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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Diese Völkerschaften, welche mit mehreren Stämmen den ganzen
Polarkreis des amerikanischen Continentes einnehmen, und sich bis
über die aleutischen Inseln hin verbreiten, gleichen in ihrem äußeren
Verhalten ganz den Polarvölkern Sibiriens; sie haben lange, straffe,
dicke, kohlschwarze Haupthaare, starken Bart, den sie sich aber auszureißen
pflegen, kleine, schwarze, schläfrige Augen, platte Nase mit breiten
Flügeln, etwas aufgeworfene Lippen und einen kleinen Körperbau,
wobei sie leicht fett werden. Wenn indeß die äußere Erscheinung der
asiatischen und amerikanischen Polarbewohner ziemlich identisch ist, so
herrscht im Gegentheile in dem Schädelbaue die größte Verschiedenheit,
indem die Asiaten den Kurzköpfen mit geraden Zähnen, die Ame-
rikaner den Langköpfen mit schiefen Zähnen angehören. In der That
zeigen die Schädel der Grönländer und Eskimo's ein Verhältniß des
Längendurchmessers zum Querdurchmesser wie 19 : 14 und eine sehr
schmale Stirn, aber stark vortretende Backenknochen und ebenso vor-
stehende Kiefer, so daß sie sich in vieler Beziehung der amerikanischen
Rasse nähern. Die Schädel erscheinen ausnehmend höckerig, alle
Muskelansätze stark ausgewirkt, die Schläfengruben tief, die Jochbogen
stark von oben nach unten und nach außen gedreht, so daß die Schä-
del viele Aehnlichkeit in dieser Beziehung mit den pyramidalen Schä-
deln der Nomaden erhalten.

Der östliche Theil des asiatischen Continentes nebst den japani-
schen Inseln und der Halbinsel Korea wird von der Indochinesi-
schen
Rasse bewohnt, welche eine waizengelbe, bald mehr ins röthliche
bald mehr ins hell grünliche spielende Hautfarbe besitzen; sie haben
dichtes, schwärzliches, straffes Haupthaar, dicke Augenbrauen, wenigen
dünnen Bart, stark vorstehende Backenknochen, schiefe Augenbraubogen
und jene eigenthümliche, schiefe Stellung der eng geschlitzten Augen,
welche so bekannt ist. Die Nase ist breit, etwas abgeplattet, die Stirn
zurückweichend, ziemlich schmal, die Kiefer vorstehend, die Lippen etwas
aufgeworfen und wulstig. Alle diese Völker, deren Cultur in ein so
hohes Alterthum hinaufreicht und deren Sprachen das Gemeinsame
haben, daß sie aus einsylbigen Wörtern zusammengesetzt sind, gehören
zu den Langköpfen mit vorspringenden Kiefern und schief gestellten
Zähnen, ein Schädelbau, wodurch sie sich wesentlich von den ver-
wandten Völkern mit gleichem Gesichtsausdrucke unterscheiden. In der
That findet sich an dem Schädel das bedeutende Ueberwiegen des
Längsdurchmessers über den Querdurchmesser, wodurch die Bildung
sich sogar mehr derjenigen der Afrikaner nähert, die zurückweichende

Dieſe Völkerſchaften, welche mit mehreren Stämmen den ganzen
Polarkreis des amerikaniſchen Continentes einnehmen, und ſich bis
über die aleutiſchen Inſeln hin verbreiten, gleichen in ihrem äußeren
Verhalten ganz den Polarvölkern Sibiriens; ſie haben lange, ſtraffe,
dicke, kohlſchwarze Haupthaare, ſtarken Bart, den ſie ſich aber auszureißen
pflegen, kleine, ſchwarze, ſchläfrige Augen, platte Naſe mit breiten
Flügeln, etwas aufgeworfene Lippen und einen kleinen Körperbau,
wobei ſie leicht fett werden. Wenn indeß die äußere Erſcheinung der
aſiatiſchen und amerikaniſchen Polarbewohner ziemlich identiſch iſt, ſo
herrſcht im Gegentheile in dem Schädelbaue die größte Verſchiedenheit,
indem die Aſiaten den Kurzköpfen mit geraden Zähnen, die Ame-
rikaner den Langköpfen mit ſchiefen Zähnen angehören. In der That
zeigen die Schädel der Grönländer und Eskimo’s ein Verhältniß des
Längendurchmeſſers zum Querdurchmeſſer wie 19 : 14 und eine ſehr
ſchmale Stirn, aber ſtark vortretende Backenknochen und ebenſo vor-
ſtehende Kiefer, ſo daß ſie ſich in vieler Beziehung der amerikaniſchen
Raſſe nähern. Die Schädel erſcheinen ausnehmend höckerig, alle
Muskelanſätze ſtark ausgewirkt, die Schläfengruben tief, die Jochbogen
ſtark von oben nach unten und nach außen gedreht, ſo daß die Schä-
del viele Aehnlichkeit in dieſer Beziehung mit den pyramidalen Schä-
deln der Nomaden erhalten.

