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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

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[Spaltenumbruch] 5 Die Romanisten haben aus dem Namen Christi eine gute Müntz geschlagen, darauff geschrieben: bringher, bringher, nimmer leer. - Zinkgref, IV, 72.

6 Die Romanisten machen aus einer Kuh ein Windmühl, aus einem Esel eine Sackpfeiffe. - Zinkgref, IV, 75.

In Bezug auf die Bibelauslegung des christlichen Rom: "Die Schrifft bieg oder brech, so haben sie allzeit recht."

7 Die Romanisten verkauffen grosse lügen vmb ein klein gelt. - Zinkgref, IV, 76.

8 Die Romanisten ziehen die heilige Schrifft herumb, gleichwie ein Saw ein Chorrock. - Zinkgref, IV, 71.

9 Wenn die Romanisten ziehen gen Emaus, so ist bey jhnen all andacht us. - Zinkgref, IV, 77.

10 Wenn die Romanisten ziehen gen Emaus, so lebt man mit Jung vnnd Alt in praus, wirdt auch wol ein Kindlein draus. - Zinkgref, IV, 77.


Romedosprung.

* Einen Sanct Romedosprung thun.

Mit dieser in dem Schweizerthale von Poschiavo und Brusio üblichen Redensart: Far un salto di San Romedo, bezeichnet man einen ungeheuern Sprung, weil nach der Sage dieser Heilige bei Brusio mit einem Sprunge aus dem Thale auf den hohen Berg sprang, der seinen Namen führt. (Schweiz, I, 235.)


Römer (Gebäude).

1 Der Römer öffnet sich von vorn den Juden nur mit Gewürzen.

Die Juden zu Frankfurt a. M. durften für gewöhnlich nur durch die Hinterthür in den Römer eingehen, ausgenommen am Neujahrstage, wenn sie dem Stadtmagistrat den jährlichen Tribut, der in Gewürzen bestand, dahin ablieferten, bei welchem allerdings wichtigen Gange sie von vorn eintreten durften. (Illustr. Zeitung, Leipzig 1859, S. 144a.)

2 Wer den Römer kehrt, ist schon halb genährt.

So sagt man in Frankfurt, um die günstige Stellung desjenigen zu bezeichnen, dem das Schlüsselamt am Römer anvertraut ist, da von den Fremden jährlich ein nicht unbedeutendes Sümmchen als Führergeld eingeht. (Vgl. Kl. Bresl. Morgenzeitung, 1864, Nr. 225, S. 4.)


Römer (Volk).

1 Den Römern wachsen die Worte (wächst die Rede) im Hertzen, den Griechen im Munde. - Petri, II, 79; Henisch, 1743, 18; Sailer, 65.

Dies Sprichwort passt auf die meisten alten Sprichwörter unsers Volks. Den Deutschen wachsen ihre Sprüche im Herzen. Dies ist der Grund, warum das Sprichwort so wenig Fleiss auf die Vollendung des Geprägs verwendet und sich darin so viel Versäumniss zu Schulden kommen lässt. Die Sprichwörter haben ihren Ursprung mehr im Herzen, das den Sinn gibt, als im Kopfe, der nach den Regeln der Sprachlehre heraus kleidet.

Dän.: Det som var smukt hos de Romere, var slemt hos de Graekere. (Prov. dan., 515.)

2 Der Römer siegt im Sitzen. (Altröm.)

"Wer still und ruhig das bewirkt, was er will, mehr mit Geschick als Kraft handelt. Aus der Geschichte des Fabius Cunctator, der dem Hannibal so nachtheilig durch sein Zaudern wurde, dass man von ihm sagte: Es ist der einzige, der uns den Staat durch Säumen wiedergegeben hat."

Lat.: Romanus vincit sedendo.

3 Die Römer straften die Griechen, die Deutschen die Römer und die Zeit die Deutschen. - Witzfunken, II, 139.

4 Wo die Römer sind, da ist Rom.

Man kann dies auch wol von andern lebenden Völkern sagen.

*5 Er will den Römer machen.

"Nichts zeigt so sehr die Verschiedenheit unserer von den alten Zeiten", heisst es in den Werken Friedrich's des Grossen, "als die Art, wie das Alterthum grosse Männer behandelte und wie wir sie behandeln. Grosse Gesinnung, Erhabenheit der Seele und Festigkeit gelten jetzt für chimärische Tugenden. >Er will den Römer machen<, sagt man. >Davon ist man zurückgekommen, das ist nicht mehr an der Tagesordnung.< Desto schlimmer. Warum sollten wir die Römer nicht nachahmen in dem, was preiswürdig ist!" ( Vgl. Historische Blätter, Karlsruhe 1832, Nr. 1, S. 8.)


