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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] *73 Wenn a tudt iess, sch-- der Hund ufs Groab. - Robinson, 178; hochdeutsch bei Simrock, 10392.

*74 Wenn öck man erscht dodt wör, on leg wo Brot wör möt er Seid Speck bedeckt. (Wehlau.)


Todte (der).

1 A Toda is no net z'ruck kema. (Wien.)

2 A Todten trugt män nit zurück. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Nämlich vom Friedhof.

3 An einem Todten muss man ein Schwert nicht versuchen.

Abwesende und Todte nicht in verleumderischer Weise angreifen.

Böhm.: Mece na mrtvem nezkousej. (Celakovsky, 89.)

4 De Dode let sein Keik'n. (Süderdithmarschen.)

Der Todte lässt sein Gucken.

5 De Dodge öm Graw, de Lebendge op de Staw. (Samland.)

Zu einem, der in einer fröhlichen Gesellschaft seine Trauer um Verstorbene zeigt.

6 Dem Todten thut kein Zahn mehr wehe. - Binder III, 3726.

7 Den Todten bei die Todten, den Lebendigen bei die Lebendigen. - Petri, II, 80.

8 Den Todten nützen unsere Thränen nichts.

It.: Chi piange il morto, indarno s'affatica. (Pazzaglia, 234, 4.)

9 Den Todten setzt man Marmorstein, den Lebenden gab man kein Brot hinein.

Goethe (Sprichwörtliches): "Was räucherst du nun deinen Todten? Hätt'st du's ihnen so im Leben geboten!" Die Russen: Wenn die Heiligen verhungert sind, legt man ihre Leichen in goldene Särge. (Altmann V, 104.)

10 Den Todten soll man allzeit im Besten gedenken.

11 Den Todten soll man nicht fluchen. - Lehmann, II, 60, 72.

12 Den Todten thut kein Zahn mehr wehe.

Lat.: Mortui non dolent. (Binder I, 1012; II, 1819; Seybold, 314; Sutor, 504.) - Mortuis mala nulla sunt. (Binder II, 1901.)

13 Den Todten vbel nachreden ist vberall grosse Schand. - Petri, II, 80.

14 Der Todte bedarf keines Wächters. - Bertram, 50.

In gewissen Fällen können sie doch nothwendig sein; so verlangten z. B. die Ankläger Jesu, dass dessen Grab bewacht werde. (Vgl. Matth. 27, 64.)

15 Der todte einem kein schart bist, wo eim der lebendige nicht beschmeisst. - Henisch, 266, 42.

16 Der Todte erbt den Lebendigen. - Eisenhart, 328; Estor, II, 37, 110; III, 1081; Eiselein, 147; Hassl., 47; Hertius, I, 79; Hillebrand, 134, 196; Runde, 687; Simrock, 10395; Reyscher, V, 205; Graf, 205, 161; Grimm, Rechtsalt., 206 u. 481; Savigny, Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft (Berlin 1841), VII, 6.

Will sagen, dass der Vorstorbene den lebenden nächsten Anverwandten in den Besitz seiner Verlassenschaft setzt, oder der Besitz sofort auf denselben fällt, ohne dass es, wie dies in allen andern Fällen erforderlich ist, einer besondern Besitzergreifung bedürfe. Reyscher a. a. O. macht auf den doppelten Widerspruch des Sprichworts aufmerksam, der darin liegt, dass ein Todter ebenso wenig erben wie ein Lebender beerbt werden kann und führt aus, dass das Sprichwort danach wirklich zu verstehen ist. Die deutsche Form dieses Sprichworts kommt zuerst in einem Weisthum des holsteinischen Gödings vom Jahre 1418 vor: "Wente man also sagt: de dodde ervet den Levenden." (Dreyer, Nebenstunden, 65.)

Frz.: Le mort saisit le vif. (Loysel, 317.)

Lat.: Mortuus aperit oculos viventis. (Siegel, Deutsches Erbrecht, 149.) - Mortuus saisit vivum. (Walter, Deutsche Rechtsgeschichte, 586, 2.) - Saisina facit stipitem. (Blackstone, Commentaries of the Laws of the England, II, 209.)

