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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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menschlichen Kunstarten in das gemeinsame Kunstwerk
der Zukunft, mit der Erlösung des Nützlichkeits¬
menschen
überhaupt in den künstlerischen Menschen
der Zukunft wird auch die Baukunst aus den Banden
der Knechtschaft, aus dem Fluche der Zeugungsunfähigkeit,
zur freiesten, unerschöpflich fruchtbarsten Kunstthätigkeit er¬
löst werden.

2.
Bildhauerkunst.

Asiaten und Aegypter waren in der Darstellung der sie
beherrschenden Naturerscheinungen von der Nachbildung der
Gestalt der Thiere zu der menschlichen Gestalt selbst über¬
gegangen, unter welcher sie, in unmäßigen Verhältnissen und
mit widerlicher natursymbolischer Entstellung jene Mächte sich
vorzustellen suchten. Nicht den Menschen wollten sie nach¬
bilden, sondern unwillkürlich und weil als Höchstes der Mensch
endlich immer nur sich selbst, somit auch seine eigene Ge¬
stalt sich denken kann, trugen sie das -- deshalb eben auch
verzerrte -- Menschenbild nur auf den anzubetenden Gegen¬
stand der Natur über.

In diesem Sinne und von ähnlicher Absicht hervorge¬
rufen, sehen wir auch bei den ältesten hellenischen Stämmen
Götter, d. h. göttlich gedachte Naturmächte, unter mensch¬

menſchlichen Kunſtarten in das gemeinſame Kunſtwerk
der Zukunft, mit der Erlöſung des Nützlichkeits¬
menſchen
überhaupt in den künſtleriſchen Menſchen
der Zukunft wird auch die Baukunſt aus den Banden
der Knechtſchaft, aus dem Fluche der Zeugungsunfähigkeit,
zur freieſten, unerſchöpflich fruchtbarſten Kunſtthätigkeit er¬
löſt werden.

2.
Bildhauerkunſt.

Aſiaten und Aegypter waren in der Darſtellung der ſie
beherrſchenden Naturerſcheinungen von der Nachbildung der
Geſtalt der Thiere zu der menſchlichen Geſtalt ſelbſt über¬
gegangen, unter welcher ſie, in unmäßigen Verhältniſſen und
mit widerlicher naturſymboliſcher Entſtellung jene Mächte ſich
vorzuſtellen ſuchten. Nicht den Menſchen wollten ſie nach¬
bilden, ſondern unwillkürlich und weil als Höchſtes der Menſch
endlich immer nur ſich ſelbſt, ſomit auch ſeine eigene Ge¬
ſtalt ſich denken kann, trugen ſie das — deshalb eben auch
verzerrte — Menſchenbild nur auf den anzubetenden Gegen¬
ſtand der Natur über.

In dieſem Sinne und von ähnlicher Abſicht hervorge¬
rufen, ſehen wir auch bei den älteſten helleniſchen Stämmen
Götter, d. h. göttlich gedachte Naturmächte, unter menſch¬

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[151/0167] menſchlichen Kunſtarten in das gemeinſame Kunſtwerk der Zukunft, mit der Erlöſung des Nützlichkeits¬ menſchen überhaupt in den künſtleriſchen Menſchen der Zukunft wird auch die Baukunſt aus den Banden der Knechtſchaft, aus dem Fluche der Zeugungsunfähigkeit, zur freieſten, unerſchöpflich fruchtbarſten Kunſtthätigkeit er¬ löſt werden. 2. Bildhauerkunſt. Aſiaten und Aegypter waren in der Darſtellung der ſie beherrſchenden Naturerſcheinungen von der Nachbildung der Geſtalt der Thiere zu der menſchlichen Geſtalt ſelbſt über¬ gegangen, unter welcher ſie, in unmäßigen Verhältniſſen und mit widerlicher naturſymboliſcher Entſtellung jene Mächte ſich vorzuſtellen ſuchten. Nicht den Menſchen wollten ſie nach¬ bilden, ſondern unwillkürlich und weil als Höchſtes der Menſch endlich immer nur ſich ſelbſt, ſomit auch ſeine eigene Ge¬ ſtalt ſich denken kann, trugen ſie das — deshalb eben auch verzerrte — Menſchenbild nur auf den anzubetenden Gegen¬ ſtand der Natur über. In dieſem Sinne und von ähnlicher Abſicht hervorge¬ rufen, ſehen wir auch bei den älteſten helleniſchen Stämmen Götter, d. h. göttlich gedachte Naturmächte, unter menſch¬

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/167>, abgerufen am 29.03.2024.