Rominten.

Gah na Rominte, Zigga opschwänze (Zäge hede).

Gewöhnlich als Abfertigung eines Anmassenden, Vorlauten u. s. w. Sonst gehört Rominten, Dorf im goldaper [Spaltenumbruch] Kreise (Regierungsbezirk Gambinnen) zu den Punkten, wohin man alte Jungfern verweist; namentlich solche, welche ihres hoffärtigen Wesens wegen unverheirathet geblieben sind. Der Volksglaube hat ihnen besondere Aufenthaltsorte angewiesen, wo sie nach ihrem Tode wohnen müssen und nicht selten auch schwierige Aufgaben lösen, widerwärtige Geschäfte besorgen müssen. In Ostpreussen ist ihnen das Dorf Rominten für diesen Zweck bestimmt; ferner die Zählau, ein bei Friedland gelegener grosser Bruch, sowie der Speicher im Vorwerk Markhausen zwischen Heilsberg und Landsberg. Denen, die, wenn Ueberfüllung eingetreten ist, hier nicht Platz finden, ist ein Unterkommen im Speicher zu Kanothen bei Gerdauen oder im Walde Lauenberg, zwischen Hermsdorf und Zinten, gesichert. In diesem Walde müssen sie in Gemeinschaft mit alten Junggesellen Ziegen hüten, während sie in Rominten die Ziegen blos aufschwänzen dürfen. Das Dorf ist nämlich wegen seiner niedrigen Lage so schmuzig, dass sich die Ziegen sonst den kurzen Schwanz beschmuzen würden. (Vgl. Illustr. Zeitung, Nr. 1322, S. 299.)


Rommelsbox.

* He höit de Rommelsbocks an. (Niederrhein.)

Er holt die Hebamme zu einer Entbindung.


Rongstock.

* Rongstock und Bemmerlen zusammen gewinnen. (?) (Nordböhmen.)


Ronsard.

* Dem Ronsard eine Ohrfeige geben.

"Wenn einer nicht gut schreibt oder zierliche Verse macht, so sprechen wir! Er gibt dem Ronsard, einen von unsern ältesten und berühmtesten Poeten, eine Ohrfeige." (Gryphius, 47.) Der hier erwähnte Dichter, eigentlich Pierre de Roussard, geboren 1525, gestorben 1585, ist im Bewusstsein der Jetztzeit sehr in den Hintergrund getreten. (S. Priscian.)

Frz.: Dormer un soufflet a Ronsard. (Leroux, II, 54.)


Röpse.

* He word dör de Rööpse1 faort. - Stürenburg, 202b.

1) Raufe, Pferderaufe. - Wird schlecht gefüttert, hat schlechte Kost.


Roraffe.