17 Der Todte erbt und weret den Lebenden. - Graf, 205, 162.

Holl.: De doode erft ende saisert de levenden. (Harrebomee, I, 146b.)

18 Der Todte erschreckt vor dem Geköpften.

Span.: Espantose la muerta de la degollada. (Don Quixote.)

19 Der Todte hat keinen Freund, der Kranke nur halbe.

Holl.: De doode heeft geen' vriend, de zieke eenen halven. (Harrebomee, I, 146b.)

20 Der Todt ist blindt, er sicht niemandts. - Pauli, Schimpff, LXIIIIa.


[Spaltenumbruch]

21 Der Todte legt den Lebenden aufs Stroh.

Holl.: De doode legt den levende op het stroo. (Harrebomee, I, 146b.)

22 Der Todten Freunde sind auch todt.

Span.: A muertos y a idos no hay mas amigos. (Cahier, 3555.)

23 Der todten vnd der geitzigen ist gut müssig gehn. - Henisch, 1449, 11.

24 Der todten wucher ist im Himmel verbotten. - Lehmann, 237, 86.

25 Die rechten Todten muss man nicht in den Gräbern suchen. - Sailer, 90; Simrock, 1388.

Denn der Tod des Geistes ist der rechte Tod.

26 Die Todten beissen nicht mehr, sagte die Frau, als sie zwei Flöhe auf einmal fing und tödtete. - Fischart, Flohh.

27 Die Todten beissen niemand mehr. - Eiselein, 599.

Lat.: Id etiam hac, tempestate vulgo dictitam. (Eiselein, 599.) - Mortui non mordent.

28 Die Todten beweinen und fürs Wetter sorgen sind unnütze Dinge. - Eiselein, 600.

Die Türken: Man soll nicht über einen Todten, nur über einen Thoren weinen. (Nordmann.)

29 Die todten gehören vntern Boden, die Lebendigen zur Schüssel. - Lehmann, 748, 27.

Die Basken sagen: Die Todten in die Grube, die Lebenden in die Trinkstube. (Westermann's Monatsschrift, IV, 587.)

30 Die Todten gibt das Grab nicht zurück.

Wird gezagt, wenn etwas als verloren betrachtet wird. Was gegessen ist, kann man nicht wieder zurückerhalten.

Böhm.: Mrtveho hrob nevracuje. (Celakovsky, 192.)

It.: Uomo morto non fa piu guerra. (Gaal, 933.)

31 Die Todten haben immer unrecht.

Man schiebt die Schuld auf sie, weil sie sich nicht vertheidigen können.

Frz.: Les morts ont toaujours tort. (Kritzinger, 467a; Lendroy, 1434.)

It.: I morti hanno sempre torto.

32 Die Todten holen die Lebendigen bei den Beinen. - Bücking, 73.

Es ist von todtgeborenen Kindern die Rede, von denen man sagt, dass sie die Lebendigen, d. h. ein bald nachfolgendes, lebendes gleichsam bei den Beinen holten. Der Grund ist der, dass die Mutter, die von einem todten Kinde entbunden wird, nicht nöthig hat, wegen des sonst nothwendigen Ernährens und Wartens eine neue Schwangerschaft aufzuschieben. Man wendet das Sprichwort aber auch an, wenn den Aeltern kleine Kinder sterben, um zu sagen, dass bald wieder Ersatz da sein werde.

33 Die Todten können nicht mehr schaden. (S. Hund 971.) - Suringar, CXX, 20.

34 Die Todten kümmert keine Rede. - Petri, II, 145.

35 Die Todten lehren die Lebendigen, was recht ist. - Lehmann, 457, 47.

Entweder die Gestorbenen sagen den Hinterbliebenen, dass sie auch sterben müssen, oder die hinterlassenen gelehrten Werke sind die Bildungsschule für die Lebenden.

It.: I morti aprono gl' occhi a vivi. (Pazzaglia, 234, 3.)

36 Die Todten müssen sich immer vor's Loch stecken lassen. - Kritzinger, 467a.

Müssen die Schuld auf sich nehmen, weil sie sich nicht verantworten können.

37 Die Todten müssen von sich reden lassen.

Lat.: Linguis mortui non imperant. (Seybold, 279.)

