daß keine Spur mehr davon vorhanden
ist und der After sich unmittelbar, wie bei den Blindwühlen, an dem
hinteren Ende des breiten, scheibenförmigen Körpers befindet. Die
Hinterfüße bekommen bei diesen Thieren ein gewaltiges Uebergewicht
über die kleinen, kurzen, stämmigen, meist einwärts gedrehten Vorder-
füße, die gewöhnlich nur vier Zehen haben, während die hinteren
meist deren fünf besitzen. Die Bewegung auf dem Lande geschieht

Klaſſe der Lurche. (Amphibia.)


Im Beginne ihrer niederen Formen noch zu beſtändigem Aufent-
halte an das Waſſer gefeſſelt und deßhalb mit mehr fiſchähnlichen
Ruderorganen verſehen, erhebt ſich dieſe Klaſſe allmälig auf das feſte
Land und entwickelt ſo zuerſt die den Landthieren eigenthümliche Be-
ſchaffenheit der Gehwerkzeuge, bei einigen Familien ſogar in außer-
ordentlichem Grade der Ausbildung. Die Körperform der Thiere,
welche zu dieſer kleinen Klaſſe gehören, wechſelt ausnehmend, indem
einerſeits gänzlicher Mangel an Gliedmaßen oder höchſt rudimen-
täre Entwicklung derſelben mit drehrunder Wurmform, anderſeits
breite abgeplattete Körpergeſtalt, welche ſich der Scheibenform nähert,
bei ſtark entwickelten Gehwerkzeugen vorhanden ſind. Bei den auf
dem Lande lebenden gliedmaßenloſen Blindwühlen gleicht der ganze
Körper, der nur Leib und durchaus ſchwanzlos iſt, vollkommen einem
Regenwurme, während bei den im Waſſer lebenden Aalmolchen bei
langſtreckiger Körperform doch ein ſeitlich zuſammengedrückter Schwanz
oft mit einer ſenkrechten Hautfalte als Schwimmfloſſe verſehen die
Schwimmbewegung vermittelt. Hierzu geſellen ſich nun allmälig die
Füße in allen Stufen der Ausbildung, anfänglich durchaus unfähig,
den Körper zu ſtützen und mit nur kleinen rudimentären Zehen in
geringer Zahl ausgerüſtet. Zuweilen ſind nur die Vorderfüße vor-
handen, die als unbedeutende Stummelchen am Halſe hängen, in an-
deren Fällen nur die Hinterfüße. Je mehr ſich die Füße entwickeln,
deſto mehr ſchiebt ſich der Körper zuſammen und plattet ſich zugleich
ab. Bei den froſchartigen Thieren ſchwindet der Schwanz im erwach-
ſenen Alter vollſtändig, ſo daß keine Spur mehr davon vorhanden
iſt und der After ſich unmittelbar, wie bei den Blindwühlen, an dem
hinteren Ende des breiten, ſcheibenförmigen Körpers befindet. Die
Hinterfüße bekommen bei dieſen Thieren ein gewaltiges Uebergewicht
über die kleinen, kurzen, ſtämmigen, meiſt einwärts gedrehten Vorder-
füße, die gewöhnlich nur vier Zehen haben, während die hinteren
meiſt deren fünf beſitzen. Die Bewegung auf dem Lande geſchieht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0196" n="190"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Kla&#x017F;&#x017F;e der Lurche. <hi rendition="#aq">(Amphibia.)</hi></hi> </head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Im Beginne ihrer niederen Formen noch zu be&#x017F;tändigem Aufent-<lb/>
halte an das Wa&#x017F;&#x017F;er gefe&#x017F;&#x017F;elt und deßhalb mit mehr fi&#x017F;chähnlichen<lb/>
Ruderorganen ver&#x017F;ehen, erhebt &#x017F;ich die&#x017F;e Kla&#x017F;&#x017F;e allmälig auf das fe&#x017F;te<lb/>
Land und entwickelt &#x017F;o zuer&#x017F;t die den Landthieren eigenthümliche Be-<lb/>
&#x017F;chaffenheit der Gehwerkzeuge, bei einigen Familien &#x017F;ogar in außer-<lb/>
ordentlichem Grade der Ausbildung. Die <hi rendition="#g">Körperform</hi> der Thiere,<lb/>
welche zu die&#x017F;er kleinen Kla&#x017F;&#x017F;e gehören, wech&#x017F;elt ausnehmend, indem<lb/>
einer&#x017F;eits gänzlicher Mangel an Gliedmaßen oder höch&#x017F;t rudimen-<lb/>
täre Entwicklung der&#x017F;elben mit drehrunder Wurmform, ander&#x017F;eits<lb/>
breite abgeplattete Körperge&#x017F;talt, welche &#x017F;ich der Scheibenform nähert,<lb/>
bei &#x017F;tark entwickelten Gehwerkzeugen vorhanden &#x017F;ind. Bei den auf<lb/>
dem Lande lebenden gliedmaßenlo&#x017F;en Blindwühlen gleicht der ganze<lb/>