1 Roraffen immer schrien: hüte den Seckel. - Eiselein, 530.

Der Roraffe im Münster zu Strasburg war in der That eine kaum glaubliche Ungeheuerlichkeit. Es war dies eine unter der herrlichen 1489 von Krebser aus Anspach erbauten Orgel befindliche, verzerrte Holzfigur, halb Mensch, halb Thier, ein Gebilde wie es eben nur eine rohe Phantasie des frühern Mittelalters zu ersinnen vermochte. Es hatte schon die älteste, 1260 errichtete Orgel des Münsters ge- oder vielmehr verunziert; und der neue Orgelbauer war genöthigt worden, die hässliche, jedoch volksthümliche Fratze dem Werke anzuhängen. Die affenartige Figur hatte einige bewegliche Körpertheile und stand mit dem Pfeifenwerk wie den Windladen der Orgel selbst in Berührung, sodass beim Spielen die laugen Arme sich bewegten, das weite Maul sich öffnete und laut schallend wieder zuklappte; und dies alles während des feierlichsten Gottesdienstes und zur, wenn auch nicht Erbauung, doch Erheiterung der Andächtigen. Daran war es aber noch nicht genug. Die Figur war hohl, und zu Pfingsten verbarg sich irgendein witziger Laie oder gemeiner Priester in dieselbe. Zogen dann die Processionen der Landleute mit ihren Fahnen und Heiligthümern, mit ihren Geistlichen und frommen Gesängen in den Münster, von den mächtigen Klängen der Orgel, dem Singen der Priester am Hochaltar und auf dem Chor begrüsst, so begann auch der Roraffe sein Spiel, indem er in die heiligen Hymnen die unflätigsten Lieder brüllte, die rohesten Spässe und Spottreden über Laien und Pfaffen losliess, sodass die Bauern anfänglich verwundert und entsetzt darein schauten, dann aber in lautes Lachen ausbrachen, während am andern Ende des Münsters der Gottesdienst weiter ging. Ob Hochamt oder Predigt u. s. w., die Spottfigur liess nicht eher in ihrem Treiben nach bis dem in ihr verborgenen Urheber alle Kraft der Lunge ausgegangen war. Das war der Roraffe im Münster zu Strasburg, der, so lange wie die Kirche bestand, sein Wesen getrieben. Wenn sich auch zeitweise Stimmen gegen denselben erhoben, Rath und Geistlichkeit schützten ihn. Zu Ende des 16. und des folgenden Jahrhunderts donnerte Geiler von Kaisersberg von der Kanzel gegen den Roraffen, verklagte ihn beim Rath, aber vergebens. Sogar die Reformation, die sich in Strasburg nicht ohne Kampf vollzog, überdauerte er, wenn er auch in der öffentlichen Gunst nicht mehr so fest wie früher stand. Aber auch sein Stundlein kam. Es war im Jahr 1500 als sich in der katholischen Bevölkerung zwei Parteien bildeten, von denen die eine seine Entfernung anstrebte. Ein junger Bildschnitzer der letztern hatte für Pfingsten dieses Jahres zwei andere angemessene Figuren für die Orgel angefertigt und sie, um die Aufmerksamkeit des Volks vom Roraffen abzulenken, auf der Orgel aufgestellt. Der Goldschmied Wumser, der früher oft am Pfingstfest sich im Roraffen verborgen gehalten und seinen Spott getrieben

[Spaltenumbruch] 5 Die Romanisten haben aus dem Namen Christi eine gute Müntz geschlagen, darauff geschrieben: bringher, bringher, nimmer leer.Zinkgref, IV, 72.

6 Die Romanisten machen aus einer Kuh ein Windmühl, aus einem Esel eine Sackpfeiffe.Zinkgref, IV, 75.

In Bezug auf die Bibelauslegung des christlichen Rom: „Die Schrifft bieg oder brech, so haben sie allzeit recht.“

7 Die Romanisten verkauffen grosse lügen vmb ein klein gelt.Zinkgref, IV, 76.

8 Die Romanisten ziehen die heilige Schrifft herumb, gleichwie ein Saw ein Chorrock.Zinkgref, IV, 71.

9 Wenn die Romanisten ziehen gen Emaus, so ist bey jhnen all andacht us.Zinkgref, IV, 77.

10 Wenn die Romanisten ziehen gen Emaus, so lebt man mit Jung vnnd Alt in praus, wirdt auch wol ein Kindlein draus.Zinkgref, IV, 77.


Romedosprung.

* Einen Sanct Romedosprung thun.

Mit dieser in dem Schweizerthale von Poschiavo und Brusio üblichen Redensart: Far un salto di San Romedo, bezeichnet man einen ungeheuern Sprung, weil nach der Sage dieser Heilige bei Brusio mit einem Sprunge aus dem Thale auf den hohen Berg sprang, der seinen Namen führt. (Schweiz, I, 235.)


Römer (Gebäude).

1 Der Römer öffnet sich von vorn den Juden nur mit Gewürzen.

Die Juden zu Frankfurt a. M. durften für gewöhnlich nur durch die Hinterthür in den Römer eingehen, ausgenommen am Neujahrstage, wenn sie dem Stadtmagistrat den jährlichen Tribut, der in Gewürzen bestand, dahin ablieferten, bei welchem allerdings wichtigen Gange sie von vorn eintreten durften. (Illustr. Zeitung, Leipzig 1859, S. 144a.)

2 Wer den Römer kehrt, ist schon halb genährt.

So sagt man in Frankfurt, um die günstige Stellung desjenigen zu bezeichnen, dem das Schlüsselamt am Römer anvertraut ist, da von den Fremden jährlich ein nicht unbedeutendes Sümmchen als Führergeld eingeht. (Vgl. Kl. Bresl. Morgenzeitung, 1864, Nr. 225, S. 4.)


Römer (Volk).

1 Den Römern wachsen die Worte (wächst die Rede) im Hertzen, den Griechen im Munde.Petri, II, 79; Henisch, 1743, 18; Sailer, 65.