38 Die Todten öffnen den Lebenden die Augen.

Port.: Os mortos aos vivos abrem os olhos. (Bohn I, 290.)

39 Die Todten reiten schnell.

Es ist dies der sprichwörtlich gewordene 6. Vers der 20. Strophe aus Bürger's Leonore, der mehrmals darin wiederholt wird. Nach Büchmann's (8. Aufl. S. 54) Ermittelung ist diese Stelle aber nicht Bürger's Erfindung, sondern (nach Althof, Leben Bürger's, Göttingen 1798, S. 37) aus dem Munde eines Bauernmädchens entnommen, das er einst im Mondschein singen hörte: "Der Mond, der scheint so helle, die Todten reiten so schnelle, fein Liebchen, graut dir nicht?" Diese wenigen Worte hätten ihn nie wieder aus dem Sinn gewollt und aus ihnen hätte sich nach und nach das gewaltige Lied Leonore gestaltet. Herder (Bd. 20) in seiner Beurtheilung des Althof'schen Buchs sagt, dass er selbst in einer Ecke Ostpreussens oft habe ein Zaubermärchen erzählen hören, in dem die Kehrzeile (Refrain) und zwar mit einer Antwort vermehrt, gerade die Strophe war, die Bürger singen hörte. Der Geliebte nämlich reitet mit den Geliebten in einer kalten, mondhellen Winternacht und spricht, je weiter sie kommen, wiederholt sie an: "Der Mond scheint hell, der Todte

[Spaltenumbruch] *73 Wenn a tudt iess, sch-- der Hund ufs Groab.Robinson, 178; hochdeutsch bei Simrock, 10392.

*74 Wenn öck man erscht dodt wör, on lêg wo Brot wör möt er Sîd Speck bedeckt. (Wehlau.)


Todte (der).

1 A Toda is no net z'ruck kema. (Wien.)

2 A Todten trugt män nit zurück. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Nämlich vom Friedhof.

3 An einem Todten muss man ein Schwert nicht versuchen.

Abwesende und Todte nicht in verleumderischer Weise angreifen.

Böhm.: Meče na mrtvém nezkoušej. (Čelakovsky, 89.)

4 De Dode let sîn Kîk'n. (Süderdithmarschen.)

Der Todte lässt sein Gucken.

5 De Dodge öm Graw, de Lebendge op de Staw. (Samland.)

Zu einem, der in einer fröhlichen Gesellschaft seine Trauer um Verstorbene zeigt.

6 Dem Todten thut kein Zahn mehr wehe.Binder III, 3726.

7 Den Todten bei die Todten, den Lebendigen bei die Lebendigen.Petri, II, 80.

8 Den Todten nützen unsere Thränen nichts.

It.: Chi piange il morto, indarno s'affatica. (Pazzaglia, 234, 4.)

9 Den Todten setzt man Marmorstein, den Lebenden gab man kein Brot hinein.

Goethe (Sprichwörtliches): „Was räucherst du nun deinen Todten? Hätt'st du's ihnen so im Leben geboten!“ Die Russen: Wenn die Heiligen verhungert sind, legt man ihre Leichen in goldene Särge. (Altmann V, 104.)

10 Den Todten soll man allzeit im Besten gedenken.

11 Den Todten soll man nicht fluchen.Lehmann, II, 60, 72.

12 Den Todten thut kein Zahn mehr wehe.

Lat.: Mortui non dolent. (Binder I, 1012; II, 1819; Seybold, 314; Sutor, 504.) – Mortuis mala nulla sunt. (Binder II, 1901.)

13 Den Todten vbel nachreden ist vberall grosse Schand.Petri, II, 80.

14 Der Todte bedarf keines Wächters.Bertram, 50.

In gewissen Fällen können sie doch nothwendig sein; so verlangten z. B. die Ankläger Jesu, dass dessen Grab bewacht werde. (Vgl. Matth. 27, 64.)

15 Der todte einem kein schart bist, wo eim der lebendige nicht beschmeisst.Henisch, 266, 42.

16 Der Todte erbt den Lebendigen.Eisenhart, 328; Estor, II, 37, 110; III, 1081; Eiselein, 147; Hassl., 47; Hertius, I, 79; Hillebrand, 134, 196; Runde, 687; Simrock, 10395; Reyscher, V, 205; Graf, 205, 161; Grimm, Rechtsalt., 206 u. 481; Savigny, Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft (Berlin 1841), VII, 6.

