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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] 4 Man muss dem Staar die Zunge lösen, wenn er sprechen soll.

5 Staare bleiben mager, weil sie einander das Futter wegnaschen (fressen).

It.: Gli stornelli son magri perche vanno in frotta. (Bohn I, 181.)

6 Staare naschen gern Kirschen, aber sie pflanzen keine Bäume.

Von solchen, die wol die Früchte von etwas geniessen, aber nichts dazu beitragen wollen.

Holl.: Spreeuwen willen wel kersen eten, maar geene boomen planten. (Harrebomee, II, 293a.)


Staar (Augenkrankheit).

1 Es ist besser, man behalt den Staren in Augen, als dass man mit Gefahr Lebens denselben Steche. - Lehmann, 51, 51.

2 Wenn man den Staar heilen will, muss man nicht den Kopf abschlagen.

3 Wer den Staar hat, glaubt nicht an die Sonne.

*4 Den Staar haben.

Blind oder verblendet sein, falsch oder schief urtheilen.

Frz.: Avoir la berlue.

*5 Er sieht sich einen Staaren.

Wartet vergeblich auf etwas. Aus der Niederlausitz wird zu der Redensart bemerkt: Wer sich in ein Mädchen verschiesst und darauf enttäuscht wird, hat sich einen Staar gesehen. Auch bei einem Handel kann man sich einen Staar sehen, wenn man sich irrt. Bei dem letzten Kuhkauf hatte ich mir einen Staar gesehen.

*6 Man muss ihm den Staar stechen. - Körte, 5680a; Eiselein, 577; Mathesius, Hertzpostille, I, 805; Fischer, Psalter, 87, 4; Braun, I, 4239.

"Lass dir den Staar stechen." (Herberger, Hertzpostille, I, 805.)


Staarlein.

* Stoarla, pfeffst de? (Hirschberg.)

Thust du endlich den Mund auf? Auch wenn ein junger Mensch eine naseweise Bemerkung macht.


Staat (Putz).

1 Alles an Staat und nichts in der Schüssel.

Frz.: Plus de veloux que de pain. (Kritzinger, 545a.)

2 Der Staat ziert die Mad. (Eifel.)

Es empfiehlt ein Mädchen, wenn sie in gefälliger Kleidung erscheint.

3 Jo meer Staat, jo minner Saat. (Süderdithmarschen.)

Je mehr Staat, Putz u. s. w., desto weniger Saat.

4 Sau (so) de Staat, sau auk de Praut. (Münsterland.)

5 Staat muss vor den Leuten getrieben werden, und wenn zu Hause der Bettelsack an der Wand verzweifelt.

Lat.: His oculis vidli, tunicis plerosque superbis Vestiri, atque foro regali incedere gressu, Quos secreta fames premit atque domestica egestas. (Manutius.) (Binder I, 662; II, 1307.)

6 Staat vnd Kleid hilft nicht zur Seligkeit. - Petri, II, 540.

7 Viel Staat auf dem Kopf und nichts im Topf.

Frz.: Tout etat, et rien ne plat. (Bohn I, 59.)

8 Viel Staat auf der Gasse und nichts in der Kasse.

Holl.: Groote staat en klein van middelen. (Harrebomee, II, 297a.)

9 Was für Staat in der Hölle, wenn der Teufel seine Mutter zu Tanz führt.

Dän.: Hvilken en stads var der i helvede, der fanden ledte sin moder til offers. (Prov. dan., 279.)

10 Wu (wie) de Staat, so auk de Prat (Rede, Geschwätz). - Frommann, VI, 428, 115.

*11 Damit ist kein Staat zu machen.

Holl.: Daar kan je Staat opmaken. (Harrebomee, II, 297a.)

*12 Dat is 'n Staot as Schnodder up de Mau. (Pommern.)

Spott auf entstellenden Schmuck. "Wann nun ein weib oder mann etwas newes auffbringt vnd wir spotten sein, sagen wir: Es mag leicht sein, das ein menschen zieret, ia ein rotz auff ein ermel." (Agricola I, 370.)