Dies Sprichwort passt auf die meisten alten Sprichwörter unsers Volks. Den Deutschen wachsen ihre Sprüche im Herzen. Dies ist der Grund, warum das Sprichwort so wenig Fleiss auf die Vollendung des Geprägs verwendet und sich darin so viel Versäumniss zu Schulden kommen lässt. Die Sprichwörter haben ihren Ursprung mehr im Herzen, das den Sinn gibt, als im Kopfe, der nach den Regeln der Sprachlehre heraus kleidet.

Dän.: Det som var smukt hos de Romere, var slemt hos de Grækere. (Prov. dan., 515.)

2 Der Römer siegt im Sitzen. (Altröm.)

„Wer still und ruhig das bewirkt, was er will, mehr mit Geschick als Kraft handelt. Aus der Geschichte des Fabius Cunctator, der dem Hannibal so nachtheilig durch sein Zaudern wurde, dass man von ihm sagte: Es ist der einzige, der uns den Staat durch Säumen wiedergegeben hat.“

Lat.: Romanus vincit sedendo.

3 Die Römer straften die Griechen, die Deutschen die Römer und die Zeit die Deutschen.Witzfunken, II, 139.

4 Wo die Römer sind, da ist Rom.

Man kann dies auch wol von andern lebenden Völkern sagen.

*5 Er will den Römer machen.

„Nichts zeigt so sehr die Verschiedenheit unserer von den alten Zeiten“, heisst es in den Werken Friedrich's des Grossen, „als die Art, wie das Alterthum grosse Männer behandelte und wie wir sie behandeln. Grosse Gesinnung, Erhabenheit der Seele und Festigkeit gelten jetzt für chimärische Tugenden. ›Er will den Römer machen‹, sagt man. ›Davon ist man zurückgekommen, das ist nicht mehr an der Tagesordnung.‹ Desto schlimmer. Warum sollten wir die Römer nicht nachahmen in dem, was preiswürdig ist!“ ( Vgl. Historische Blätter, Karlsruhe 1832, Nr. 1, S. 8.)


Rominten.

Gah na Rominte, Zigga opschwänze (Zäge hede).

Gewöhnlich als Abfertigung eines Anmassenden, Vorlauten u. s. w. Sonst gehört Rominten, Dorf im goldaper [Spaltenumbruch] Kreise (Regierungsbezirk Gambinnen) zu den Punkten, wohin man alte Jungfern verweist; namentlich solche, welche ihres hoffärtigen Wesens wegen unverheirathet geblieben sind. Der Volksglaube hat ihnen besondere Aufenthaltsorte angewiesen, wo sie nach ihrem Tode wohnen müssen und nicht selten auch schwierige Aufgaben lösen, widerwärtige Geschäfte besorgen müssen. In Ostpreussen ist ihnen das Dorf Rominten für diesen Zweck bestimmt; ferner die Zählau, ein bei Friedland gelegener grosser Bruch, sowie der Speicher im Vorwerk Markhausen zwischen Heilsberg und Landsberg. Denen, die, wenn Ueberfüllung eingetreten ist, hier nicht Platz finden, ist ein Unterkommen im Speicher zu Kanothen bei Gerdauen oder im Walde Lauenberg, zwischen Hermsdorf und Zinten, gesichert. In diesem Walde müssen sie in Gemeinschaft mit alten Junggesellen Ziegen hüten, während sie in Rominten die Ziegen blos aufschwänzen dürfen. Das Dorf ist nämlich wegen seiner niedrigen Lage so schmuzig, dass sich die Ziegen sonst den kurzen Schwanz beschmuzen würden. (Vgl. Illustr. Zeitung, Nr. 1322, S. 299.)


Rommelsbox.

* He höit de Rommelsbocks an. (Niederrhein.)

Er holt die Hebamme zu einer Entbindung.


Rongstock.

* Rongstock und Bemmerlen zusammen gewinnen. (?) (Nordböhmen.)


Ronsard.

* Dem Ronsard eine Ohrfeige geben.

„Wenn einer nicht gut schreibt oder zierliche Verse macht, so sprechen wir! Er gibt dem Ronsard, einen von unsern ältesten und berühmtesten Poeten, eine Ohrfeige.“ (Gryphius, 47.) Der hier erwähnte Dichter, eigentlich Pierre de Roussard, geboren 1525, gestorben 1585, ist im Bewusstsein der Jetztzeit sehr in den Hintergrund getreten. (S. Priscian.)

