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Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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der Hand wanderte ich, einem fahrenden, d. h. zu Fuße fahrenden Schüler nicht unähnlich, an einem schönen Sommermorgen hinaus in die frische, grüne, unbekannte Gotteswelt. Wenn Salz und Brod wirklich die Wangen roth macht, so muß ich in diesen Tagen sehr blühend ausgesehen haben.

So schritt ich munter vorwärts an den romantischen Ufern der Save (hier sehr unpoetisch Sau genannt) und ergötzte mich im Anschauen der herrlichen Gegend, die in feierlicher Einsamkeit vor mir ausgebreitet lag -- eine Eigenschaft, die nur zu bald verderbenbringend für mich werden sollte. Mir linker Hand das stille Flüßchen, an dessen jenseitigem Ufer in weiter Ferne ein Kloster sichtbar wurde; rechts eine wunderschöne Anhöhe, an welche sich ein ziemlich großes Gehölz anlehnte. Alles zusammen gewährt einen reizenden Ueberblick. In übermüthiger Fröhlichkeit ließ ich eben zu meinem Privatvergnügen einige österreichische "Gsangeln" ertönen, als ich von der Höhe herab drei Männer auf mich zueilen sah, deren wildes und unheimliches Aussehen mir das Zusammentreffen mit ihnen nicht sehr wünschenswerth erscheinen ließ. Alle Drei hatten sogenannte Bunda's über dem groben Hemde hangen, welches vorn offen die gebräunte, mächtig behaarte Brust sehen ließ und über den weiten Leinenbeinkleidern durch einen Ledergurt in der Mitte zusammengehalten wurde. Ueber der wildbärtigen Galgen-Physiognomie trug der Eine einen ungarischen Kalpak

der Hand wanderte ich, einem fahrenden, d. h. zu Fuße fahrenden Schüler nicht unähnlich, an einem schönen Sommermorgen hinaus in die frische, grüne, unbekannte Gotteswelt. Wenn Salz und Brod wirklich die Wangen roth macht, so muß ich in diesen Tagen sehr blühend ausgesehen haben.

So schritt ich munter vorwärts an den romantischen Ufern der Save (hier sehr unpoetisch Sau genannt) und ergötzte mich im Anschauen der herrlichen Gegend, die in feierlicher Einsamkeit vor mir ausgebreitet lag — eine Eigenschaft, die nur zu bald verderbenbringend für mich werden sollte. Mir linker Hand das stille Flüßchen, an dessen jenseitigem Ufer in weiter Ferne ein Kloster sichtbar wurde; rechts eine wunderschöne Anhöhe, an welche sich ein ziemlich großes Gehölz anlehnte. Alles zusammen gewährt einen reizenden Ueberblick. In übermüthiger Fröhlichkeit ließ ich eben zu meinem Privatvergnügen einige österreichische „Gsangeln“ ertönen, als ich von der Höhe herab drei Männer auf mich zueilen sah, deren wildes und unheimliches Aussehen mir das Zusammentreffen mit ihnen nicht sehr wünschenswerth erscheinen ließ. Alle Drei hatten sogenannte Bunda's über dem groben Hemde hangen, welches vorn offen die gebräunte, mächtig behaarte Brust sehen ließ und über den weiten Leinenbeinkleidern durch einen Ledergurt in der Mitte zusammengehalten wurde. Ueber der wildbärtigen Galgen-Physiognomie trug der Eine einen ungarischen Kalpak

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Zitationshilfe: Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910/8>, abgerufen am 18.04.2024.