*13 Den Staat hangt er ut'n Erse as 'n Rissen Flass. - Eichwald, 405.

*14 Mit dem ist nicht (mehr) viel Staat zu machen. - Frischbier2, 3585.

*15 Sich in Stoaoat werfen. - Hügel, 154a.

Sich sehr herausputzen.

*16 Viel Staat und nichts in der Schüssel.


[Spaltenumbruch]
Staat (Gebiet, Reich).

1 Bei einem Staate in der Noth gehn zehn Junker auf ein Loth. - Neuhaus, Preuss. Knackmandeln (Mohrungen 1863), Nr. 265.

2 Der beste Staat ist der, der die meiste Polizei hat. - Westdeutsche Zeitung, 1849, Nr. 117.

Ein Ausspruch des preussischen Ministers Kühlwetter, bei Gelegenheit der Schöpfung des Instituts der Constabler. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Der Staat ist dann gut daran, wenn die Säbel rostig, die Grabscheite glänzend, wenn die Kerker leer und die Speicher voll, wenn die Kirchtreppen schmuzig und die Gerichtshöfe mit Gras bewachsen sind, wenn die Aerzte zu Fuss gehen und die Fleischer zu Pferd sitzen. (Niederschles. Zeitung, Görlitz 1867, Nr. 298.) Von den sieben Weisen Griechenlands sagt Bias: "Der beste Staat ist der, in welchem sich alle Bürger vor dem Gesetze, wie vor ihrem höchsten Beherrscher fürchten." Chilon erklärte den für den besten, in welchem die Gesetze am meisten, die Schwätzer am wenigsten Gehör finden. Thales den, der weder zu reiche, noch zu arme Bürger habe. Cleobus den, in welchem die Bürger den Tadel mehr als die Gesetze fürchten.

3 Der schlechteste Staat braucht die besten Gesetze.

Lat.: Corruptissima respublica plurimae leges. (Faselius, 51.)

4 Der Staat ist eine Kuh, die jeder melken will.

Aehnlich die Russen: Der Staat ist eine Brust, aus der jeder saugen möchte. (Altmann VI, 432.)

5 Der Staat ist eine Pyramide, die oben nicht zu dick sein darf.

Dies Wort ist ein Ausspruch Justus Möser's, der es in einer seiner erbaulichen Betrachtungen anwendet. Zur Erläuterung sagt er: "Die landesherrliche Familie darf nicht zu zahlreich sein; ebenso wenig darf sie in der Mitte eine zu grosse hohe Dienerschaft am Halskragen oder zu viel unbehüteten Adel am Bauche haben. Unten kann sie nicht leicht zu zahlreich, zu stark und nicht leicht zu gut gefugt sein."

6 Der Staat ist eine undankbare Bestie.

S. dabei Racker 5, wozu die letzten 4 Zeilen der Note von Racker 1 gehören.

Lat.: Respublica est ingrata bestia. (Witzfunken, XVIa, 148.)

7 Ein Staat ohn recht ist ein Leib ohn Seel. - Petri, II, 227.

Böhm.: Mesto bez prava jest telo bez duse. (Rybicka, 537.)

8 Ein Staat ohne Bauern und Bürger, da bleiben nur Bettler und Würger. - Schottmüller.

9 Ein Staat sei noch so gross, ein Feind ist ihm zu viel und hundert Freunde sind zu wenig.

Böhm.: Obec velky kopec. (Celakovsky, 358.)

It.: A degni gran stato un nemico e troppo, e cento amici sono pochi. (Cahier, 3001.)

10 In einem Staat, wo viel verordnet wird, müssen viel Krankheiten herrschen. - Philippi, Der vergrösserte Staat.

11 In jedem Staate ist etwas faul.

Nicht blos im Staate Dänemark. Die Franzosen behaupten, dass er mehr fresse als alles Ungeziefer: L'estat mine plus que vermine. (Leroux, II, 252.)