Frz.: Dormer un soufflet à Ronsard. (Leroux, II, 54.)


Röpse.

* He word dör de Rööpse1 faort.Stürenburg, 202b.

1) Raufe, Pferderaufe. – Wird schlecht gefüttert, hat schlechte Kost.


Roraffe.

1 Roraffen immer schrien: hüte den Seckel.Eiselein, 530.

Der Roraffe im Münster zu Strasburg war in der That eine kaum glaubliche Ungeheuerlichkeit. Es war dies eine unter der herrlichen 1489 von Krebser aus Anspach erbauten Orgel befindliche, verzerrte Holzfigur, halb Mensch, halb Thier, ein Gebilde wie es eben nur eine rohe Phantasie des frühern Mittelalters zu ersinnen vermochte. Es hatte schon die älteste, 1260 errichtete Orgel des Münsters ge- oder vielmehr verunziert; und der neue Orgelbauer war genöthigt worden, die hässliche, jedoch volksthümliche Fratze dem Werke anzuhängen. Die affenartige Figur hatte einige bewegliche Körpertheile und stand mit dem Pfeifenwerk wie den Windladen der Orgel selbst in Berührung, sodass beim Spielen die laugen Arme sich bewegten, das weite Maul sich öffnete und laut schallend wieder zuklappte; und dies alles während des feierlichsten Gottesdienstes und zur, wenn auch nicht Erbauung, doch Erheiterung der Andächtigen. Daran war es aber noch nicht genug. Die Figur war hohl, und zu Pfingsten verbarg sich irgendein witziger Laie oder gemeiner Priester in dieselbe. Zogen dann die Processionen der Landleute mit ihren Fahnen und Heiligthümern, mit ihren Geistlichen und frommen Gesängen in den Münster, von den mächtigen Klängen der Orgel, dem Singen der Priester am Hochaltar und auf dem Chor begrüsst, so begann auch der Roraffe sein Spiel, indem er in die heiligen Hymnen die unflätigsten Lieder brüllte, die rohesten Spässe und Spottreden über Laien und Pfaffen losliess, sodass die Bauern anfänglich verwundert und entsetzt darein schauten, dann aber in lautes Lachen ausbrachen, während am andern Ende des Münsters der Gottesdienst weiter ging. Ob Hochamt oder Predigt u. s. w., die Spottfigur liess nicht eher in ihrem Treiben nach bis dem in ihr verborgenen Urheber alle Kraft der Lunge ausgegangen war. Das war der Roraffe im Münster zu Strasburg, der, so lange wie die Kirche bestand, sein Wesen getrieben. Wenn sich auch zeitweise Stimmen gegen denselben erhoben, Rath und Geistlichkeit schützten ihn. Zu Ende des 16. und des folgenden Jahrhunderts donnerte Geiler von Kaisersberg von der Kanzel gegen den Roraffen, verklagte ihn beim Rath, aber vergebens. Sogar die Reformation, die sich in Strasburg nicht ohne Kampf vollzog, überdauerte er, wenn er auch in der öffentlichen Gunst nicht mehr so fest wie früher stand. Aber auch sein Stundlein kam. Es war im Jahr 1500 als sich in der katholischen Bevölkerung zwei Parteien bildeten, von denen die eine seine Entfernung anstrebte. Ein junger Bildschnitzer der letztern hatte für Pfingsten dieses Jahres zwei andere angemessene Figuren für die Orgel angefertigt und sie, um die Aufmerksamkeit des Volks vom Roraffen abzulenken, auf der Orgel aufgestellt. Der Goldschmied Wumser, der früher oft am Pfingstfest sich im Roraffen verborgen gehalten und seinen Spott getrieben