Will sagen, dass der Vorstorbene den lebenden nächsten Anverwandten in den Besitz seiner Verlassenschaft setzt, oder der Besitz sofort auf denselben fällt, ohne dass es, wie dies in allen andern Fällen erforderlich ist, einer besondern Besitzergreifung bedürfe. Reyscher a. a. O. macht auf den doppelten Widerspruch des Sprichworts aufmerksam, der darin liegt, dass ein Todter ebenso wenig erben wie ein Lebender beerbt werden kann und führt aus, dass das Sprichwort danach wirklich zu verstehen ist. Die deutsche Form dieses Sprichworts kommt zuerst in einem Weisthum des holsteinischen Gödings vom Jahre 1418 vor: „Wente man also sagt: de dodde ervet den Levenden.“ (Dreyer, Nebenstunden, 65.)

Frz.: Le mort saisit le vif. (Loysel, 317.)

Lat.: Mortuus aperit oculos viventis. (Siegel, Deutsches Erbrecht, 149.) – Mortuus saisit vivum. (Walter, Deutsche Rechtsgeschichte, 586, 2.) – Saisina facit stipitem. (Blackstone, Commentaries of the Laws of the England, II, 209.)

17 Der Todte erbt und weret den Lebenden.Graf, 205, 162.

Holl.: De doode erft ende saisert de levenden. (Harrebomée, I, 146b.)

18 Der Todte erschreckt vor dem Geköpften.

Span.: Espantóse la muerta de la degollada. (Don Quixote.)

19 Der Todte hat keinen Freund, der Kranke nur halbe.

Holl.: De doode heeft geen' vriend, de zieke eenen halven. (Harrebomée, I, 146b.)

20 Der Todt ist blindt, er sicht niemandts.Pauli, Schimpff, LXIIIIa.


[Spaltenumbruch]

21 Der Todte legt den Lebenden aufs Stroh.

Holl.: De doode legt den levende op het stroo. (Harrebomée, I, 146b.)

22 Der Todten Freunde sind auch todt.

Span.: A muertos y a idos no hay mas amigos. (Cahier, 3555.)

23 Der todten vnd der geitzigen ist gut müssig gehn.Henisch, 1449, 11.

24 Der todten wucher ist im Himmel verbotten.Lehmann, 237, 86.

25 Die rechten Todten muss man nicht in den Gräbern suchen.Sailer, 90; Simrock, 1388.

Denn der Tod des Geistes ist der rechte Tod.

26 Die Todten beissen nicht mehr, sagte die Frau, als sie zwei Flöhe auf einmal fing und tödtete.Fischart, Flohh.

27 Die Todten beissen niemand mehr.Eiselein, 599.

Lat.: Id etiam hac, tempestate vulgo dictitam. (Eiselein, 599.) – Mortui non mordent.

28 Die Todten beweinen und fürs Wetter sorgen sind unnütze Dinge.Eiselein, 600.

Die Türken: Man soll nicht über einen Todten, nur über einen Thoren weinen. (Nordmann.)

29 Die todten gehören vntern Boden, die Lebendigen zur Schüssel.Lehmann, 748, 27.

Die Basken sagen: Die Todten in die Grube, die Lebenden in die Trinkstube. (Westermann's Monatsschrift, IV, 587.)

30 Die Todten gibt das Grab nicht zurück.

Wird gezagt, wenn etwas als verloren betrachtet wird. Was gegessen ist, kann man nicht wieder zurückerhalten.

Böhm.: Mrtvého hrob nevracuje. (Čelakovsky, 192.)

It.: Uomo morto non fa piu guerra. (Gaal, 933.)

31 Die Todten haben immer unrecht.

Man schiebt die Schuld auf sie, weil sie sich nicht vertheidigen können.

Frz.: Les morts ont toûjours tort. (Kritzinger, 467a; Lendroy, 1434.)

It.: I morti hanno sempre torto.