Holl.: In alle staten is gebrek. (Harrebomee, II, 297b.)

12 In meinem Staate kann jeder nach seiner Facon selig werden.

Nach Büchmann (186) ist dieser sprichwörtlich gewordene Ausspruch Friedrich's des Grossen ein nicht gesprochenes, sondern geschriebenes Wort. Bald nach dem Regierungsantritt des grossen Königs berichteten unter dem 22. Juni 1740 der Staatsminister von Brand und der Präsident des Consistoriums von Reichenbach, dass wegen der römisch-katholischen Soldatenkinder, besonders zu Berlin, römisch- katholische Schulen angelegt wären, die aber zu allerlei Inconvenienzen, namentlich aber dazu Gelegenheit gegeben hätten, dass wider des Königs ausdrücklichen Befehl aus Protestanten römisch-katholische Glaubensgenossen gemacht würden, was der Generalfiscal berichtet habe. Sie fragten nun an, ob die römisch-katholischen Schulen bleiben, oder welche andere Antwort sie dem Generalfiscal geben sollten. Der König schrieb an den Rand: "Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden."

13 Je groter Staat, je groter Hat.

Holl.: Hoe grooter staat, hoe grooter hut. (Harrebomee, II, 297a.)

14 Neue Staaten, neue Menschen.

15 State machet biweilen dieb. - Mone, Anzeiger, 1834. S. 29.

[Spaltenumbruch] 4 Man muss dem Staar die Zunge lösen, wenn er sprechen soll.

5 Staare bleiben mager, weil sie einander das Futter wegnaschen (fressen).

It.: Gli stornelli son magri perchè vanno in frotta. (Bohn I, 181.)

6 Staare naschen gern Kirschen, aber sie pflanzen keine Bäume.

Von solchen, die wol die Früchte von etwas geniessen, aber nichts dazu beitragen wollen.

Holl.: Spreeuwen willen wel kersen eten, maar geene boomen planten. (Harrebomée, II, 293a.)


Staar (Augenkrankheit).

1 Es ist besser, man behalt den Staren in Augen, als dass man mit Gefahr Lebens denselben Steche.Lehmann, 51, 51.

2 Wenn man den Staar heilen will, muss man nicht den Kopf abschlagen.

3 Wer den Staar hat, glaubt nicht an die Sonne.

*4 Den Staar haben.

Blind oder verblendet sein, falsch oder schief urtheilen.

Frz.: Avoir la berlue.

*5 Er sieht sich einen Staaren.

Wartet vergeblich auf etwas. Aus der Niederlausitz wird zu der Redensart bemerkt: Wer sich in ein Mädchen verschiesst und darauf enttäuscht wird, hat sich einen Staar gesehen. Auch bei einem Handel kann man sich einen Staar sehen, wenn man sich irrt. Bei dem letzten Kuhkauf hatte ich mir einen Staar gesehen.

*6 Man muss ihm den Staar stechen.Körte, 5680a; Eiselein, 577; Mathesius, Hertzpostille, I, 805; Fischer, Psalter, 87, 4; Braun, I, 4239.

„Lass dir den Staar stechen.“ (Herberger, Hertzpostille, I, 805.)


Staarlein.

* Stoarla, pfeffst de? (Hirschberg.)

Thust du endlich den Mund auf? Auch wenn ein junger Mensch eine naseweise Bemerkung macht.


Staat (Putz).

1 Alles an Staat und nichts in der Schüssel.

Frz.: Plus de veloux que de pain. (Kritzinger, 545a.)

2 Der Staat ziert die Mad. (Eifel.)

Es empfiehlt ein Mädchen, wenn sie in gefälliger Kleidung erscheint.

3 Jo meer Staat, jo minner Saat. (Süderdithmarschen.)

Je mehr Staat, Putz u. s. w., desto weniger Saat.