Körper, der nur Leib und durchaus &#x017F;chwanzlos i&#x017F;t, vollkommen einem<lb/>
Regenwurme, während bei den im Wa&#x017F;&#x017F;er lebenden Aalmolchen bei<lb/>
lang&#x017F;treckiger Körperform doch ein &#x017F;eitlich zu&#x017F;ammengedrückter Schwanz<lb/>
oft mit einer &#x017F;enkrechten Hautfalte als Schwimmflo&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;ehen die<lb/>
Schwimmbewegung vermittelt. Hierzu ge&#x017F;ellen &#x017F;ich nun allmälig die<lb/>
Füße in allen Stufen der Ausbildung, anfänglich durchaus unfähig,<lb/>
den Körper zu &#x017F;tützen und mit nur kleinen rudimentären Zehen in<lb/>
geringer Zahl ausgerü&#x017F;tet. Zuweilen &#x017F;ind nur die Vorderfüße vor-<lb/>
handen, die als unbedeutende Stummelchen am Hal&#x017F;e hängen, in an-<lb/>
deren Fällen nur die Hinterfüße. Je mehr &#x017F;ich die Füße entwickeln,<lb/>
de&#x017F;to mehr &#x017F;chiebt &#x017F;ich der Körper zu&#x017F;ammen und plattet &#x017F;ich zugleich<lb/>
ab. Bei den fro&#x017F;chartigen Thieren &#x017F;chwindet der Schwanz im erwach-<lb/>
&#x017F;enen Alter voll&#x017F;tändig, &#x017F;o daß keine Spur mehr davon vorhanden<lb/>
i&#x017F;t und der After &#x017F;ich unmittelbar, wie bei den Blindwühlen, an dem<lb/>
hinteren Ende des breiten, &#x017F;cheibenförmigen Körpers befindet. Die<lb/>
Hinterfüße bekommen bei die&#x017F;en Thieren ein gewaltiges Uebergewicht<lb/>
über die kleinen, kurzen, &#x017F;tämmigen, mei&#x017F;t einwärts gedrehten Vorder-<lb/>
füße, die gewöhnlich nur vier Zehen haben, während die hinteren<lb/>
mei&#x017F;t deren fünf be&#x017F;itzen. Die Bewegung auf dem Lande ge&#x017F;chieht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0196] Klaſſe der Lurche. (Amphibia.) Im Beginne ihrer niederen Formen noch zu beſtändigem Aufent- halte an das Waſſer gefeſſelt und deßhalb mit mehr fiſchähnlichen Ruderorganen verſehen, erhebt ſich dieſe Klaſſe allmälig auf das feſte Land und entwickelt ſo zuerſt die den Landthieren eigenthümliche Be- ſchaffenheit der Gehwerkzeuge, bei einigen Familien ſogar in außer- ordentlichem Grade der Ausbildung. Die Körperform der Thiere, welche zu dieſer kleinen Klaſſe gehören, wechſelt ausnehmend, indem einerſeits gänzlicher Mangel an Gliedmaßen oder höchſt rudimen- täre Entwicklung derſelben mit drehrunder Wurmform, anderſeits breite abgeplattete Körpergeſtalt, welche ſich der Scheibenform nähert, bei ſtark entwickelten Gehwerkzeugen vorhanden ſind. Bei den auf dem Lande lebenden gliedmaßenloſen Blindwühlen gleicht der ganze Körper, der nur Leib und durchaus ſchwanzlos iſt, vollkommen einem Regenwurme, während bei den im Waſſer lebenden Aalmolchen bei langſtreckiger Körperform doch ein ſeitlich zuſammengedrückter Schwanz oft mit einer ſenkrechten Hautfalte als Schwimmfloſſe verſehen die Schwimmbewegung vermittelt. Hierzu geſellen ſich nun allmälig die Füße in allen Stufen der Ausbildung, anfänglich durchaus unfähig, den Körper zu ſtützen und mit nur kleinen rudimentären Zehen in geringer Zahl ausgerüſtet. Zuweilen ſind nur die Vorderfüße vor- handen, die als unbedeutende Stummelchen am Halſe hängen, in an- deren Fällen nur die Hinterfüße. Je mehr ſich die Füße entwickeln, deſto mehr ſchiebt ſich der Körper zuſammen und plattet ſich zugleich ab. Bei den froſchartigen Thieren ſchwindet der Schwanz im erwach- ſenen Alter vollſtändig, ſo daß keine Spur mehr davon vorhanden iſt und der After ſich unmittelbar, wie bei den Blindwühlen, an dem hinteren Ende des breiten, ſcheibenförmigen Körpers befindet. Die Hinterfüße bekommen bei dieſen Thieren ein gewaltiges Uebergewicht über die kleinen, kurzen, ſtämmigen, meiſt einwärts gedrehten Vorder- füße, die gewöhnlich nur vier Zehen haben, während die hinteren meiſt deren fünf beſitzen. Die Bewegung auf dem Lande geſchieht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/196
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/196>, abgerufen am 25.04.2024.