32 Die Todten holen die Lebendigen bei den Beinen.Bücking, 73.

Es ist von todtgeborenen Kindern die Rede, von denen man sagt, dass sie die Lebendigen, d. h. ein bald nachfolgendes, lebendes gleichsam bei den Beinen holten. Der Grund ist der, dass die Mutter, die von einem todten Kinde entbunden wird, nicht nöthig hat, wegen des sonst nothwendigen Ernährens und Wartens eine neue Schwangerschaft aufzuschieben. Man wendet das Sprichwort aber auch an, wenn den Aeltern kleine Kinder sterben, um zu sagen, dass bald wieder Ersatz da sein werde.

33 Die Todten können nicht mehr schaden. (S. Hund 971.) – Suringar, CXX, 20.

34 Die Todten kümmert keine Rede.Petri, II, 145.

35 Die Todten lehren die Lebendigen, was recht ist.Lehmann, 457, 47.

Entweder die Gestorbenen sagen den Hinterbliebenen, dass sie auch sterben müssen, oder die hinterlassenen gelehrten Werke sind die Bildungsschule für die Lebenden.

It.: I morti aprono gl' occhi a vivi. (Pazzaglia, 234, 3.)

36 Die Todten müssen sich immer vor's Loch stecken lassen.Kritzinger, 467a.

Müssen die Schuld auf sich nehmen, weil sie sich nicht verantworten können.

37 Die Todten müssen von sich reden lassen.

Lat.: Linguis mortui non imperant. (Seybold, 279.)

38 Die Todten öffnen den Lebenden die Augen.

Port.: Os mortos aos vivos abrem os olhos. (Bohn I, 290.)

39 Die Todten reiten schnell.

Es ist dies der sprichwörtlich gewordene 6. Vers der 20. Strophe aus Bürger's Leonore, der mehrmals darin wiederholt wird. Nach Büchmann's (8. Aufl. S. 54) Ermittelung ist diese Stelle aber nicht Bürger's Erfindung, sondern (nach Althof, Leben Bürger's, Göttingen 1798, S. 37) aus dem Munde eines Bauernmädchens entnommen, das er einst im Mondschein singen hörte: „Der Mond, der scheint so helle, die Todten reiten so schnelle, fein Liebchen, graut dir nicht?“ Diese wenigen Worte hätten ihn nie wieder aus dem Sinn gewollt und aus ihnen hätte sich nach und nach das gewaltige Lied Leonore gestaltet. Herder (Bd. 20) in seiner Beurtheilung des Althof'schen Buchs sagt, dass er selbst in einer Ecke Ostpreussens oft habe ein Zaubermärchen erzählen hören, in dem die Kehrzeile (Refrain) und zwar mit einer Antwort vermehrt, gerade die Strophe war, die Bürger singen hörte. Der Geliebte nämlich reitet mit den Geliebten in einer kalten, mondhellen Winternacht und spricht, je weiter sie kommen, wiederholt sie an: „Der Mond scheint hell, der Todte