4 Sau (so) de Staat, sau auk de Praut. (Münsterland.)

5 Staat muss vor den Leuten getrieben werden, und wenn zu Hause der Bettelsack an der Wand verzweifelt.

Lat.: His oculis vidli, tunicis plerosque superbis Vestiri, atque foro regali incedere gressu, Quos secreta fames premit atque domestica egestas. (Manutius.) (Binder I, 662; II, 1307.)

6 Staat vnd Kleid hilft nicht zur Seligkeit.Petri, II, 540.

7 Viel Staat auf dem Kopf und nichts im Topf.

Frz.: Tout état, et rien ne plat. (Bohn I, 59.)

8 Viel Staat auf der Gasse und nichts in der Kasse.

Holl.: Groote staat en klein van middelen. (Harrebomée, II, 297a.)

9 Was für Staat in der Hölle, wenn der Teufel seine Mutter zu Tanz führt.

Dän.: Hvilken en stads var der i helvede, der fanden ledte sin moder til offers. (Prov. dan., 279.)

10 Wu (wie) de Staat, so auk de Prât (Rede, Geschwätz).Frommann, VI, 428, 115.

*11 Damit ist kein Staat zu machen.

Holl.: Daar kan je Staat opmaken. (Harrebomée, II, 297a.)

*12 Dat is 'n Staot as Schnodder up de Mau. (Pommern.)

Spott auf entstellenden Schmuck. „Wann nun ein weib oder mann etwas newes auffbringt vnd wir spotten sein, sagen wir: Es mag leicht sein, das ein menschen zieret, ia ein rotz auff ein ermel.“ (Agricola I, 370.)

*13 Den Staat hangt er ut'n Êrse as 'n Rissen Flass.Eichwald, 405.

*14 Mit dem ist nicht (mehr) viel Staat zu machen.Frischbier2, 3585.

*15 Sich in Stoaoat werfen.Hügel, 154a.

Sich sehr herausputzen.

*16 Viel Staat und nichts in der Schüssel.


[Spaltenumbruch]
Staat (Gebiet, Reich).

1 Bei einem Staate in der Noth gehn zehn Junker auf ein Loth.Neuhaus, Preuss. Knackmandeln (Mohrungen 1863), Nr. 265.

2 Der beste Staat ist der, der die meiste Polizei hat.Westdeutsche Zeitung, 1849, Nr. 117.

Ein Ausspruch des preussischen Ministers Kühlwetter, bei Gelegenheit der Schöpfung des Instituts der Constabler. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Der Staat ist dann gut daran, wenn die Säbel rostig, die Grabscheite glänzend, wenn die Kerker leer und die Speicher voll, wenn die Kirchtreppen schmuzig und die Gerichtshöfe mit Gras bewachsen sind, wenn die Aerzte zu Fuss gehen und die Fleischer zu Pferd sitzen. (Niederschles. Zeitung, Görlitz 1867, Nr. 298.) Von den sieben Weisen Griechenlands sagt Bias: „Der beste Staat ist der, in welchem sich alle Bürger vor dem Gesetze, wie vor ihrem höchsten Beherrscher fürchten.“ Chilon erklärte den für den besten, in welchem die Gesetze am meisten, die Schwätzer am wenigsten Gehör finden. Thales den, der weder zu reiche, noch zu arme Bürger habe. Cleobus den, in welchem die Bürger den Tadel mehr als die Gesetze fürchten.

3 Der schlechteste Staat braucht die besten Gesetze.

Lat.: Corruptissima respublica plurimae leges. (Faselius, 51.)

4 Der Staat ist eine Kuh, die jeder melken will.

Aehnlich die Russen: Der Staat ist eine Brust, aus der jeder saugen möchte. (Altmann VI, 432.)

5 Der Staat ist eine Pyramide, die oben nicht zu dick sein darf.

Dies Wort ist ein Ausspruch Justus Möser's, der es in einer seiner erbaulichen Betrachtungen anwendet. Zur Erläuterung sagt er: „Die landesherrliche Familie darf nicht zu zahlreich sein; ebenso wenig darf sie in der Mitte eine zu grosse hohe Dienerschaft am Halskragen oder zu viel unbehüteten Adel am Bauche haben. Unten kann sie nicht leicht zu zahlreich, zu stark und nicht leicht zu gut gefugt sein.“

6 Der Staat ist eine undankbare Bestie.

S. dabei Racker 5, wozu die letzten 4 Zeilen der Note von Racker 1 gehören.

Lat.: Respublica est ingrata bestia. (Witzfunken, XVIa, 148.)

