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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5. Leipzig, 1880.

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Blasibruder.

* Der ist ein Blasibruder.

So sagte man im vorigen Jahrhundert, wenn man einen Mann bezeichnen wollte, dessen Handlungsweise nicht vollkommen frei war von Verkehrtheiten, oder der albernes Zeug gern zur Schau trug. Solche Leute erhielten oft plötzlich ein Bildlein zugeschickt, in 21 Felder abgetheilt, von denen wieder 5 Doppelfelder waren. Diese Felder bildeten die Grossthaten solcher Männer nach, und waren mit entsprechenden Stimmen versehen. In der Mitte, dem grössten Felde, steht: "Blasi" mit der Umschrift: "Ich heisse Blasi mit dem Stern, bleib für mich selber ein Narr gern, doch bin ich nicht der Narr allein, weil noch viel meine Brüder sein." (Austria, Oesterreichischer Universalkalender 1845, S. 8.)


Blasius.

2 Blasius macht den Winter lus.

Die Franzosen legen diesem Tage eine grössere Wichtigkeit als zum Bratenessen bei; sie sagen: Prenez bien garde au lendemain de saint Blaise s'il est serein, car cela presage une annee toute fertile et fortunee. S'il neige ou pleut sera cherte, s'il fait brouillard mortalite, s'il fait vent nous verrons que Mars fera voler etendard. (Leroux, I, 77.) - Le lendemain saint Blaise, ain vent l'hiver s'appaise. (Leroux, I, 76.)

*3 Auff sant Blasius pferdt reiten. - Blindenführer, 17b.


Blass (Subst.).

Friss, Blass1, ist halb haber. (Kurzenberg.) - Tobler, 56.

Anredeform, um Jemand zu etwas zu nöthigen, von einer Kuh, oder einem Pferde mit weissem Fleck an der Stirn entlehnt.

1) Der Blass oder Bläss, Verkleinerungsform das Blässle, in Baiern Blaschl, Blassl. Hochdeutsch die Blässe.


Blass (Adj.).

*1 Blass, wie der Kalk an der Wand. - Ruppius, Geschichten S. 175.

*2 Blass wie ein altenburger Ziegenkäse ohne Kümmel. - Fliegende Blätter 1859, 42a.

*3 Er is blass worde, wie das Kätzle am Bauch. (Schwaben.)


Blässe.

Was mit einer Blässe (Blesse) geboren wird, behält sie.

Blesse heisst das weisse Sternchen, das manche Pferde oder Rinder an der Stirn tragen.


Blässig.

Wat blössig jung ward, starwt ok blössig. (Oberland.) - Frischbier, I, 393.

(S. Blässe.)


Blatt.

30 Die dort beigefügte erklärende Bemerkung wird als zutreffend bezeichnet; das Blatt schiesst Einem, wenn er Arges, Bedenkliches ahnt. Im Pierer'schen Lexikon findet sie unter "Blatt" folgende Herleitung. Blatt heisst am Kindeskopf die vordere Fontanelle. Hiervon sagte man ehemals: das Blatt ist geschossen, wenn in hitzigen Krankheiten von Kindern, bei denen besonders das Gehirn entzündlich afficirt war, dieser Theil sich gesenkt und eingedrückt zeigte als ein meist tödtliches Zeichen. Dieser Ausdruck hat sich nun erhalten für etwas Schlimmes, Bedenkliches ahnen. - In Iffland's Jäger wird die Redensart vom zornigen Aufbrausen gebraucht, was übrigens an hitzige Krankheit erinnert.

35 Zu den Zeiten des freien Rom hiess es: Nur Handlungen, aber nicht Worte werden gestraft: Facta arguebantur, dicta impune erant (Tacitus). Die Römer fühlten erst dann den grössten Druck, da die Freiheit zu reden dahin war und der öffentlich Redende mit einem Visir versehen sein musste. Sie sprachen, das Gesicht mit einer Larve bedeckt - Larvate perorabant. Ebenso war's bei den Griechen, da sie genöthigt waren, ihr Angesicht mit Baumblättern zu bedecken. Der Deutsche vernahm es und sagte: "Ich nehme kein Blatt vor's Maul." Doch auch unter dem deutschen Himmel hiess es in der Folgezeit: Rara temporum felicitas, ubi sentire, quae velis, et quae sentias, dicere liceat. (Kornmann, III, 24.) - In Luxemburg: Ke Blat fir de Mont huolen. (Dicks, II, 6.)

