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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

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[Spaltenumbruch] 16 Richte erst, wenn du beide gehört.

17 Richte nicht mich vnd die meinen, siehe vor an dich vnd die deinen. - Petri, II, 514.

18 Richte nicht unbarmherzig die Elenden und Armen, so wird sich dein Gott auch erbarmen.

19 Richte vor dein Haus, dann guck' nach andern aus! - Körte, 2666; Siebenkees, 201; Lohrengel, I, 569.

20 Richten ist leichter als Besseres erdichten.

Lat.: Carpet citius aliquis, quam imitabitur. (Seybold, 68.)

21 Richten ist leichter als dichten.

Lat.: Reprehendere facilius est quam imitari. (Philippi, II, 155.)

22 Richten und urtheilen soll man nicht übereilen.

Lat.: In judicando criminosa est celeritas. (Seybold, 244.)

23 Richtet euch nicht nach meinen Thaten, sondern nach meinen Worten, sagte der Pfaff. - Gerber, 97, 14.

Von Geistlichen und Lehrern, deren Leben ihren Lehren widerspricht.

Dän.: Vi skulle leve ei efter exempler, men regler. (Prov. dan., 148.)

Poln.: Nie sadz a niebedziesz sadzony. (Lompa, 24.)

24 Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet! - Matth. 7, 1; Schulze, 191; Simrock, 8455.

25 Richt's, so geschicht's! - Lehmann, II, 533, 58; Petri, II, 514; Schottel, 1120a; Körte, 5073; Simrock, 8462.

26 Richt't euch, mit dem Arsch nach Frankreich! (Ostpreuss.)

27 Sich selbst richten, thut Urtheil schlichten.

Lat.: Non judicari vis? te ipsum judica. ( Chaos, 423.)

28 Viel leichter ist richten als Besseres erdichten.

29 Viel wollen richten, wenig können tichten. - Petri, II, 575.

30 Wer andere richten will, muss selber keine Flecken haben.

31 Wer andere richtet, verurtheilt sich selbst.

It.: Chi giudica un' altro, se stesso condanna.

Lat.: Tu es judex: ne quid accusandus sis, vide. (Terenz.) (Philippi, II, 224.)

32 Wer bald richt, den tödtet die gicht. - Henisch, 1605, 15; Petri, II, 686.

33 Wer dich richtet, ist dein Herr. - Eiselein, 528; Eisenhart, 512; Pistor., VII, 46; Simrock, 8454; Graf, 488, 50.

Das Sprichwort will sagen, dass der Richter zugleich des Beklagten Obrigkeit sei, weil ein Richter, der nicht auch das Recht besitzt, denjenigen zu zwingen, der sich seinen Anordnungen und Aussprüchen widersetzt, aufhört, Richter zu sein. Dies Sprichwort gilt auch von den Gutsherren, die auf ihren Dörfern mit der Erbgerichtsbarkeit versehen und deren Unterthanen zwar dem Landesherrn unterworfen waren, aber auch den Gutsherrn als ihren Erbherrn anerkennen mussten, hatte aber in bestimmten Verträgen seine begründeten Ausnahmen. Seit der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Beseitigung der Feudalverhältnisse hat die gutsherrliche Machtstellung aufgehört. In Preussen wenigstens stehen alle Bürger unter dem Gesetz und sind vor diesem gleich, ob sie Herrschaften oder blos Schlafstellen besitzen.

34 Wer einmal gerichtet wird, ist danach immer gerichtet. - Graf, 479, 671.

Eine einmal endgültig entschiedene Sache kann nie wieder Gegenstand eines Rechtsstreits werden. (S. Friedbann, Kaiser und Recht 311.)

Mhd.: War ainest gericht wirt, dar sol darnach allwegen gericht syn. (Grimm, I, 359.)

35 Wer selbst richten will, soll den Kaiser belehren, warum er das Gericht verlor. - Graf, 424, 106.

Aus der Zeit, in der Selbsthülfe bereits bei Strafe verboten war.

Mhd.: Wer selber richten will der sal den keiser bescheiden, warumb er daz gerichte virlorn habe. (Endemann, I, 35 [34].)

36 Wer wil richten eyn andern man, soll vor sich selber sehen an. - Werdea, Ciij.

Ein rabbinischer Spruch sagt: Richte nicht deinen Nächsten, bis du dich in seine Lage versetzt hast: Al tudin ess Chawejroch ad schetagia li-Mekojmoj. (Aboth.)

Lat.: Cum fueris censor, primum te crimine purga, ne tua te damnent facta nefanda reum. (Ow. Monost.) (Seybold, 100.)

*37 Er kan sich weder dreyn noch drauss richten. - Aventin, XXVIIIb.

*38 Er richtet den Schragen gegen den Markt.

Der kluge Krämer.


[Spaltenumbruch]
Richter.

1 Bist du nicht Richter, so sei auch nicht Schlichter.

Verlangt, sich nicht ohne Beruf in fremde Streitigkeiten zu mischen.

2 Das ist der beste Richter, welcher am wenigsten von den Gesetzen weiss.

So sagen die Engländer; es kann dies aber nur dann gelten, wenn die Gesetze abgestorben und nichts mehr als dem gesunden Menschenverstande widerstrebende, längst verjährte Ansichten sind. In solchem Falle ist es freilich besser, der Richter kennt sie nicht und folgt der gesunden Vernunft. Die englische Gesetzgebung ist aber ganz besonders dazu geeignet, ein solches Sprichwort, wie das obige, zu erzeugen.

3 Das ist ein weiser Richter, der ruhig prüft, ehe er urtheilt.

It.: Quel giudice e savio, ch'e tardo nel giudicare. (Pazzaglia, 140, 14.)

4 Dem Richter allein steht nicht alles zu glauben. - Graf, 417, 132.

Zu einem vollständig besetzten Gericht gehört auch ein Gerichtsschreiber. In Hamburg: Dem Richter nicht alle steyt tho louende. (Lappenberg, 196, 5.)

5 Dem Richter die Hände schmieren, heisst das Recht begraben. - Petri, II, 75.

Das ist deutsche Ansicht in Betreff der Unbestechlichkeit der Richter. In dem russischen Sprichwort dagegen wird er fast ausnahmslos als bestechlich gedacht. So heisst es: Es hilft nichts, des Richters Ohr blos zu schmieren, man muss ihm auch noch den Mund salben. (Altmann VI, 462.)

6 Dem Richter ist keine Miethe gesetzt, weder um Recht noch um Unrecht. - Graf, 410, 74.

Die alten Deutschen meinten, Gut dafür zu nehmen, dass man seiner Pflicht genüge, sei wider Amt und Würde; ein Richter, der nach dem Stück gelohnt werde, gleiche dem Nachrichter. (Vgl. Weingarten, II, 478.) "Chain Richter ist Chain miet gesetzt weder um Recht noch um Unrecht." (Freyberg, Kaiserr., 664, 395.)

7 Dem Richter träumt von dem Recht und von dem Pflug der Ackerknecht.

Lat.: Judicibus lites, aurigae somnia currus. (Seybold, 265.)

8 Der beste Richter muss Wasser trinken.

Bestechungen und Geschenke sind für ihn keine Quelle des Wohllebens.

9 Der ist Richter, der die Sache scheidet. - Graf, 414, 105.

Die Schöffen hatten das Urtel zu finden, des Richters Sache war es, es zu verkünden. (S. Urtheil und Bote, Nachtr.)

Altfries.: Det is riuchter, deer da secka schaet. (Hettema, II, 1 [18].)

10 Der Richter bezeichnet den Priester. - Graf, 408, 34.

Das Amt des Richters verlangt hervorragende Eigenschaften, hohe Tugenden.

Altfries.: Thi asega bytech nath tlene prestere. (Richthofen, 6, 3, 11; Hettema, Wetten, I, 33, 3.)

11 Der Richter darf kein Vetter sein.

Blutsverwandtschaft mit einer der Parteien schliesst vom Richteramt aus, d. h. der Richter kann in solchen Fällen nicht entscheiden.

Böhm.: Krev a pribuznost cini v soudech rozlicnost. (Celakovsky, 360.)

12 Der Richter gar parteiisch ist, für alle, deren Brot er isst.

13 Der Richter gibt den Tag und der Büttel (Bote) lädt vor. - Graf, 418, 135.

Der Richter setzt die Zeit der Verhandlung an und der Gerichtsdiener ladet die Parteien dazu vor.

Mhd.: Der richter einen tag geit unnd der putel fürpeut. (Maurer, I, 72.)

14 Der Richter ist aller Ehren werth, der im Gericht kein Geschenk begert. - Petri, II, 105.

15 Der Richter ist ein Knappe, der des Rechtes Sinne folgt. - Graf, 490, 54.

Er soll nur ein Diener des Rechts sein.

Altfries.: Di riuchter is een knappe deer dis riuchtes sinne folget. (Hettema, II, 19, 24.)

16 Der Richter ist nicht barmherzig, der einen Bösewicht freilässt. - Graf, 409, 57.

Niederd.: Een rechter en ist niet barmhertich die nene bosen verlost. (Holl. Sachsenspiegel, 25, 20.)

17 Der Richter kann auf das Gewett kein Gewett fordern. - Graf, 322, 283; Nering, III, 32.

Wenn der Verurtheilte die Zahlung der dem Richter schuldigen Gebühren (Wette) verzögerte, so sollte jener nicht befugt sein, wegen dieser Verzögerung abermals Wette zu fordern.


[Spaltenumbruch] 16 Richte erst, wenn du beide gehört.

17 Richte nicht mich vnd die meinen, siehe vor an dich vnd die deinen.Petri, II, 514.

18 Richte nicht unbarmherzig die Elenden und Armen, so wird sich dein Gott auch erbarmen.

19 Richte vor dein Haus, dann guck' nach andern aus!Körte, 2666; Siebenkees, 201; Lohrengel, I, 569.

20 Richten ist leichter als Besseres erdichten.

Lat.: Carpet citius aliquis, quam imitabitur. (Seybold, 68.)

21 Richten ist leichter als dichten.

Lat.: Reprehendere facilius est quam imitari. (Philippi, II, 155.)

22 Richten und urtheilen soll man nicht übereilen.

Lat.: In judicando criminosa est celeritas. (Seybold, 244.)

23 Richtet euch nicht nach meinen Thaten, sondern nach meinen Worten, sagte der Pfaff.Gerber, 97, 14.

Von Geistlichen und Lehrern, deren Leben ihren Lehren widerspricht.

Dän.: Vi skulle leve ei efter exempler, men regler. (Prov. dan., 148.)

Poln.: Nie sądź a niebędziesz sadzony. (Lompa, 24.)

24 Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet!Matth. 7, 1; Schulze, 191; Simrock, 8455.

25 Richt's, so geschicht's!Lehmann, II, 533, 58; Petri, II, 514; Schottel, 1120a; Körte, 5073; Simrock, 8462.

26 Richt't euch, mit dem Arsch nach Frankreich! (Ostpreuss.)

27 Sich selbst richten, thut Urtheil schlichten.

Lat.: Non judicari vis? te ipsum judica. ( Chaos, 423.)

28 Viel leichter ist richten als Besseres erdichten.

29 Viel wollen richten, wenig können tichten.Petri, II, 575.

30 Wer andere richten will, muss selber keine Flecken haben.

31 Wer andere richtet, verurtheilt sich selbst.

It.: Chi giudica un' altro, se stesso condanna.

Lat.: Tu es judex: ne quid accusandus sis, vide. (Terenz.) (Philippi, II, 224.)

32 Wer bald richt, den tödtet die gicht.Henisch, 1605, 15; Petri, II, 686.

33 Wer dich richtet, ist dein Herr.Eiselein, 528; Eisenhart, 512; Pistor., VII, 46; Simrock, 8454; Graf, 488, 50.

Das Sprichwort will sagen, dass der Richter zugleich des Beklagten Obrigkeit sei, weil ein Richter, der nicht auch das Recht besitzt, denjenigen zu zwingen, der sich seinen Anordnungen und Aussprüchen widersetzt, aufhört, Richter zu sein. Dies Sprichwort gilt auch von den Gutsherren, die auf ihren Dörfern mit der Erbgerichtsbarkeit versehen und deren Unterthanen zwar dem Landesherrn unterworfen waren, aber auch den Gutsherrn als ihren Erbherrn anerkennen mussten, hatte aber in bestimmten Verträgen seine begründeten Ausnahmen. Seit der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Beseitigung der Feudalverhältnisse hat die gutsherrliche Machtstellung aufgehört. In Preussen wenigstens stehen alle Bürger unter dem Gesetz und sind vor diesem gleich, ob sie Herrschaften oder blos Schlafstellen besitzen.

34 Wer einmal gerichtet wird, ist danach immer gerichtet.Graf, 479, 671.

Eine einmal endgültig entschiedene Sache kann nie wieder Gegenstand eines Rechtsstreits werden. (S. Friedbann, Kaiser und Recht 311.)

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35 Wer selbst richten will, soll den Kaiser belehren, warum er das Gericht verlor.Graf, 424, 106.

Aus der Zeit, in der Selbsthülfe bereits bei Strafe verboten war.

Mhd.: Wer selber richten will der sal den keiser bescheiden, warumb er daz gerichte virlorn habe. (Endemann, I, 35 [34].)

36 Wer wil richten eyn andern man, soll vor sich selber sehen an.Werdea, Ciij.

Ein rabbinischer Spruch sagt: Richte nicht deinen Nächsten, bis du dich in seine Lage versetzt hast: Al tudin ess Chawejroch ad schetagia li-Mekojmoj. (Aboth.)

Lat.: Cum fueris censor, primum te crimine purga, ne tua te damnent facta nefanda reum. (Ow. Monost.) (Seybold, 100.)

*37 Er kan sich weder dreyn noch drauss richten.Aventin, XXVIIIb.

*38 Er richtet den Schragen gegen den Markt.

Der kluge Krämer.


[Spaltenumbruch]
Richter.

1 Bist du nicht Richter, so sei auch nicht Schlichter.

Verlangt, sich nicht ohne Beruf in fremde Streitigkeiten zu mischen.

2 Das ist der beste Richter, welcher am wenigsten von den Gesetzen weiss.

So sagen die Engländer; es kann dies aber nur dann gelten, wenn die Gesetze abgestorben und nichts mehr als dem gesunden Menschenverstande widerstrebende, längst verjährte Ansichten sind. In solchem Falle ist es freilich besser, der Richter kennt sie nicht und folgt der gesunden Vernunft. Die englische Gesetzgebung ist aber ganz besonders dazu geeignet, ein solches Sprichwort, wie das obige, zu erzeugen.

3 Das ist ein weiser Richter, der ruhig prüft, ehe er urtheilt.

It.: Quel giudice è savio, ch'è tardo nel giudicare. (Pazzaglia, 140, 14.)

4 Dem Richter allein steht nicht alles zu glauben.Graf, 417, 132.

Zu einem vollständig besetzten Gericht gehört auch ein Gerichtsschreiber. In Hamburg: Dem Richter nicht alle steyt tho louende. (Lappenberg, 196, 5.)

5 Dem Richter die Hände schmieren, heisst das Recht begraben.Petri, II, 75.

Das ist deutsche Ansicht in Betreff der Unbestechlichkeit der Richter. In dem russischen Sprichwort dagegen wird er fast ausnahmslos als bestechlich gedacht. So heisst es: Es hilft nichts, des Richters Ohr blos zu schmieren, man muss ihm auch noch den Mund salben. (Altmann VI, 462.)

6 Dem Richter ist keine Miethe gesetzt, weder um Recht noch um Unrecht.Graf, 410, 74.

Die alten Deutschen meinten, Gut dafür zu nehmen, dass man seiner Pflicht genüge, sei wider Amt und Würde; ein Richter, der nach dem Stück gelohnt werde, gleiche dem Nachrichter. (Vgl. Weingarten, II, 478.) „Chain Richter ist Chain miet gesetzt weder um Recht noch um Unrecht.“ (Freyberg, Kaiserr., 664, 395.)

7 Dem Richter träumt von dem Recht und von dem Pflug der Ackerknecht.

Lat.: Judicibus lites, aurigae somnia currus. (Seybold, 265.)

8 Der beste Richter muss Wasser trinken.

Bestechungen und Geschenke sind für ihn keine Quelle des Wohllebens.

9 Der ist Richter, der die Sache scheidet.Graf, 414, 105.

Die Schöffen hatten das Urtel zu finden, des Richters Sache war es, es zu verkünden. (S. Urtheil und Bote, Nachtr.)

Altfries.: Det is riuchter, deer da secka schaet. (Hettema, II, 1 [18].)

10 Der Richter bezeichnet den Priester.Graf, 408, 34.

Das Amt des Richters verlangt hervorragende Eigenschaften, hohe Tugenden.

Altfries.: Thi asega bytech nath tlene prestere. (Richthofen, 6, 3, 11; Hettema, Wetten, I, 33, 3.)

11 Der Richter darf kein Vetter sein.

Blutsverwandtschaft mit einer der Parteien schliesst vom Richteramt aus, d. h. der Richter kann in solchen Fällen nicht entscheiden.

Böhm.: Krev a příbuznost činí v soudech rozličnost. (Čelakovsky, 360.)

12 Der Richter gar parteiisch ist, für alle, deren Brot er isst.

13 Der Richter gibt den Tag und der Büttel (Bote) lädt vor.Graf, 418, 135.

Der Richter setzt die Zeit der Verhandlung an und der Gerichtsdiener ladet die Parteien dazu vor.

Mhd.: Der richter einen tag geit unnd der putel fürpeut. (Maurer, I, 72.)

14 Der Richter ist aller Ehren werth, der im Gericht kein Geschenk begert.Petri, II, 105.

15 Der Richter ist ein Knappe, der des Rechtes Sinne folgt.Graf, 490, 54.

Er soll nur ein Diener des Rechts sein.

Altfries.: Di riuchter is een knappe deer dis riuchtes sinne folget. (Hettema, II, 19, 24.)

16 Der Richter ist nicht barmherzig, der einen Bösewicht freilässt.Graf, 409, 57.

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17 Der Richter kann auf das Gewett kein Gewett fordern.Graf, 322, 283; Nering, III, 32.

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[[835]/0849] 16 Richte erst, wenn du beide gehört. 17 Richte nicht mich vnd die meinen, siehe vor an dich vnd die deinen. – Petri, II, 514. 18 Richte nicht unbarmherzig die Elenden und Armen, so wird sich dein Gott auch erbarmen. 19 Richte vor dein Haus, dann guck' nach andern aus! – Körte, 2666; Siebenkees, 201; Lohrengel, I, 569. 20 Richten ist leichter als Besseres erdichten. Lat.: Carpet citius aliquis, quam imitabitur. (Seybold, 68.) 21 Richten ist leichter als dichten. Lat.: Reprehendere facilius est quam imitari. (Philippi, II, 155.) 22 Richten und urtheilen soll man nicht übereilen. Lat.: In judicando criminosa est celeritas. (Seybold, 244.) 23 Richtet euch nicht nach meinen Thaten, sondern nach meinen Worten, sagte der Pfaff. – Gerber, 97, 14. Von Geistlichen und Lehrern, deren Leben ihren Lehren widerspricht. Dän.: Vi skulle leve ei efter exempler, men regler. (Prov. dan., 148.) Poln.: Nie sądź a niebędziesz sadzony. (Lompa, 24.) 24 Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet! – Matth. 7, 1; Schulze, 191; Simrock, 8455. 25 Richt's, so geschicht's! – Lehmann, II, 533, 58; Petri, II, 514; Schottel, 1120a; Körte, 5073; Simrock, 8462. 26 Richt't euch, mit dem Arsch nach Frankreich! (Ostpreuss.) 27 Sich selbst richten, thut Urtheil schlichten. Lat.: Non judicari vis? te ipsum judica. ( Chaos, 423.) 28 Viel leichter ist richten als Besseres erdichten. 29 Viel wollen richten, wenig können tichten. – Petri, II, 575. 30 Wer andere richten will, muss selber keine Flecken haben. 31 Wer andere richtet, verurtheilt sich selbst. It.: Chi giudica un' altro, se stesso condanna. Lat.: Tu es judex: ne quid accusandus sis, vide. (Terenz.) (Philippi, II, 224.) 32 Wer bald richt, den tödtet die gicht. – Henisch, 1605, 15; Petri, II, 686. 33 Wer dich richtet, ist dein Herr. – Eiselein, 528; Eisenhart, 512; Pistor., VII, 46; Simrock, 8454; Graf, 488, 50. Das Sprichwort will sagen, dass der Richter zugleich des Beklagten Obrigkeit sei, weil ein Richter, der nicht auch das Recht besitzt, denjenigen zu zwingen, der sich seinen Anordnungen und Aussprüchen widersetzt, aufhört, Richter zu sein. Dies Sprichwort gilt auch von den Gutsherren, die auf ihren Dörfern mit der Erbgerichtsbarkeit versehen und deren Unterthanen zwar dem Landesherrn unterworfen waren, aber auch den Gutsherrn als ihren Erbherrn anerkennen mussten, hatte aber in bestimmten Verträgen seine begründeten Ausnahmen. Seit der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Beseitigung der Feudalverhältnisse hat die gutsherrliche Machtstellung aufgehört. In Preussen wenigstens stehen alle Bürger unter dem Gesetz und sind vor diesem gleich, ob sie Herrschaften oder blos Schlafstellen besitzen. 34 Wer einmal gerichtet wird, ist danach immer gerichtet. – Graf, 479, 671. Eine einmal endgültig entschiedene Sache kann nie wieder Gegenstand eines Rechtsstreits werden. (S. Friedbann, Kaiser und Recht 311.) Mhd.: War ainest gericht wirt, dar sol darnach allwegen gericht syn. (Grimm, I, 359.) 35 Wer selbst richten will, soll den Kaiser belehren, warum er das Gericht verlor. – Graf, 424, 106. Aus der Zeit, in der Selbsthülfe bereits bei Strafe verboten war. Mhd.: Wer selber richten will der sal den keiser bescheiden, warumb er daz gerichte virlorn habe. (Endemann, I, 35 [34].) 36 Wer wil richten eyn andern man, soll vor sich selber sehen an. – Werdea, Ciij. Ein rabbinischer Spruch sagt: Richte nicht deinen Nächsten, bis du dich in seine Lage versetzt hast: Al tudin ess Chawejroch ad schetagia li-Mekojmoj. (Aboth.) Lat.: Cum fueris censor, primum te crimine purga, ne tua te damnent facta nefanda reum. (Ow. Monost.) (Seybold, 100.) *37 Er kan sich weder dreyn noch drauss richten. – Aventin, XXVIIIb. *38 Er richtet den Schragen gegen den Markt. Der kluge Krämer. Richter. 1 Bist du nicht Richter, so sei auch nicht Schlichter. Verlangt, sich nicht ohne Beruf in fremde Streitigkeiten zu mischen. 2 Das ist der beste Richter, welcher am wenigsten von den Gesetzen weiss. So sagen die Engländer; es kann dies aber nur dann gelten, wenn die Gesetze abgestorben und nichts mehr als dem gesunden Menschenverstande widerstrebende, längst verjährte Ansichten sind. In solchem Falle ist es freilich besser, der Richter kennt sie nicht und folgt der gesunden Vernunft. Die englische Gesetzgebung ist aber ganz besonders dazu geeignet, ein solches Sprichwort, wie das obige, zu erzeugen. 3 Das ist ein weiser Richter, der ruhig prüft, ehe er urtheilt. It.: Quel giudice è savio, ch'è tardo nel giudicare. (Pazzaglia, 140, 14.) 4 Dem Richter allein steht nicht alles zu glauben. – Graf, 417, 132. Zu einem vollständig besetzten Gericht gehört auch ein Gerichtsschreiber. In Hamburg: Dem Richter nicht alle steyt tho louende. (Lappenberg, 196, 5.) 5 Dem Richter die Hände schmieren, heisst das Recht begraben. – Petri, II, 75. Das ist deutsche Ansicht in Betreff der Unbestechlichkeit der Richter. In dem russischen Sprichwort dagegen wird er fast ausnahmslos als bestechlich gedacht. So heisst es: Es hilft nichts, des Richters Ohr blos zu schmieren, man muss ihm auch noch den Mund salben. (Altmann VI, 462.) 6 Dem Richter ist keine Miethe gesetzt, weder um Recht noch um Unrecht. – Graf, 410, 74. Die alten Deutschen meinten, Gut dafür zu nehmen, dass man seiner Pflicht genüge, sei wider Amt und Würde; ein Richter, der nach dem Stück gelohnt werde, gleiche dem Nachrichter. (Vgl. Weingarten, II, 478.) „Chain Richter ist Chain miet gesetzt weder um Recht noch um Unrecht.“ (Freyberg, Kaiserr., 664, 395.) 7 Dem Richter träumt von dem Recht und von dem Pflug der Ackerknecht. Lat.: Judicibus lites, aurigae somnia currus. (Seybold, 265.) 8 Der beste Richter muss Wasser trinken. Bestechungen und Geschenke sind für ihn keine Quelle des Wohllebens. 9 Der ist Richter, der die Sache scheidet. – Graf, 414, 105. Die Schöffen hatten das Urtel zu finden, des Richters Sache war es, es zu verkünden. (S. Urtheil und Bote, Nachtr.) Altfries.: Det is riuchter, deer da secka schaet. (Hettema, II, 1 [18].) 10 Der Richter bezeichnet den Priester. – Graf, 408, 34. Das Amt des Richters verlangt hervorragende Eigenschaften, hohe Tugenden. Altfries.: Thi asega bytech nath tlene prestere. (Richthofen, 6, 3, 11; Hettema, Wetten, I, 33, 3.) 11 Der Richter darf kein Vetter sein. Blutsverwandtschaft mit einer der Parteien schliesst vom Richteramt aus, d. h. der Richter kann in solchen Fällen nicht entscheiden. Böhm.: Krev a příbuznost činí v soudech rozličnost. (Čelakovsky, 360.) 12 Der Richter gar parteiisch ist, für alle, deren Brot er isst. 13 Der Richter gibt den Tag und der Büttel (Bote) lädt vor. – Graf, 418, 135. Der Richter setzt die Zeit der Verhandlung an und der Gerichtsdiener ladet die Parteien dazu vor. Mhd.: Der richter einen tag geit unnd der putel fürpeut. (Maurer, I, 72.) 14 Der Richter ist aller Ehren werth, der im Gericht kein Geschenk begert. – Petri, II, 105. 15 Der Richter ist ein Knappe, der des Rechtes Sinne folgt. – Graf, 490, 54. Er soll nur ein Diener des Rechts sein. Altfries.: Di riuchter is een knappe deer dis riuchtes sinne folget. (Hettema, II, 19, 24.) 16 Der Richter ist nicht barmherzig, der einen Bösewicht freilässt. – Graf, 409, 57. Niederd.: Een rechter en ist niet barmhertich die nene bosen verlost. (Holl. Sachsenspiegel, 25, 20.) 17 Der Richter kann auf das Gewett kein Gewett fordern. – Graf, 322, 283; Nering, III, 32. Wenn der Verurtheilte die Zahlung der dem Richter schuldigen Gebühren (Wette) verzögerte, so sollte jener nicht befugt sein, wegen dieser Verzögerung abermals Wette zu fordern.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [835]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/849>, abgerufen am 19.04.2024.