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[[627]/0633] *73 Wenn a tudt iess, sch-- der Hund ufs Groab. – Robinson, 178; hochdeutsch bei Simrock, 10392. *74 Wenn öck man erscht dodt wör, on lêg wo Brot wör möt er Sîd Speck bedeckt. (Wehlau.) Todte (der). 1 A Toda is no net z'ruck kema. (Wien.) 2 A Todten trugt män nit zurück. (Jüd.-deutsch. Warschau.) Nämlich vom Friedhof. 3 An einem Todten muss man ein Schwert nicht versuchen. Abwesende und Todte nicht in verleumderischer Weise angreifen. Böhm.: Meče na mrtvém nezkoušej. (Čelakovsky, 89.) 4 De Dode let sîn Kîk'n. (Süderdithmarschen.) Der Todte lässt sein Gucken. 5 De Dodge öm Graw, de Lebendge op de Staw. (Samland.) Zu einem, der in einer fröhlichen Gesellschaft seine Trauer um Verstorbene zeigt. 6 Dem Todten thut kein Zahn mehr wehe. – Binder III, 3726. 7 Den Todten bei die Todten, den Lebendigen bei die Lebendigen. – Petri, II, 80. 8 Den Todten nützen unsere Thränen nichts. It.: Chi piange il morto, indarno s'affatica. (Pazzaglia, 234, 4.) 9 Den Todten setzt man Marmorstein, den Lebenden gab man kein Brot hinein. Goethe (Sprichwörtliches): „Was räucherst du nun deinen Todten? Hätt'st du's ihnen so im Leben geboten!“ Die Russen: Wenn die Heiligen verhungert sind, legt man ihre Leichen in goldene Särge. (Altmann V, 104.) 10 Den Todten soll man allzeit im Besten gedenken. 11 Den Todten soll man nicht fluchen. – Lehmann, II, 60, 72. 12 Den Todten thut kein Zahn mehr wehe. Lat.: Mortui non dolent. (Binder I, 1012; II, 1819; Seybold, 314; Sutor, 504.) – Mortuis mala nulla sunt. (Binder II, 1901.) 13 Den Todten vbel nachreden ist vberall grosse Schand. – Petri, II, 80. 14 Der Todte bedarf keines Wächters. – Bertram, 50. In gewissen Fällen können sie doch nothwendig sein; so verlangten z. B. die Ankläger Jesu, dass dessen Grab bewacht werde. (Vgl. Matth. 27, 64.) 15 Der todte einem kein schart bist, wo eim der lebendige nicht beschmeisst. – Henisch, 266, 42. 16 Der Todte erbt den Lebendigen. – Eisenhart, 328; Estor, II, 37, 110; III, 1081; Eiselein, 147; Hassl., 47; Hertius, I, 79; Hillebrand, 134, 196; Runde, 687; Simrock, 10395; Reyscher, V, 205; Graf, 205, 161; Grimm, Rechtsalt., 206 u. 481; Savigny, Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft (Berlin 1841), VII, 6. Will sagen, dass der Vorstorbene den lebenden nächsten Anverwandten in den Besitz seiner Verlassenschaft setzt, oder der Besitz sofort auf denselben fällt, ohne dass es, wie dies in allen andern Fällen erforderlich ist, einer besondern Besitzergreifung bedürfe. Reyscher a. a. O. macht auf den doppelten Widerspruch des Sprichworts aufmerksam, der darin liegt, dass ein Todter ebenso wenig erben wie ein Lebender beerbt werden kann und führt aus, dass das Sprichwort danach wirklich zu verstehen ist. Die deutsche Form dieses Sprichworts kommt zuerst in einem Weisthum des holsteinischen Gödings vom Jahre 1418 vor: „Wente man also sagt: de dodde ervet den Levenden.“ (Dreyer, Nebenstunden, 65.) Frz.: Le mort saisit le vif. (Loysel, 317.) Lat.: Mortuus aperit oculos viventis. (Siegel, Deutsches Erbrecht, 149.) – Mortuus saisit vivum. (Walter, Deutsche Rechtsgeschichte, 586, 2.) – Saisina facit stipitem. (Blackstone, Commentaries of the Laws of the England, II, 209.) 17 Der Todte erbt und weret den Lebenden. – Graf, 205, 162. Holl.: De doode erft ende saisert de levenden. (Harrebomée, I, 146b.) 18 Der Todte erschreckt vor dem Geköpften. Span.: Espantóse la muerta de la degollada. (Don Quixote.) 19 Der Todte hat keinen Freund, der Kranke nur halbe. Holl.: De doode heeft geen' vriend, de zieke eenen halven. (Harrebomée, I, 146b.) 20 Der Todt ist blindt, er sicht niemandts. – Pauli, Schimpff, LXIIIIa. 21 Der Todte legt den Lebenden aufs Stroh. Holl.: De doode legt den levende op het stroo. (Harrebomée, I, 146b.) 22 Der Todten Freunde sind auch todt. Span.: A muertos y a idos no hay mas amigos. (Cahier, 3555.) 23 Der todten vnd der geitzigen ist gut müssig gehn. – Henisch, 1449, 11. 24 Der todten wucher ist im Himmel verbotten. – Lehmann, 237, 86. 25 Die rechten Todten muss man nicht in den Gräbern suchen. – Sailer, 90; Simrock, 1388. Denn der Tod des Geistes ist der rechte Tod. 26 Die Todten beissen nicht mehr, sagte die Frau, als sie zwei Flöhe auf einmal fing und tödtete. – Fischart, Flohh. 27 Die Todten beissen niemand mehr. – Eiselein, 599. Lat.: Id etiam hac, tempestate vulgo dictitam. (Eiselein, 599.) – Mortui non mordent. 28 Die Todten beweinen und fürs Wetter sorgen sind unnütze Dinge. – Eiselein, 600. Die Türken: Man soll nicht über einen Todten, nur über einen Thoren weinen. (Nordmann.) 29 Die todten gehören vntern Boden, die Lebendigen zur Schüssel. – Lehmann, 748, 27. Die Basken sagen: Die Todten in die Grube, die Lebenden in die Trinkstube. (Westermann's Monatsschrift, IV, 587.) 30 Die Todten gibt das Grab nicht zurück. Wird gezagt, wenn etwas als verloren betrachtet wird. Was gegessen ist, kann man nicht wieder zurückerhalten. Böhm.: Mrtvého hrob nevracuje. (Čelakovsky, 192.) It.: Uomo morto non fa piu guerra. (Gaal, 933.) 31 Die Todten haben immer unrecht. Man schiebt die Schuld auf sie, weil sie sich nicht vertheidigen können. Frz.: Les morts ont toûjours tort. (Kritzinger, 467a; Lendroy, 1434.) It.: I morti hanno sempre torto. 32 Die Todten holen die Lebendigen bei den Beinen. – Bücking, 73. Es ist von todtgeborenen Kindern die Rede, von denen man sagt, dass sie die Lebendigen, d. h. ein bald nachfolgendes, lebendes gleichsam bei den Beinen holten. Der Grund ist der, dass die Mutter, die von einem todten Kinde entbunden wird, nicht nöthig hat, wegen des sonst nothwendigen Ernährens und Wartens eine neue Schwangerschaft aufzuschieben. Man wendet das Sprichwort aber auch an, wenn den Aeltern kleine Kinder sterben, um zu sagen, dass bald wieder Ersatz da sein werde. 33 Die Todten können nicht mehr schaden. (S. Hund 971.) – Suringar, CXX, 20. 34 Die Todten kümmert keine Rede. – Petri, II, 145. 35 Die Todten lehren die Lebendigen, was recht ist. – Lehmann, 457, 47. Entweder die Gestorbenen sagen den Hinterbliebenen, dass sie auch sterben müssen, oder die hinterlassenen gelehrten Werke sind die Bildungsschule für die Lebenden. It.: I morti aprono gl' occhi a vivi. (Pazzaglia, 234, 3.) 36 Die Todten müssen sich immer vor's Loch stecken lassen. – Kritzinger, 467a. Müssen die Schuld auf sich nehmen, weil sie sich nicht verantworten können. 37 Die Todten müssen von sich reden lassen. Lat.: Linguis mortui non imperant. (Seybold, 279.) 38 Die Todten öffnen den Lebenden die Augen. Port.: Os mortos aos vivos abrem os olhos. (Bohn I, 290.) 39 Die Todten reiten schnell. Es ist dies der sprichwörtlich gewordene 6. Vers der 20. Strophe aus Bürger's Leonore, der mehrmals darin wiederholt wird. Nach Büchmann's (8. Aufl. S. 54) Ermittelung ist diese Stelle aber nicht Bürger's Erfindung, sondern (nach Althof, Leben Bürger's, Göttingen 1798, S. 37) aus dem Munde eines Bauernmädchens entnommen, das er einst im Mondschein singen hörte: „Der Mond, der scheint so helle, die Todten reiten so schnelle, fein Liebchen, graut dir nicht?“ Diese wenigen Worte hätten ihn nie wieder aus dem Sinn gewollt und aus ihnen hätte sich nach und nach das gewaltige Lied Leonore gestaltet. Herder (Bd. 20) in seiner Beurtheilung des Althof'schen Buchs sagt, dass er selbst in einer Ecke Ostpreussens oft habe ein Zaubermärchen erzählen hören, in dem die Kehrzeile (Refrain) und zwar mit einer Antwort vermehrt, gerade die Strophe war, die Bürger singen hörte. Der Geliebte nämlich reitet mit den Geliebten in einer kalten, mondhellen Winternacht und spricht, je weiter sie kommen, wiederholt sie an: „Der Mond scheint hell, der Todte

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [627]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/633>, abgerufen am 25.04.2024.