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          <p rendition="#et">Der Roraffe im Münster zu Strasburg war in der That eine kaum glaubliche Ungeheuerlichkeit. Es war dies eine unter der herrlichen 1489 von Krebser aus Anspach erbauten Orgel befindliche, verzerrte Holzfigur, halb Mensch, halb Thier, ein Gebilde wie es eben nur eine rohe Phantasie des frühern Mittelalters zu ersinnen vermochte. Es hatte schon die älteste, 1260 errichtete Orgel des Münsters ge- oder vielmehr verunziert; und der neue Orgelbauer war genöthigt worden, die hässliche, jedoch volksthümliche Fratze dem Werke anzuhängen. Die affenartige Figur hatte einige bewegliche Körpertheile und stand mit dem Pfeifenwerk wie den Windladen der Orgel selbst in Berührung, sodass beim Spielen die laugen Arme sich bewegten, das weite Maul sich öffnete und laut schallend wieder zuklappte; und dies alles während des feierlichsten Gottesdienstes und zur, wenn auch nicht Erbauung, doch Erheiterung der Andächtigen. Daran war es aber noch nicht genug. Die Figur war hohl, und zu Pfingsten verbarg sich irgendein witziger Laie oder gemeiner Priester in dieselbe. Zogen dann die Processionen der Landleute mit ihren Fahnen und Heiligthümern, mit ihren Geistlichen und frommen Gesängen in den Münster, von den mächtigen Klängen der Orgel, dem Singen der Priester am Hochaltar und auf dem Chor begrüsst, so begann auch der Roraffe sein Spiel, indem er in die heiligen Hymnen die unflätigsten Lieder brüllte, die rohesten Spässe und Spottreden über Laien und Pfaffen losliess, sodass die Bauern anfänglich verwundert und entsetzt darein schauten, dann aber in lautes Lachen ausbrachen, während am andern Ende des Münsters der Gottesdienst weiter ging. Ob Hochamt oder Predigt u. s. w., die Spottfigur liess nicht eher in ihrem Treiben nach bis dem in ihr verborgenen Urheber alle Kraft der Lunge ausgegangen war. Das war der Roraffe im Münster zu Strasburg, der, so lange wie die Kirche bestand, sein Wesen getrieben. Wenn sich auch zeitweise Stimmen gegen denselben erhoben, Rath und Geistlichkeit schützten ihn. Zu Ende des 16. und des folgenden Jahrhunderts donnerte <hi rendition="#i">Geiler von Kaisersberg</hi> von der Kanzel gegen den Roraffen, verklagte ihn beim Rath, aber vergebens. Sogar die Reformation, die sich in Strasburg nicht ohne Kampf vollzog, überdauerte er, wenn er auch in der öffentlichen Gunst nicht mehr so fest wie früher stand. Aber auch sein Stundlein kam. Es war im Jahr 1500 als sich in der katholischen Bevölkerung zwei Parteien bildeten, von denen die eine seine Entfernung anstrebte. Ein junger Bildschnitzer der letztern hatte für Pfingsten dieses Jahres zwei andere angemessene Figuren für die Orgel angefertigt und sie, um die Aufmerksamkeit des Volks vom Roraffen abzulenken, auf der Orgel aufgestellt. Der Goldschmied Wumser, der früher oft am Pfingstfest sich im Roraffen verborgen gehalten und seinen Spott getrieben
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[[861]/0875] 5 Die Romanisten haben aus dem Namen Christi eine gute Müntz geschlagen, darauff geschrieben: bringher, bringher, nimmer leer. – Zinkgref, IV, 72. 6 Die Romanisten machen aus einer Kuh ein Windmühl, aus einem Esel eine Sackpfeiffe. – Zinkgref, IV, 75. In Bezug auf die Bibelauslegung des christlichen Rom: „Die Schrifft bieg oder brech, so haben sie allzeit recht.“ 7 Die Romanisten verkauffen grosse lügen vmb ein klein gelt. – Zinkgref, IV, 76. 8 Die Romanisten ziehen die heilige Schrifft herumb, gleichwie ein Saw ein Chorrock. – Zinkgref, IV, 71. 9 Wenn die Romanisten ziehen gen Emaus, so ist bey jhnen all andacht us. – Zinkgref, IV, 77. 10 Wenn die Romanisten ziehen gen Emaus, so lebt man mit Jung vnnd Alt in praus, wirdt auch wol ein Kindlein draus. – Zinkgref, IV, 77. Romedosprung. * Einen Sanct Romedosprung thun. Mit dieser in dem Schweizerthale von Poschiavo und Brusio üblichen Redensart: Far un salto di San Romedo, bezeichnet man einen ungeheuern Sprung, weil nach der Sage dieser Heilige bei Brusio mit einem Sprunge aus dem Thale auf den hohen Berg sprang, der seinen Namen führt. (Schweiz, I, 235.) Römer (Gebäude). 1 Der Römer öffnet sich von vorn den Juden nur mit Gewürzen. Die Juden zu Frankfurt a. M. durften für gewöhnlich nur durch die Hinterthür in den Römer eingehen, ausgenommen am Neujahrstage, wenn sie dem Stadtmagistrat den jährlichen Tribut, der in Gewürzen bestand, dahin ablieferten, bei welchem allerdings wichtigen Gange sie von vorn eintreten durften. (Illustr. Zeitung, Leipzig 1859, S. 144a.) 2 Wer den Römer kehrt, ist schon halb genährt. So sagt man in Frankfurt, um die günstige Stellung desjenigen zu bezeichnen, dem das Schlüsselamt am Römer anvertraut ist, da von den Fremden jährlich ein nicht unbedeutendes Sümmchen als Führergeld eingeht. (Vgl. Kl. Bresl. Morgenzeitung, 1864, Nr. 225, S. 4.) Römer (Volk). 1 Den Römern wachsen die Worte (wächst die Rede) im Hertzen, den Griechen im Munde. – Petri, II, 79; Henisch, 1743, 18; Sailer, 65. Dies Sprichwort passt auf die meisten alten Sprichwörter unsers Volks. Den Deutschen wachsen ihre Sprüche im Herzen. Dies ist der Grund, warum das Sprichwort so wenig Fleiss auf die Vollendung des Geprägs verwendet und sich darin so viel Versäumniss zu Schulden kommen lässt. Die Sprichwörter haben ihren Ursprung mehr im Herzen, das den Sinn gibt, als im Kopfe, der nach den Regeln der Sprachlehre heraus kleidet. Dän.: Det som var smukt hos de Romere, var slemt hos de Grækere. (Prov. dan., 515.) 2 Der Römer siegt im Sitzen. (Altröm.) „Wer still und ruhig das bewirkt, was er will, mehr mit Geschick als Kraft handelt. Aus der Geschichte des Fabius Cunctator, der dem Hannibal so nachtheilig durch sein Zaudern wurde, dass man von ihm sagte: Es ist der einzige, der uns den Staat durch Säumen wiedergegeben hat.“ Lat.: Romanus vincit sedendo. 3 Die Römer straften die Griechen, die Deutschen die Römer und die Zeit die Deutschen. – Witzfunken, II, 139. 4 Wo die Römer sind, da ist Rom. Man kann dies auch wol von andern lebenden Völkern sagen. *5 Er will den Römer machen. „Nichts zeigt so sehr die Verschiedenheit unserer von den alten Zeiten“, heisst es in den Werken Friedrich's des Grossen, „als die Art, wie das Alterthum grosse Männer behandelte und wie wir sie behandeln. Grosse Gesinnung, Erhabenheit der Seele und Festigkeit gelten jetzt für chimärische Tugenden. ›Er will den Römer machen‹, sagt man. ›Davon ist man zurückgekommen, das ist nicht mehr an der Tagesordnung.‹ Desto schlimmer. Warum sollten wir die Römer nicht nachahmen in dem, was preiswürdig ist!“ ( Vgl. Historische Blätter, Karlsruhe 1832, Nr. 1, S. 8.) Rominten. Gah na Rominte, Zigga opschwänze (Zäge hede). Gewöhnlich als Abfertigung eines Anmassenden, Vorlauten u. s. w. Sonst gehört Rominten, Dorf im goldaper Kreise (Regierungsbezirk Gambinnen) zu den Punkten, wohin man alte Jungfern verweist; namentlich solche, welche ihres hoffärtigen Wesens wegen unverheirathet geblieben sind. Der Volksglaube hat ihnen besondere Aufenthaltsorte angewiesen, wo sie nach ihrem Tode wohnen müssen und nicht selten auch schwierige Aufgaben lösen, widerwärtige Geschäfte besorgen müssen. In Ostpreussen ist ihnen das Dorf Rominten für diesen Zweck bestimmt; ferner die Zählau, ein bei Friedland gelegener grosser Bruch, sowie der Speicher im Vorwerk Markhausen zwischen Heilsberg und Landsberg. Denen, die, wenn Ueberfüllung eingetreten ist, hier nicht Platz finden, ist ein Unterkommen im Speicher zu Kanothen bei Gerdauen oder im Walde Lauenberg, zwischen Hermsdorf und Zinten, gesichert. In diesem Walde müssen sie in Gemeinschaft mit alten Junggesellen Ziegen hüten, während sie in Rominten die Ziegen blos aufschwänzen dürfen. Das Dorf ist nämlich wegen seiner niedrigen Lage so schmuzig, dass sich die Ziegen sonst den kurzen Schwanz beschmuzen würden. (Vgl. Illustr. Zeitung, Nr. 1322, S. 299.) Rommelsbox. * He höit de Rommelsbocks an. (Niederrhein.) Er holt die Hebamme zu einer Entbindung. Rongstock. * Rongstock und Bemmerlen zusammen gewinnen. (?) (Nordböhmen.) Ronsard. * Dem Ronsard eine Ohrfeige geben. „Wenn einer nicht gut schreibt oder zierliche Verse macht, so sprechen wir! Er gibt dem Ronsard, einen von unsern ältesten und berühmtesten Poeten, eine Ohrfeige.“ (Gryphius, 47.) Der hier erwähnte Dichter, eigentlich Pierre de Roussard, geboren 1525, gestorben 1585, ist im Bewusstsein der Jetztzeit sehr in den Hintergrund getreten. (S. Priscian.) Frz.: Dormer un soufflet à Ronsard. (Leroux, II, 54.) Röpse. * He word dör de Rööpse1 faort. – Stürenburg, 202b. 1) Raufe, Pferderaufe. – Wird schlecht gefüttert, hat schlechte Kost. Roraffe. 1 Roraffen immer schrien: hüte den Seckel. – Eiselein, 530. Der Roraffe im Münster zu Strasburg war in der That eine kaum glaubliche Ungeheuerlichkeit. Es war dies eine unter der herrlichen 1489 von Krebser aus Anspach erbauten Orgel befindliche, verzerrte Holzfigur, halb Mensch, halb Thier, ein Gebilde wie es eben nur eine rohe Phantasie des frühern Mittelalters zu ersinnen vermochte. Es hatte schon die älteste, 1260 errichtete Orgel des Münsters ge- oder vielmehr verunziert; und der neue Orgelbauer war genöthigt worden, die hässliche, jedoch volksthümliche Fratze dem Werke anzuhängen. Die affenartige Figur hatte einige bewegliche Körpertheile und stand mit dem Pfeifenwerk wie den Windladen der Orgel selbst in Berührung, sodass beim Spielen die laugen Arme sich bewegten, das weite Maul sich öffnete und laut schallend wieder zuklappte; und dies alles während des feierlichsten Gottesdienstes und zur, wenn auch nicht Erbauung, doch Erheiterung der Andächtigen. Daran war es aber noch nicht genug. Die Figur war hohl, und zu Pfingsten verbarg sich irgendein witziger Laie oder gemeiner Priester in dieselbe. Zogen dann die Processionen der Landleute mit ihren Fahnen und Heiligthümern, mit ihren Geistlichen und frommen Gesängen in den Münster, von den mächtigen Klängen der Orgel, dem Singen der Priester am Hochaltar und auf dem Chor begrüsst, so begann auch der Roraffe sein Spiel, indem er in die heiligen Hymnen die unflätigsten Lieder brüllte, die rohesten Spässe und Spottreden über Laien und Pfaffen losliess, sodass die Bauern anfänglich verwundert und entsetzt darein schauten, dann aber in lautes Lachen ausbrachen, während am andern Ende des Münsters der Gottesdienst weiter ging. Ob Hochamt oder Predigt u. s. w., die Spottfigur liess nicht eher in ihrem Treiben nach bis dem in ihr verborgenen Urheber alle Kraft der Lunge ausgegangen war. Das war der Roraffe im Münster zu Strasburg, der, so lange wie die Kirche bestand, sein Wesen getrieben. Wenn sich auch zeitweise Stimmen gegen denselben erhoben, Rath und Geistlichkeit schützten ihn. Zu Ende des 16. und des folgenden Jahrhunderts donnerte Geiler von Kaisersberg von der Kanzel gegen den Roraffen, verklagte ihn beim Rath, aber vergebens. Sogar die Reformation, die sich in Strasburg nicht ohne Kampf vollzog, überdauerte er, wenn er auch in der öffentlichen Gunst nicht mehr so fest wie früher stand. Aber auch sein Stundlein kam. Es war im Jahr 1500 als sich in der katholischen Bevölkerung zwei Parteien bildeten, von denen die eine seine Entfernung anstrebte. Ein junger Bildschnitzer der letztern hatte für Pfingsten dieses Jahres zwei andere angemessene Figuren für die Orgel angefertigt und sie, um die Aufmerksamkeit des Volks vom Roraffen abzulenken, auf der Orgel aufgestellt. Der Goldschmied Wumser, der früher oft am Pfingstfest sich im Roraffen verborgen gehalten und seinen Spott getrieben

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [861]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/875>, abgerufen am 24.04.2024.