41 Besser a bitter Blatt von Gott, ass a süsses von den Menschen. (Jüd.-deutsch. Hechingen.)

42 Das Blatt kan sich bald wenden, dass aus Glück Unglück wird. - Petri, II, 58.

43 De bemaolten Blä(d)r un de vereckigen Knaok'n hämen männigen ok den Geldbüd'l braok'n. (Altmark.) - Danneil, 277.

Karten und Würfelspiel haben schon Manchen arm gemacht.

[Spaltenumbruch] 44 Es geschieht offt, wenn die Blätter vom Baum vff einen fallen, dass der Baum auch hernach fällt. - Lehmann, 832, 87.

Also Vorsicht.

45 Es wechst kein Blatt aufm Baum, das nicht seinen sondern Nutz hab. - Petri, II, 303.

46 Fällt das Blatt auf die Dornen, die Dornen durchbohren es; fallen die Dornen auf das Blatt, die Dornen durchbohren es.

Der Einsender hat die Heimat dieses Sprichworts mit Tennessee bezeichnet; ich halte aber dafür, dass es eher aus Ostindien als aus Nordamerika stamme.

47 Gut Blatt, schlecht End.

Spottwort in Graz auf die von der Regierung unterstützten Zeitungen, die nicht gedeihen, und trotz aller Unterstützung ein baldiges Ende nehmen. (Vgl. Freiheit, Zeitschrift von L. R. Zimmermann, Graz 1868, Nr. 20, S. 147.)

48 Nimm erlige Bletter1, drück se-n-us und wäsch dy Lyb dermit. (Solothurn.) - Schild, 80, 261.

1) Wortspiel mit ehrlichen Blättern und Erlen- Blättern.

49 Sitzen die Blätter der Bäume fest, ein später Winter sich erwarten lässt. - Baier. Hauskalender.

50 So die Blätter abfallen bei Zeit, bringt's auf's Jahr viel Fruchtbarkeit. - Baier. Hauskalender.

51 Stellen die Blätter an den Eichen schon vor Mai sich ein, gedeiht im Lande Korn und Wein. - Baier. Hauskalender.

52 Unter einem hässlichen Blatte findet sich oft eine süsse Frucht.

It.: Spesso sotto rozza fronde, soave frutto si nascond e. (Cahier, 2931.)

53 Wenn die besten Blätter1 verworffen, so kann man nichts mehr stechen. - Lehmann, 725, 35.

1) Es sind beim Spiel die Trümpfe gemeint.

54 Wenn die Blätter abfallen, so vertrocknet der Baum.

Dän.: Naar lövene falde, visner traeet. (Prov. dan., 397.)

55 Wenn die Blätter im Herbst auf den Bäumen hangen, kommt ein strenger Winter gegangen. - Baier. Hauskalender.

56 Werden die Blätter bald welk und krumm, so sieh nach deinem Ofen dich um. - Baier. Hauskalender.

*57 A nemmst sich kö bloat fürsch Maul. (Oesterr.-Schles.) - Peter, 445.

*58 Er ist weder Blatt noch Frucht. - Bohemia, Prag 1875, Nr. 68, Beil.

*59 Er schlot keis Blatt vor's Mul. (Solothurn.) - Schild, 91, 384.

*60 'S Bloat ful'm, wei a doas horte. - Peter, 445.

Der Muth sank ihm.


Blattelbacken.

* Sei blattlbach'n.

D. i. backen Blattelen (eine Mehlspeise in Tirol). Von weiblichen Personen, die auf Bällen sitzen bleiben, nicht zum Tanz gelangen. (Westermann, 25, 620.)


Blatter.

5 "Ich war mich och gruss drüm hermen, ümme enne sulche ungerathene büsse Blutter." (Andr. Gryphius in: "Verliebte Gespenst"; vgl. Palm, 59, 1.)

6 Eine Blatter in der Hand ist besser als ein Strang am Halse. - Herberger, I, 652.

Besser arbeiten als stehlen.

7 Von Blattern und von Liebe bleiben wenig Menschen frei.

8 Wer die Blatter in der Hand scheut, muss den Strick am Halse leiden.

*9 Aus jeder Blatter eine Stafette aus Frankreich machen.

Von Aerzten, die nur kleine Uebel zu einer äusserst gefährlichen Krankheit aufblasen. Um Geld zu erpressen, verwandeln sie Gensfett und Hühnerkoth in egyptischen Balsam und machen jede Blatter zu einer Stafette aus Frankreich. (Syphilis.) (Heinmar, I, 78.)

*10 Dem will ich die Blatter aufstechen. (Kammnitz.)

Drohung, durch Züchtigung die Bosheit austreiben.


Blau.

3 Holl.: Hij is zoo blaauu, als een blaauve Dock. (Harrebomee, I, 140.) - Het is zoo blaauu als lazuur. (Harrebomee, II, 11.)


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Blasibruder.

* Der ist ein Blasibruder.

So sagte man im vorigen Jahrhundert, wenn man einen Mann bezeichnen wollte, dessen Handlungsweise nicht vollkommen frei war von Verkehrtheiten, oder der albernes Zeug gern zur Schau trug. Solche Leute erhielten oft plötzlich ein Bildlein zugeschickt, in 21 Felder abgetheilt, von denen wieder 5 Doppelfelder waren. Diese Felder bildeten die Grossthaten solcher Männer nach, und waren mit entsprechenden Stimmen versehen. In der Mitte, dem grössten Felde, steht: „Blasi“ mit der Umschrift: „Ich heisse Blasi mit dem Stern, bleib für mich selber ein Narr gern, doch bin ich nicht der Narr allein, weil noch viel meine Brüder sein.“ (Austria, Oesterreichischer Universalkalender 1845, S. 8.)


Blasius.

2 Blasius macht den Winter lus.

Die Franzosen legen diesem Tage eine grössere Wichtigkeit als zum Bratenessen bei; sie sagen: Prenez bien garde au lendemain de saint Blaise s'il est serein, car cela présage une année toute fertile et fortunée. S'il neige ou pleut sera cherté, s'il fait brouillard mortalité, s'il fait vent nous verrons que Mars fera voler étendard. (Leroux, I, 77.) – Le lendemain saint Blaise, ain vent l'hiver s'appaise. (Leroux, I, 76.)

*3 Auff sant Blasius pferdt reiten.Blindenführer, 17b.


Blass (Subst.).

Friss, Blass1, ist halb haber. (Kurzenberg.) – Tobler, 56.

Anredeform, um Jemand zu etwas zu nöthigen, von einer Kuh, oder einem Pferde mit weissem Fleck an der Stirn entlehnt.

1) Der Blass oder Bläss, Verkleinerungsform das Blässle, in Baiern Blaschl, Blassl. Hochdeutsch die Blässe.


Blass (Adj.).

*1 Blass, wie der Kalk an der Wand.Ruppius, Geschichten S. 175.

*2 Blass wie ein altenburger Ziegenkäse ohne Kümmel.Fliegende Blätter 1859, 42a.

*3 Er is blass worde, wie das Kätzle am Bauch. (Schwaben.)


Blässe.

Was mit einer Blässe (Blesse) geboren wird, behält sie.

Blesse heisst das weisse Sternchen, das manche Pferde oder Rinder an der Stirn tragen.


Blässig.

Wat blössig jung ward, starwt ok blössig. (Oberland.) – Frischbier, I, 393.

(S. Blässe.)


Blatt.

30 Die dort beigefügte erklärende Bemerkung wird als zutreffend bezeichnet; das Blatt schiesst Einem, wenn er Arges, Bedenkliches ahnt. Im Pierer'schen Lexikon findet sie unter „Blatt“ folgende Herleitung. Blatt heisst am Kindeskopf die vordere Fontanelle. Hiervon sagte man ehemals: das Blatt ist geschossen, wenn in hitzigen Krankheiten von Kindern, bei denen besonders das Gehirn entzündlich afficirt war, dieser Theil sich gesenkt und eingedrückt zeigte als ein meist tödtliches Zeichen. Dieser Ausdruck hat sich nun erhalten für etwas Schlimmes, Bedenkliches ahnen. – In Iffland's Jäger wird die Redensart vom zornigen Aufbrausen gebraucht, was übrigens an hitzige Krankheit erinnert.

35 Zu den Zeiten des freien Rom hiess es: Nur Handlungen, aber nicht Worte werden gestraft: Facta arguebantur, dicta impune erant (Tacitus). Die Römer fühlten erst dann den grössten Druck, da die Freiheit zu reden dahin war und der öffentlich Redende mit einem Visir versehen sein musste. Sie sprachen, das Gesicht mit einer Larve bedeckt – Larvate perorabant. Ebenso war's bei den Griechen, da sie genöthigt waren, ihr Angesicht mit Baumblättern zu bedecken. Der Deutsche vernahm es und sagte: „Ich nehme kein Blatt vor's Maul.“ Doch auch unter dem deutschen Himmel hiess es in der Folgezeit: Rara temporum felicitas, ubi sentire, quae velis, et quae sentias, dicere liceat. (Kornmann, III, 24.) – In Luxemburg: Ke Blât fir de Mont huolen. (Dicks, II, 6.)

41 Besser a bitter Blatt von Gott, ass a süsses von den Menschen. (Jüd.-deutsch. Hechingen.)

42 Das Blatt kan sich bald wenden, dass aus Glück Unglück wird.Petri, II, 58.

43 De bemaolten Blä(d)r un de vêreckigen Knaok'n hämen männigen ôk den Geldbüd'l braok'n. (Altmark.) – Danneil, 277.

Karten und Würfelspiel haben schon Manchen arm gemacht.

[Spaltenumbruch] 44 Es geschieht offt, wenn die Blätter vom Baum vff einen fallen, dass der Baum auch hernach fällt.Lehmann, 832, 87.

Also Vorsicht.

45 Es wechst kein Blatt aufm Baum, das nicht seinen sondern Nutz hab.Petri, II, 303.

46 Fällt das Blatt auf die Dornen, die Dornen durchbohren es; fallen die Dornen auf das Blatt, die Dornen durchbohren es.

Der Einsender hat die Heimat dieses Sprichworts mit Tennessee bezeichnet; ich halte aber dafür, dass es eher aus Ostindien als aus Nordamerika stamme.

47 Gut Blatt, schlecht End.

Spottwort in Graz auf die von der Regierung unterstützten Zeitungen, die nicht gedeihen, und trotz aller Unterstützung ein baldiges Ende nehmen. (Vgl. Freiheit, Zeitschrift von L. R. Zimmermann, Graz 1868, Nr. 20, S. 147.)

48 Nimm erlige Bletter1, drück se-n-us und wäsch dy Lyb dermit. (Solothurn.) – Schild, 80, 261.

1) Wortspiel mit ehrlichen Blättern und Erlen- Blättern.

49 Sitzen die Blätter der Bäume fest, ein später Winter sich erwarten lässt.Baier. Hauskalender.

50 So die Blätter abfallen bei Zeit, bringt's auf's Jahr viel Fruchtbarkeit.Baier. Hauskalender.

51 Stellen die Blätter an den Eichen schon vor Mai sich ein, gedeiht im Lande Korn und Wein.Baier. Hauskalender.

52 Unter einem hässlichen Blatte findet sich oft eine süsse Frucht.

It.: Spesso sotto rozza fronde, soave frutto si nascond e. (Cahier, 2931.)

53 Wenn die besten Blätter1 verworffen, so kann man nichts mehr stechen.Lehmann, 725, 35.

1) Es sind beim Spiel die Trümpfe gemeint.

54 Wenn die Blätter abfallen, so vertrocknet der Baum.

Dän.: Naar lövene falde, visner traeet. (Prov. dan., 397.)

55 Wenn die Blätter im Herbst auf den Bäumen hangen, kommt ein strenger Winter gegangen.Baier. Hauskalender.

56 Werden die Blätter bald welk und krumm, so sieh nach deinem Ofen dich um.Baier. Hauskalender.

*57 A nemmst sich kö bloat fürsch Maul. (Oesterr.-Schles.) – Peter, 445.

*58 Er ist weder Blatt noch Frucht.Bohemia, Prag 1875, Nr. 68, Beil.

*59 Er schlot keis Blatt vor's Mul. (Solothurn.) – Schild, 91, 384.

*60 'S Bloat ful'm, wî a doas horte.Peter, 445.

Der Muth sank ihm.


Blattelbacken.

* Sî blattlbach'n.

D. i. backen Blattelen (eine Mehlspeise in Tirol). Von weiblichen Personen, die auf Bällen sitzen bleiben, nicht zum Tanz gelangen. (Westermann, 25, 620.)


Blatter.

5 „Ich war mich och gruss drüm hermen, ümme enne sulche ungerathene büsse Blutter.“ (Andr. Gryphius in: „Verliebte Gespenst“; vgl. Palm, 59, 1.)

6 Eine Blatter in der Hand ist besser als ein Strang am Halse.Herberger, I, 652.

Besser arbeiten als stehlen.

7 Von Blattern und von Liebe bleiben wenig Menschen frei.

8 Wer die Blatter in der Hand scheut, muss den Strick am Halse leiden.

*9 Aus jeder Blatter eine Stafette aus Frankreich machen.

Von Aerzten, die nur kleine Uebel zu einer äusserst gefährlichen Krankheit aufblasen. Um Geld zu erpressen, verwandeln sie Gensfett und Hühnerkoth in egyptischen Balsam und machen jede Blatter zu einer Stafette aus Frankreich. (Syphilis.) (Heinmar, I, 78.)

*10 Dem will ich die Blatter aufstechen. (Kammnitz.)

Drohung, durch Züchtigung die Bosheit austreiben.


Blau.

3 Holl.: Hij is zoo blaauu, als een blaauve Dock. (Harrebomée, I, 140.) – Het is zoo blaauu als lazuur. (Harrebomée, II, 11.)


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[[505]/0517] Blasibruder. * Der ist ein Blasibruder. So sagte man im vorigen Jahrhundert, wenn man einen Mann bezeichnen wollte, dessen Handlungsweise nicht vollkommen frei war von Verkehrtheiten, oder der albernes Zeug gern zur Schau trug. Solche Leute erhielten oft plötzlich ein Bildlein zugeschickt, in 21 Felder abgetheilt, von denen wieder 5 Doppelfelder waren. Diese Felder bildeten die Grossthaten solcher Männer nach, und waren mit entsprechenden Stimmen versehen. In der Mitte, dem grössten Felde, steht: „Blasi“ mit der Umschrift: „Ich heisse Blasi mit dem Stern, bleib für mich selber ein Narr gern, doch bin ich nicht der Narr allein, weil noch viel meine Brüder sein.“ (Austria, Oesterreichischer Universalkalender 1845, S. 8.) Blasius. 2 Blasius macht den Winter lus. Die Franzosen legen diesem Tage eine grössere Wichtigkeit als zum Bratenessen bei; sie sagen: Prenez bien garde au lendemain de saint Blaise s'il est serein, car cela présage une année toute fertile et fortunée. S'il neige ou pleut sera cherté, s'il fait brouillard mortalité, s'il fait vent nous verrons que Mars fera voler étendard. (Leroux, I, 77.) – Le lendemain saint Blaise, ain vent l'hiver s'appaise. (Leroux, I, 76.) *3 Auff sant Blasius pferdt reiten. – Blindenführer, 17b. Blass (Subst.). Friss, Blass1, ist halb haber. (Kurzenberg.) – Tobler, 56. Anredeform, um Jemand zu etwas zu nöthigen, von einer Kuh, oder einem Pferde mit weissem Fleck an der Stirn entlehnt. 1) Der Blass oder Bläss, Verkleinerungsform das Blässle, in Baiern Blaschl, Blassl. Hochdeutsch die Blässe. