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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] 10 Wenn die Schimmel nicht ziehen, so muss man Füchse vorspannen.

Wirkt das Silber nicht mehr, muss man Gold versuchen.

*11 Auf dem obrigkeitlichen Schimmel herumreiten. - Kirchhofer, 118.

Die Boten der Eidgenossen, wenn sie in oder ausser dem Lande Geschäfte hatten, ritten ehemals. Zu ihrem Dienste wurden auf öffentliche Kosten Pferde gehalten. Als auch später diese Einrichtung aufgehoben ward, behielt man doch das Sprichwort bei. Der obrigkeitliche Schimmel blieb aber ein Lieblingspferd, das noch heute überall geritten wird.

*12 Da ging der Schimmel seinen richtigen Schritt.

Es war alles in Ordnung.

*13 Den Schimmel färben.

"Kann er meinen Schimmel blau färben?" fragte einst Herzog Karl von Würtemberg einen Färber, an dessen Thür er vorüberritt. "Warum nicht", antwortete dieser, "wenn er sonst das Sieden verträgt." In Virginien strichen 1851 die Studenten in Lexington einem deutschen Professor seinen Schimmel schwarz an.

*14 Den Schimmel von Bronzell zu Tode reiten.

Einen falschen Weg bis ans Aeusserste verfolgen.

*15 Der Schimmel hat sich g'walgt.

So sagt man in Oberösterreich, wenn morgens viel Reif liegt. Man könnte dabei, bemerkte Baumgarten, an das Ross der Walkyren denken, das reifbedeckt daherfliegt.

*16 Der Schimmel schlägt hintenaus.

*17 Der Schimmel von Bronzell.

Als die preussische Armee unter Gröben in Kurhessen im Jahre 1850 den vereinigten Oesterreichern und Baiern gegenüberstand und es bei Bronzell losgehen sollte, geschah nichts weiter, als dass der Schimmel eines Trompeters von einer feindlichen Kugel zum Fallen kam. Die Schlacht kam nicht zu Stande; man vertrug sich und sanctionirte die neue Freundschaft durch den für uns so schmählichen olmützer Frieden. Seitdem gilt der Schimmel von Bronzell als ironisch-sprichwörtliches Beispiel geringfügigen Erfolgs nach grossartigen Vorbereitungen und Anstrengungen. Der "Schimmel von Bronzell" ist geboren, oder vielmehr gestorben am 8. Nov. 1850. Am 16. Mai war der Bundestag ohne Preussen wieder hergestellt. Der Kurfürst von Hessen rief die Hülfe des Bundes gegen seine Unterthanen an; und der Bund beauftragte Baiern, die Hessen zu Gehorsam und Ordnung zurückzuführen. Im November rückten die Baiern in Hessen ein; Preussen aber erklärte, diese Einmischung (Intervention) nicht dulden, sondern die kurhessische Verfassung und das kurhessische Volk schützen zu wollen. Preussen erklärte dies nicht nur, es liess sogar marschiren, und es kam zu der berühmten Schlacht von Bronzell, in welcher der einzige Todte ein Trompeterpferd, der einzige Verwundete ein Commissmantel war. Dies liess den Ernst des preussischen Schutzes um so mehr im bedenklichen Lichte erscheinen, als bald darauf Manteuffel den ebenfalls sprichwörtlich gewordenen "sauern Gang" nach Olmütz machte, infolge dessen Preussen in den Bund wieder hineinkroch und seine Schutztruppen aus Hessen zurückzog, dies Land den Strafbaiern überlassend. Dass die Preussen auch etwas Besseres machen können, wenn sie dürfen, d. h. von oben dazu veranlasst werden, haben sie, abgesehen von den Leistungen unter Friedrich dem Grossen, wie im Befreiungskriege 1813-15 in neuerer Zeit auch 1866 und 1870 bewiesen, sodass also der obige sprichwörtliche Ausdruck seine Spitze nicht gegen das preussische Volk und Heer, sondern gegen die damalige Staatspolitik kehrt.

*18 Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe.

Wenn dieselben Wege eingeschlagen werden, welche den damaligen Vorgang mit seinen Folgen veranlasst haben. "Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe und wird noch oft geritten werden." (Janus, Neuyork vom 29. Sept. 1852.)

*19 Der Schimmel wird alle.

So sagte einst ein Jude zu einem Offizier, der ihn hinter sich auf das Pferd genommen hatte, als es schnell bergauf ging, der Offizier zurückrutschte und dadurch der Jude herabzufallen fürchtete. (Braun, Bibliothek des Frohsinns, Bd. 3, Hft. 1, Nr. 75.)

*20 Der Schimmel zieht immer1.

1) So sagt man vom Mühlbach, der das Werk treibt, das dem Müller Gewinn bringt. Der Müller gewinnt immer.

*21 Er hat den Schimmel vor den unrechten Wagen gespannt.

Seine Geschenke (Silberstücke) an unwirksamer Stelle abgegeben. (Vgl. Gedankenspäne, Berlin 1795, S. 68.)

*22 Er sitzt auf dem Schimmel und sieht ihn nicht. - Frischbier2, 3679.

Die Litauer: Auf der Stute reitest du, und die Stute suchst du. (Schleicher, 181.)

[Spaltenumbruch] *23 Es ist ein Schimmel.

Ein Fehler im Glückstopf.

*24 Et ward mennig all Schimmel vertehrt, wo ik uk nischt von krieg.

Nicht weit hergeholt von Fr. Hasenow in den Hausblättern (1867, 455). Wen man den Mund mit allerlei Genüssen wässerig zu machen sucht, der pflegt zu antworten: "Es wird mancher alter Schimmel gegessen, von dem ich nichts bekomme."

*25 Mach mer der Schimmel nit schüch. (Solothurn.) - Schild, 91, 377.


Schimmelbrot.

1 Eigenes Schimmelbrot essen ist besser als fremden Braten.

It.: E meglio pan ed aglio in vasa nostra, che lesso ed arrosta in vasa d'altri.

2 Schimmelbrot, Brunnensaft, welke Rüben, Holzäpfel und Hungerkraut, jedes vier Wochen gelangt, macht böse Männer und Frauen gut.


Schimmelhänger.

* Es sind Schimmelhänger.

Diesen Spitznamen führen die Einwohner von Nussdorf, eine oberösterreichische am Attersee gelegene Ortschaft, denen der Volkswitz nachsagt, einst einem blinden Schimmel, damit er den Weg nicht verfehle, eine Laterne an den Schweif gebunden zu haben. (S. Krebstränker, wo irrigerweise Schimmelfänger gedruckt ist.) (Baumgarten, II, 98.)


Schimmelreiter.

* Es ist ein Schimmelreiter.

Diese im österreichischen Beamtenleben übliche Redensart wird von Wurzbach (Glimpf und Schimpf, 3-8) gar ansprechend erläutert. Danach versteht man unter Schimmel nicht etwa ein Pferd, sondern ein oder einige Bogen beschriebenes Papier, einen sogenannten Voract, in welchem bereits eine Angelegenheit, ein Simile, ähnlich jener, die eben wieder einem Beamten zur Erledigung gegeben, behandelt ist. Ein solcher Voract, der dem neuen Acte in Form, Inhalt und Ausführung als Richtschnur dient, ein solches Simile (= ähnlicher Fall) ist von dem Humor der Kanzleien in einen (Simel, Schimel) Schimmel verwandelt worden, er hat also viel Aehnlichkeit mit dem, was man sonst auch "fauler Hund" nennt. Ein Beamter, der die ihm zugetheilten Actenstücke nicht nach seinem Kopfe, sondern nach einem als Schema bearbeiteten ähnlichen Fall bearbeitet, heisst ein Schimmelreiter. In dieser Schimmelreiterei findet Wurzbach oft den einzigen Grund für manchen Bescheid, der wie eine Faust aufs Auge passt.


Schimmer.

Schimmer und Flimmer dauern nicht immer.


Schimmern.

1 Aussen schimmert's, innen wimmert's. - Bair. Schulzeitung, 1864, S. 300.

*2 He lett schimmern unde dagen. - Lübben.

Lässt's gehen, wie's geht.


Schimpel.

Auf dem Schimpel sitzt der Neid. (Oberösterreich.)

Ob hier Schimmel als Pilz oder Pferd gemeint ist oder ob sich die Redensart auf beide bezieht, ist aus Baumgarten, III, 90 nicht zu ersehen. Eine dort angeführte Redensart aus dem Volksglauben heisst: "Wessen Heirathsbrot zuerst zu schimpeln anfängt, der Theil stirbt zuerst."


Schimpf.

1 Besser (kleiner) Schimpff als (grosser) schaden. - Lehmann, 84, 10 u. 704, 8.

2 Das ist schimpff, der schaden bringet. - Agricola I, 237; Lehmann, II, 59, 38.

Man soll in seinem Scherz die rechte Grenze nicht überschreiten, auch sich die Person ansehen, mit der man scherzt, da nicht alle Leute Scherz verstehen. "Mit einem zornigen", sagt Agricola, "ist nicht gut schertzen, denn er machet aus dem schertze einen ernst, aus welchem ein vnradt mochte erwachsen."

3 Der grösste Schimpf der Kunst widerfährt, wenn sie dem dient, der's hält unwerth.

4 Der hat den Schimpf der That, der sie schlecht geendet hat.

5 Der Schimpf eines Grobians ist besser als des Schmeichlers Loben.

6 Det Schemp gät evver et ärmp net. (Bedburg.)

Sagt der, welcher sich über das Schamgefühl wegsetzt, wenn es einen Vortheil gilt.

7 Ein Schimpf, der Schaden bringen kann. - Eiselein, 549.

Lat.: Hae nugae seria ducent in mala. (Eiselein, 549.)

8 Es ist ein böser Schimpff, der Schaden bringt. - Petri, II, 259.

[Spaltenumbruch] 10 Wenn die Schimmel nicht ziehen, so muss man Füchse vorspannen.

Wirkt das Silber nicht mehr, muss man Gold versuchen.

*11 Auf dem obrigkeitlichen Schimmel herumreiten.Kirchhofer, 118.

Die Boten der Eidgenossen, wenn sie in oder ausser dem Lande Geschäfte hatten, ritten ehemals. Zu ihrem Dienste wurden auf öffentliche Kosten Pferde gehalten. Als auch später diese Einrichtung aufgehoben ward, behielt man doch das Sprichwort bei. Der obrigkeitliche Schimmel blieb aber ein Lieblingspferd, das noch heute überall geritten wird.

*12 Da ging der Schimmel seinen richtigen Schritt.

Es war alles in Ordnung.

*13 Den Schimmel färben.

„Kann er meinen Schimmel blau färben?“ fragte einst Herzog Karl von Würtemberg einen Färber, an dessen Thür er vorüberritt. „Warum nicht“, antwortete dieser, „wenn er sonst das Sieden verträgt.“ In Virginien strichen 1851 die Studenten in Lexington einem deutschen Professor seinen Schimmel schwarz an.

*14 Den Schimmel von Bronzell zu Tode reiten.

Einen falschen Weg bis ans Aeusserste verfolgen.

*15 Der Schimmel hat sich g'walgt.

So sagt man in Oberösterreich, wenn morgens viel Reif liegt. Man könnte dabei, bemerkte Baumgarten, an das Ross der Walkyren denken, das reifbedeckt daherfliegt.

*16 Der Schimmel schlägt hintenaus.

*17 Der Schimmel von Bronzell.

Als die preussische Armee unter Gröben in Kurhessen im Jahre 1850 den vereinigten Oesterreichern und Baiern gegenüberstand und es bei Bronzell losgehen sollte, geschah nichts weiter, als dass der Schimmel eines Trompeters von einer feindlichen Kugel zum Fallen kam. Die Schlacht kam nicht zu Stande; man vertrug sich und sanctionirte die neue Freundschaft durch den für uns so schmählichen olmützer Frieden. Seitdem gilt der Schimmel von Bronzell als ironisch-sprichwörtliches Beispiel geringfügigen Erfolgs nach grossartigen Vorbereitungen und Anstrengungen. Der „Schimmel von Bronzell“ ist geboren, oder vielmehr gestorben am 8. Nov. 1850. Am 16. Mai war der Bundestag ohne Preussen wieder hergestellt. Der Kurfürst von Hessen rief die Hülfe des Bundes gegen seine Unterthanen an; und der Bund beauftragte Baiern, die Hessen zu Gehorsam und Ordnung zurückzuführen. Im November rückten die Baiern in Hessen ein; Preussen aber erklärte, diese Einmischung (Intervention) nicht dulden, sondern die kurhessische Verfassung und das kurhessische Volk schützen zu wollen. Preussen erklärte dies nicht nur, es liess sogar marschiren, und es kam zu der berühmten Schlacht von Bronzell, in welcher der einzige Todte ein Trompeterpferd, der einzige Verwundete ein Commissmantel war. Dies liess den Ernst des preussischen Schutzes um so mehr im bedenklichen Lichte erscheinen, als bald darauf Manteuffel den ebenfalls sprichwörtlich gewordenen „sauern Gang“ nach Olmütz machte, infolge dessen Preussen in den Bund wieder hineinkroch und seine Schutztruppen aus Hessen zurückzog, dies Land den Strafbaiern überlassend. Dass die Preussen auch etwas Besseres machen können, wenn sie dürfen, d. h. von oben dazu veranlasst werden, haben sie, abgesehen von den Leistungen unter Friedrich dem Grossen, wie im Befreiungskriege 1813-15 in neuerer Zeit auch 1866 und 1870 bewiesen, sodass also der obige sprichwörtliche Ausdruck seine Spitze nicht gegen das preussische Volk und Heer, sondern gegen die damalige Staatspolitik kehrt.

*18 Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe.

Wenn dieselben Wege eingeschlagen werden, welche den damaligen Vorgang mit seinen Folgen veranlasst haben. „Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe und wird noch oft geritten werden.“ (Janus, Neuyork vom 29. Sept. 1852.)

*19 Der Schimmel wird alle.

So sagte einst ein Jude zu einem Offizier, der ihn hinter sich auf das Pferd genommen hatte, als es schnell bergauf ging, der Offizier zurückrutschte und dadurch der Jude herabzufallen fürchtete. (Braun, Bibliothek des Frohsinns, Bd. 3, Hft. 1, Nr. 75.)

*20 Der Schimmel zieht immer1.

1) So sagt man vom Mühlbach, der das Werk treibt, das dem Müller Gewinn bringt. Der Müller gewinnt immer.

*21 Er hat den Schimmel vor den unrechten Wagen gespannt.

Seine Geschenke (Silberstücke) an unwirksamer Stelle abgegeben. (Vgl. Gedankenspäne, Berlin 1795, S. 68.)

*22 Er sitzt auf dem Schimmel und sieht ihn nicht.Frischbier2, 3679.

Die Litauer: Auf der Stute reitest du, und die Stute suchst du. (Schleicher, 181.)

[Spaltenumbruch] *23 Es ist ein Schimmel.

Ein Fehler im Glückstopf.

*24 Et ward mennig all Schimmel vertehrt, wo ik uk nischt von krieg.

Nicht weit hergeholt von Fr. Hasenow in den Hausblättern (1867, 455). Wen man den Mund mit allerlei Genüssen wässerig zu machen sucht, der pflegt zu antworten: „Es wird mancher alter Schimmel gegessen, von dem ich nichts bekomme.“

*25 Mach mer der Schimmel nit schüch. (Solothurn.) – Schild, 91, 377.


Schimmelbrot.

1 Eigenes Schimmelbrot essen ist besser als fremden Braten.

It.: É meglio pan ed aglio in vasa nostra, che lesso ed arrosta in vasa d'altri.

2 Schimmelbrot, Brunnensaft, welke Rüben, Holzäpfel und Hungerkraut, jedes vier Wochen gelangt, macht böse Männer und Frauen gut.


Schimmelhänger.

* Es sind Schimmelhänger.

Diesen Spitznamen führen die Einwohner von Nussdorf, eine oberösterreichische am Attersee gelegene Ortschaft, denen der Volkswitz nachsagt, einst einem blinden Schimmel, damit er den Weg nicht verfehle, eine Laterne an den Schweif gebunden zu haben. (S. Krebstränker, wo irrigerweise Schimmelfänger gedruckt ist.) (Baumgarten, II, 98.)


Schimmelreiter.

* Es ist ein Schimmelreiter.

Diese im österreichischen Beamtenleben übliche Redensart wird von Wurzbach (Glimpf und Schimpf, 3-8) gar ansprechend erläutert. Danach versteht man unter Schimmel nicht etwa ein Pferd, sondern ein oder einige Bogen beschriebenes Papier, einen sogenannten Voract, in welchem bereits eine Angelegenheit, ein Simile, ähnlich jener, die eben wieder einem Beamten zur Erledigung gegeben, behandelt ist. Ein solcher Voract, der dem neuen Acte in Form, Inhalt und Ausführung als Richtschnur dient, ein solches Simile (= ähnlicher Fall) ist von dem Humor der Kanzleien in einen (Simel, Schimel) Schimmel verwandelt worden, er hat also viel Aehnlichkeit mit dem, was man sonst auch „fauler Hund“ nennt. Ein Beamter, der die ihm zugetheilten Actenstücke nicht nach seinem Kopfe, sondern nach einem als Schema bearbeiteten ähnlichen Fall bearbeitet, heisst ein Schimmelreiter. In dieser Schimmelreiterei findet Wurzbach oft den einzigen Grund für manchen Bescheid, der wie eine Faust aufs Auge passt.


Schimmer.

Schimmer und Flimmer dauern nicht immer.


Schimmern.

1 Aussen schimmert's, innen wimmert's.Bair. Schulzeitung, 1864, S. 300.

*2 He lett schimmern unde dagen.Lübben.

Lässt's gehen, wie's geht.


Schimpel.

Auf dem Schimpel sitzt der Neid. (Oberösterreich.)

Ob hier Schimmel als Pilz oder Pferd gemeint ist oder ob sich die Redensart auf beide bezieht, ist aus Baumgarten, III, 90 nicht zu ersehen. Eine dort angeführte Redensart aus dem Volksglauben heisst: „Wessen Heirathsbrot zuerst zu schimpeln anfängt, der Theil stirbt zuerst.“


Schimpf.

1 Besser (kleiner) Schimpff als (grosser) schaden.Lehmann, 84, 10 u. 704, 8.

2 Das ist schimpff, der schaden bringet.Agricola I, 237; Lehmann, II, 59, 38.

Man soll in seinem Scherz die rechte Grenze nicht überschreiten, auch sich die Person ansehen, mit der man scherzt, da nicht alle Leute Scherz verstehen. „Mit einem zornigen“, sagt Agricola, „ist nicht gut schertzen, denn er machet aus dem schertze einen ernst, aus welchem ein vnradt mochte erwachsen.“

3 Der grösste Schimpf der Kunst widerfährt, wenn sie dem dient, der's hält unwerth.

4 Der hat den Schimpf der That, der sie schlecht geendet hat.

5 Der Schimpf eines Grobians ist besser als des Schmeichlers Loben.

6 Det Schemp gät evver et ärmp net. (Bedburg.)

Sagt der, welcher sich über das Schamgefühl wegsetzt, wenn es einen Vortheil gilt.

7 Ein Schimpf, der Schaden bringen kann.Eiselein, 549.

Lat.: Hae nugae seria ducent in mala. (Eiselein, 549.)

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[[92]/0098] 10 Wenn die Schimmel nicht ziehen, so muss man Füchse vorspannen. Wirkt das Silber nicht mehr, muss man Gold versuchen. *11 Auf dem obrigkeitlichen Schimmel herumreiten. – Kirchhofer, 118. Die Boten der Eidgenossen, wenn sie in oder ausser dem Lande Geschäfte hatten, ritten ehemals. Zu ihrem Dienste wurden auf öffentliche Kosten Pferde gehalten. Als auch später diese Einrichtung aufgehoben ward, behielt man doch das Sprichwort bei. Der obrigkeitliche Schimmel blieb aber ein Lieblingspferd, das noch heute überall geritten wird. *12 Da ging der Schimmel seinen richtigen Schritt. Es war alles in Ordnung. *13 Den Schimmel färben. „Kann er meinen Schimmel blau färben?“ fragte einst Herzog Karl von Würtemberg einen Färber, an dessen Thür er vorüberritt. „Warum nicht“, antwortete dieser, „wenn er sonst das Sieden verträgt.“ In Virginien strichen 1851 die Studenten in Lexington einem deutschen Professor seinen Schimmel schwarz an. *14 Den Schimmel von Bronzell zu Tode reiten. Einen falschen Weg bis ans Aeusserste verfolgen. *15 Der Schimmel hat sich g'walgt. So sagt man in Oberösterreich, wenn morgens viel Reif liegt. Man könnte dabei, bemerkte Baumgarten, an das Ross der Walkyren denken, das reifbedeckt daherfliegt. *16 Der Schimmel schlägt hintenaus. *17 Der Schimmel von Bronzell. Als die preussische Armee unter Gröben in Kurhessen im Jahre 1850 den vereinigten Oesterreichern und Baiern gegenüberstand und es bei Bronzell losgehen sollte, geschah nichts weiter, als dass der Schimmel eines Trompeters von einer feindlichen Kugel zum Fallen kam. Die Schlacht kam nicht zu Stande; man vertrug sich und sanctionirte die neue Freundschaft durch den für uns so schmählichen olmützer Frieden. Seitdem gilt der Schimmel von Bronzell als ironisch-sprichwörtliches Beispiel geringfügigen Erfolgs nach grossartigen Vorbereitungen und Anstrengungen. Der „Schimmel von Bronzell“ ist geboren, oder vielmehr gestorben am 8. Nov. 1850. Am 16. Mai war der Bundestag ohne Preussen wieder hergestellt. Der Kurfürst von Hessen rief die Hülfe des Bundes gegen seine Unterthanen an; und der Bund beauftragte Baiern, die Hessen zu Gehorsam und Ordnung zurückzuführen. Im November rückten die Baiern in Hessen ein; Preussen aber erklärte, diese Einmischung (Intervention) nicht dulden, sondern die kurhessische Verfassung und das kurhessische Volk schützen zu wollen. Preussen erklärte dies nicht nur, es liess sogar marschiren, und es kam zu der berühmten Schlacht von Bronzell, in welcher der einzige Todte ein Trompeterpferd, der einzige Verwundete ein Commissmantel war. Dies liess den Ernst des preussischen Schutzes um so mehr im bedenklichen Lichte erscheinen, als bald darauf Manteuffel den ebenfalls sprichwörtlich gewordenen „sauern Gang“ nach Olmütz machte, infolge dessen Preussen in den Bund wieder hineinkroch und seine Schutztruppen aus Hessen zurückzog, dies Land den Strafbaiern überlassend. Dass die Preussen auch etwas Besseres machen können, wenn sie dürfen, d. h. von oben dazu veranlasst werden, haben sie, abgesehen von den Leistungen unter Friedrich dem Grossen, wie im Befreiungskriege 1813-15 in neuerer Zeit auch 1866 und 1870 bewiesen, sodass also der obige sprichwörtliche Ausdruck seine Spitze nicht gegen das preussische Volk und Heer, sondern gegen die damalige Staatspolitik kehrt. *18 Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe. Wenn dieselben Wege eingeschlagen werden, welche den damaligen Vorgang mit seinen Folgen veranlasst haben. „Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe und wird noch oft geritten werden.“ (Janus, Neuyork vom 29. Sept. 1852.) *19 Der Schimmel wird alle. So sagte einst ein Jude zu einem Offizier, der ihn hinter sich auf das Pferd genommen hatte, als es schnell bergauf ging, der Offizier zurückrutschte und dadurch der Jude herabzufallen fürchtete. (Braun, Bibliothek des Frohsinns, Bd. 3, Hft. 1, Nr. 75.) *20 Der Schimmel zieht immer1. 