7 Ein Staat ohn recht ist ein Leib ohn Seel.Petri, II, 227.

Böhm.: Mĕsto bez práva jest tĕlo bez duše. (Rybicka, 537.)

8 Ein Staat ohne Bauern und Bürger, da bleiben nur Bettler und Würger.Schottmüller.

9 Ein Staat sei noch so gross, ein Feind ist ihm zu viel und hundert Freunde sind zu wenig.

Böhm.: Obec velký kopec. (Čelakovsky, 358.)

It.: A degni gran stato un nemico è troppo, e cento amici sono pochi. (Cahier, 3001.)

10 In einem Staat, wo viel verordnet wird, müssen viel Krankheiten herrschen.Philippi, Der vergrösserte Staat.

11 In jedem Staate ist etwas faul.

Nicht blos im Staate Dänemark. Die Franzosen behaupten, dass er mehr fresse als alles Ungeziefer: L'estat mine plus que vermine. (Leroux, II, 252.)

Holl.: In alle staten is gebrek. (Harrebomée, II, 297b.)

12 In meinem Staate kann jeder nach seiner Façon selig werden.

Nach Büchmann (186) ist dieser sprichwörtlich gewordene Ausspruch Friedrich's des Grossen ein nicht gesprochenes, sondern geschriebenes Wort. Bald nach dem Regierungsantritt des grossen Königs berichteten unter dem 22. Juni 1740 der Staatsminister von Brand und der Präsident des Consistoriums von Reichenbach, dass wegen der römisch-katholischen Soldatenkinder, besonders zu Berlin, römisch- katholische Schulen angelegt wären, die aber zu allerlei Inconvenienzen, namentlich aber dazu Gelegenheit gegeben hätten, dass wider des Königs ausdrücklichen Befehl aus Protestanten römisch-katholische Glaubensgenossen gemacht würden, was der Generalfiscal berichtet habe. Sie fragten nun an, ob die römisch-katholischen Schulen bleiben, oder welche andere Antwort sie dem Generalfiscal geben sollten. Der König schrieb an den Rand: „Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden.“

13 Je groter Staat, je groter Hât.

Holl.: Hoe grooter staat, hoe grooter hut. (Harrebomée, II, 297a.)

14 Neue Staaten, neue Menschen.

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[[378]/0384] 4 Man muss dem Staar die Zunge lösen, wenn er sprechen soll. 5 Staare bleiben mager, weil sie einander das Futter wegnaschen (fressen). It.: Gli stornelli son magri perchè vanno in frotta. (Bohn I, 181.) 6 Staare naschen gern Kirschen, aber sie pflanzen keine Bäume. Von solchen, die wol die Früchte von etwas geniessen, aber nichts dazu beitragen wollen. Holl.: Spreeuwen willen wel kersen eten, maar geene boomen planten. (Harrebomée, II, 293a.) Staar (Augenkrankheit). 1 Es ist besser, man behalt den Staren in Augen, als dass man mit Gefahr Lebens denselben Steche. – Lehmann, 51, 51. 2 Wenn man den Staar heilen will, muss man nicht den Kopf abschlagen. 3 Wer den Staar hat, glaubt nicht an die Sonne. *4 Den Staar haben. Blind oder verblendet sein, falsch oder schief urtheilen. Frz.: Avoir la berlue. *5 Er sieht sich einen Staaren. Wartet vergeblich auf etwas. Aus der Niederlausitz wird zu der Redensart bemerkt: Wer sich in ein Mädchen verschiesst und darauf enttäuscht wird, hat sich einen Staar gesehen. Auch bei einem Handel kann man sich einen Staar sehen, wenn man sich irrt. Bei dem letzten Kuhkauf hatte ich mir einen Staar gesehen. *6 Man muss ihm den Staar stechen. – Körte, 5680a; Eiselein, 577; Mathesius, Hertzpostille, I, 805; Fischer, Psalter, 87, 4; Braun, I, 4239. „Lass dir den Staar stechen.“ (Herberger, Hertzpostille, I, 805.) Staarlein. * Stoarla, pfeffst de? (Hirschberg.) Thust du endlich den Mund auf? Auch wenn ein junger Mensch eine naseweise Bemerkung macht. Staat (Putz). 1 Alles an Staat und nichts in der Schüssel. Frz.: Plus de veloux que de pain. (Kritzinger, 545a.) 2 Der Staat ziert die Mad. (Eifel.) Es empfiehlt ein Mädchen, wenn sie in gefälliger Kleidung erscheint. 3 Jo meer Staat, jo minner Saat. (Süderdithmarschen.) Je mehr Staat, Putz u. s. w., desto weniger Saat. 4 Sau (so) de Staat, sau auk de Praut. (Münsterland.) 5 Staat muss vor den Leuten getrieben werden, und wenn zu Hause der Bettelsack an der Wand verzweifelt. Lat.: His oculis vidli, tunicis plerosque superbis Vestiri, atque foro regali incedere gressu, Quos secreta fames premit atque domestica egestas. (Manutius.) (Binder I, 662; II, 1307.) 6 Staat vnd Kleid hilft nicht zur Seligkeit. – Petri, II, 540. 7 Viel Staat auf dem Kopf und nichts im Topf. Frz.: Tout état, et rien ne plat. (Bohn I, 59.) 8 Viel Staat auf der Gasse und nichts in der Kasse. Holl.: Groote staat en klein van middelen. (Harrebomée, II, 297a.) 9 Was für Staat in der Hölle, wenn der Teufel seine Mutter zu Tanz führt. Dän.: Hvilken en stads var der i helvede, der fanden ledte sin moder til offers. (Prov. dan., 279.) 10 Wu (wie) de Staat, so auk de Prât (Rede, Geschwätz). – Frommann, VI, 428, 115. *11 Damit ist kein Staat zu machen. Holl.: Daar kan je Staat opmaken. (Harrebomée, II, 297a.) *12 Dat is 'n Staot as Schnodder up de Mau. (Pommern.) Spott auf entstellenden Schmuck. „Wann nun ein weib oder mann etwas newes auffbringt vnd wir spotten sein, sagen wir: Es mag leicht sein, das ein menschen zieret, ia ein rotz auff ein ermel.“ (Agricola I, 370.) *13 Den Staat hangt er ut'n Êrse as 'n Rissen Flass. – Eichwald, 405. *14 Mit dem ist nicht (mehr) viel Staat zu machen. – Frischbier2, 3585. *15 Sich in Stoaoat werfen. – Hügel, 154a. Sich sehr herausputzen. *16 Viel Staat und nichts in der Schüssel. Staat (Gebiet, Reich). 1 Bei einem Staate in der Noth gehn zehn Junker auf ein Loth. – Neuhaus, Preuss. Knackmandeln (Mohrungen 1863), Nr. 265. 2 Der beste Staat ist der, der die meiste Polizei hat. – Westdeutsche Zeitung, 1849, Nr. 117. Ein Ausspruch des preussischen Ministers Kühlwetter, bei Gelegenheit der Schöpfung des Instituts der Constabler. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Der Staat ist dann gut daran, wenn die Säbel rostig, die Grabscheite glänzend, wenn die Kerker leer und die Speicher voll, wenn die Kirchtreppen schmuzig und die Gerichtshöfe mit Gras bewachsen sind, wenn die Aerzte zu Fuss gehen und die Fleischer zu Pferd sitzen. (Niederschles. Zeitung, Görlitz 1867, Nr. 298.) Von den sieben Weisen Griechenlands sagt Bias: „Der beste Staat ist der, in welchem sich alle Bürger vor dem Gesetze, wie vor ihrem höchsten Beherrscher fürchten.“ Chilon erklärte den für den besten, in welchem die Gesetze am meisten, die Schwätzer am wenigsten Gehör finden. Thales den, der weder zu reiche, noch zu arme Bürger habe. Cleobus den, in welchem die Bürger den Tadel mehr als die Gesetze fürchten. 3 Der schlechteste Staat braucht die besten Gesetze. Lat.: Corruptissima respublica plurimae leges. (Faselius, 51.) 4 Der Staat ist eine Kuh, die jeder melken will. Aehnlich die Russen: Der Staat ist eine Brust, aus der jeder saugen möchte. (Altmann VI, 432.) 5 Der Staat ist eine Pyramide, die oben nicht zu dick sein darf. Dies Wort ist ein Ausspruch Justus Möser's, der es in einer seiner erbaulichen Betrachtungen anwendet. Zur Erläuterung sagt er: „Die landesherrliche Familie darf nicht zu zahlreich sein; ebenso wenig darf sie in der Mitte eine zu grosse hohe Dienerschaft am Halskragen oder zu viel unbehüteten Adel am Bauche haben. Unten kann sie nicht leicht zu zahlreich, zu stark und nicht leicht zu gut gefugt sein.“ 6 Der Staat ist eine undankbare Bestie. S. dabei Racker 5, wozu die letzten 4 Zeilen der Note von Racker 1 gehören. Lat.: Respublica est ingrata bestia. (Witzfunken, XVIa, 148.) 7 Ein Staat ohn recht ist ein Leib ohn Seel. – Petri, II, 227. Böhm.: Mĕsto bez práva jest tĕlo bez duše. (Rybicka, 537.) 8 Ein Staat ohne Bauern und Bürger, da bleiben nur Bettler und Würger. – Schottmüller. 9 Ein Staat sei noch so gross, ein Feind ist ihm zu viel und hundert Freunde sind zu wenig. Böhm.: Obec velký kopec. (Čelakovsky, 358.) It.: A degni gran stato un nemico è troppo, e cento amici sono pochi. (Cahier, 3001.) 10 In einem Staat, wo viel verordnet wird, müssen viel Krankheiten herrschen. – Philippi, Der vergrösserte Staat. 11 In jedem Staate ist etwas faul. Nicht blos im Staate Dänemark. Die Franzosen behaupten, dass er mehr fresse als alles Ungeziefer: L'estat mine plus que vermine. (Leroux, II, 252.) Holl.: In alle staten is gebrek. (Harrebomée, II, 297b.) 12 In meinem Staate kann jeder nach seiner Façon selig werden. Nach Büchmann (186) ist dieser sprichwörtlich gewordene Ausspruch Friedrich's des Grossen ein nicht gesprochenes, sondern geschriebenes Wort. Bald nach dem Regierungsantritt des grossen Königs berichteten unter dem 22. Juni 1740 der Staatsminister von Brand und der Präsident des Consistoriums von Reichenbach, dass wegen der römisch-katholischen Soldatenkinder, besonders zu Berlin, römisch- katholische Schulen angelegt wären, die aber zu allerlei Inconvenienzen, namentlich aber dazu Gelegenheit gegeben hätten, dass wider des Königs ausdrücklichen Befehl aus Protestanten römisch-katholische Glaubensgenossen gemacht würden, was der Generalfiscal berichtet habe. Sie fragten nun an, ob die römisch-katholischen Schulen bleiben, oder welche andere Antwort sie dem Generalfiscal geben sollten. Der König schrieb an den Rand: „Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden.“ 13 Je groter Staat, je groter Hât. Holl.: Hoe grooter staat, hoe grooter hut. (Harrebomée, II, 297a.) 14 Neue Staaten, neue Menschen. 15 State machet biweilen dieb. – Mone, Anzeiger, 1834. S. 29.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [378]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/384>, abgerufen am 19.04.2024.