Der öſtliche Theil des aſiatiſchen Continentes nebſt den japani-
ſchen Inſeln und der Halbinſel Korea wird von der Indochineſi-
ſchen
Raſſe bewohnt, welche eine waizengelbe, bald mehr ins röthliche
bald mehr ins hell grünliche ſpielende Hautfarbe beſitzen; ſie haben
dichtes, ſchwärzliches, ſtraffes Haupthaar, dicke Augenbrauen, wenigen
dünnen Bart, ſtark vorſtehende Backenknochen, ſchiefe Augenbraubogen
und jene eigenthümliche, ſchiefe Stellung der eng geſchlitzten Augen,
welche ſo bekannt iſt. Die Naſe iſt breit, etwas abgeplattet, die Stirn
zurückweichend, ziemlich ſchmal, die Kiefer vorſtehend, die Lippen etwas
aufgeworfen und wulſtig. Alle dieſe Völker, deren Cultur in ein ſo
hohes Alterthum hinaufreicht und deren Sprachen das Gemeinſame
haben, daß ſie aus einſylbigen Wörtern zuſammengeſetzt ſind, gehören
zu den Langköpfen mit vorſpringenden Kiefern und ſchief geſtellten
Zähnen, ein Schädelbau, wodurch ſie ſich weſentlich von den ver-
wandten Völkern mit gleichem Geſichtsausdrucke unterſcheiden. In der
That findet ſich an dem Schädel das bedeutende Ueberwiegen des
Längsdurchmeſſers über den Querdurchmeſſer, wodurch die Bildung
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[566/0572] Dieſe Völkerſchaften, welche mit mehreren Stämmen den ganzen Polarkreis des amerikaniſchen Continentes einnehmen, und ſich bis über die aleutiſchen Inſeln hin verbreiten, gleichen in ihrem äußeren Verhalten ganz den Polarvölkern Sibiriens; ſie haben lange, ſtraffe, dicke, kohlſchwarze Haupthaare, ſtarken Bart, den ſie ſich aber auszureißen pflegen, kleine, ſchwarze, ſchläfrige Augen, platte Naſe mit breiten Flügeln, etwas aufgeworfene Lippen und einen kleinen Körperbau, wobei ſie leicht fett werden. Wenn indeß die äußere Erſcheinung der aſiatiſchen und amerikaniſchen Polarbewohner ziemlich identiſch iſt, ſo herrſcht im Gegentheile in dem Schädelbaue die größte Verſchiedenheit, indem die Aſiaten den Kurzköpfen mit geraden Zähnen, die Ame- rikaner den Langköpfen mit ſchiefen Zähnen angehören. In der That zeigen die Schädel der Grönländer und Eskimo’s ein Verhältniß des Längendurchmeſſers zum Querdurchmeſſer wie 19 : 14 und eine ſehr ſchmale Stirn, aber ſtark vortretende Backenknochen und ebenſo vor- ſtehende Kiefer, ſo daß ſie ſich in vieler Beziehung der amerikaniſchen Raſſe nähern. Die Schädel erſcheinen ausnehmend höckerig, alle Muskelanſätze ſtark ausgewirkt, die Schläfengruben tief, die Jochbogen ſtark von oben nach unten und nach außen gedreht, ſo daß die Schä- del viele Aehnlichkeit in dieſer Beziehung mit den pyramidalen Schä- deln der Nomaden erhalten. Der öſtliche Theil des aſiatiſchen Continentes nebſt den japani- ſchen Inſeln und der Halbinſel Korea wird von der Indochineſi- ſchen Raſſe bewohnt, welche eine waizengelbe, bald mehr ins röthliche bald mehr ins hell grünliche ſpielende Hautfarbe beſitzen; ſie haben dichtes, ſchwärzliches, ſtraffes Haupthaar, dicke Augenbrauen, wenigen dünnen Bart, ſtark vorſtehende Backenknochen, ſchiefe Augenbraubogen und jene eigenthümliche, ſchiefe Stellung der eng geſchlitzten Augen, welche ſo bekannt iſt. Die Naſe iſt breit, etwas abgeplattet, die Stirn zurückweichend, ziemlich ſchmal, die Kiefer vorſtehend, die Lippen etwas aufgeworfen und wulſtig. Alle dieſe Völker, deren Cultur in ein ſo hohes Alterthum hinaufreicht und deren Sprachen das Gemeinſame haben, daß ſie aus einſylbigen Wörtern zuſammengeſetzt ſind, gehören zu den Langköpfen mit vorſpringenden Kiefern und ſchief geſtellten Zähnen, ein Schädelbau, wodurch ſie ſich weſentlich von den ver- wandten Völkern mit gleichem Geſichtsausdrucke unterſcheiden. In der That findet ſich an dem Schädel das bedeutende Ueberwiegen des Längsdurchmeſſers über den Querdurchmeſſer, wodurch die Bildung ſich ſogar mehr derjenigen der Afrikaner nähert, die zurückweichende

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/572>, abgerufen am 25.04.2024.