1) So sagt man vom Mühlbach, der das Werk treibt, das dem Müller Gewinn bringt. Der Müller gewinnt immer. *21 Er hat den Schimmel vor den unrechten Wagen gespannt. Seine Geschenke (Silberstücke) an unwirksamer Stelle abgegeben. (Vgl. Gedankenspäne, Berlin 1795, S. 68.) *22 Er sitzt auf dem Schimmel und sieht ihn nicht. – Frischbier2, 3679. Die Litauer: Auf der Stute reitest du, und die Stute suchst du. (Schleicher, 181.) *23 Es ist ein Schimmel. Ein Fehler im Glückstopf. *24 Et ward mennig all Schimmel vertehrt, wo ik uk nischt von krieg. Nicht weit hergeholt von Fr. Hasenow in den Hausblättern (1867, 455). Wen man den Mund mit allerlei Genüssen wässerig zu machen sucht, der pflegt zu antworten: „Es wird mancher alter Schimmel gegessen, von dem ich nichts bekomme.“ *25 Mach mer der Schimmel nit schüch. (Solothurn.) – Schild, 91, 377. Schimmelbrot. 1 Eigenes Schimmelbrot essen ist besser als fremden Braten. It.: É meglio pan ed aglio in vasa nostra, che lesso ed arrosta in vasa d'altri. 2 Schimmelbrot, Brunnensaft, welke Rüben, Holzäpfel und Hungerkraut, jedes vier Wochen gelangt, macht böse Männer und Frauen gut. Schimmelhänger. * Es sind Schimmelhänger. Diesen Spitznamen führen die Einwohner von Nussdorf, eine oberösterreichische am Attersee gelegene Ortschaft, denen der Volkswitz nachsagt, einst einem blinden Schimmel, damit er den Weg nicht verfehle, eine Laterne an den Schweif gebunden zu haben. (S. Krebstränker, wo irrigerweise Schimmelfänger gedruckt ist.) (Baumgarten, II, 98.) Schimmelreiter. * Es ist ein Schimmelreiter. Diese im österreichischen Beamtenleben übliche Redensart wird von Wurzbach (Glimpf und Schimpf, 3-8) gar ansprechend erläutert. Danach versteht man unter Schimmel nicht etwa ein Pferd, sondern ein oder einige Bogen beschriebenes Papier, einen sogenannten Voract, in welchem bereits eine Angelegenheit, ein Simile, ähnlich jener, die eben wieder einem Beamten zur Erledigung gegeben, behandelt ist. Ein solcher Voract, der dem neuen Acte in Form, Inhalt und Ausführung als Richtschnur dient, ein solches Simile (= ähnlicher Fall) ist von dem Humor der Kanzleien in einen (Simel, Schimel) Schimmel verwandelt worden, er hat also viel Aehnlichkeit mit dem, was man sonst auch „fauler Hund“ nennt. Ein Beamter, der die ihm zugetheilten Actenstücke nicht nach seinem Kopfe, sondern nach einem als Schema bearbeiteten ähnlichen Fall bearbeitet, heisst ein Schimmelreiter. In dieser Schimmelreiterei findet Wurzbach oft den einzigen Grund für manchen Bescheid, der wie eine Faust aufs Auge passt. Schimmer. Schimmer und Flimmer dauern nicht immer. Schimmern. 1 Aussen schimmert's, innen wimmert's. – Bair. Schulzeitung, 1864, S. 300. *2 He lett schimmern unde dagen. – Lübben. Lässt's gehen, wie's geht. Schimpel. Auf dem Schimpel sitzt der Neid. (Oberösterreich.) Ob hier Schimmel als Pilz oder Pferd gemeint ist oder ob sich die Redensart auf beide bezieht, ist aus Baumgarten, III, 90 nicht zu ersehen. Eine dort angeführte Redensart aus dem Volksglauben heisst: „Wessen Heirathsbrot zuerst zu schimpeln anfängt, der Theil stirbt zuerst.“ Schimpf. 1 Besser (kleiner) Schimpff als (grosser) schaden. – Lehmann, 84, 10 u. 704, 8. 2 Das ist schimpff, der schaden bringet. – Agricola I, 237; Lehmann, II, 59, 38. Man soll in seinem Scherz die rechte Grenze nicht überschreiten, auch sich die Person ansehen, mit der man scherzt, da nicht alle Leute Scherz verstehen. „Mit einem zornigen“, sagt Agricola, „ist nicht gut schertzen, denn er machet aus dem schertze einen ernst, aus welchem ein vnradt mochte erwachsen.“ 3 Der grösste Schimpf der Kunst widerfährt, wenn sie dem dient, der's hält unwerth. 4 Der hat den Schimpf der That, der sie schlecht geendet hat. 5 Der Schimpf eines Grobians ist besser als des Schmeichlers Loben. 6 Det Schemp gät evver et ärmp net. (Bedburg.) Sagt der, welcher sich über das Schamgefühl wegsetzt, wenn es einen Vortheil gilt. 7 Ein Schimpf, der Schaden bringen kann. – Eiselein, 549. Lat.: Hae nugae seria ducent in mala. (Eiselein, 549.) 8 Es ist ein böser Schimpff, der Schaden bringt. – Petri, II, 259.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [92]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/98>, abgerufen am 28.03.2024.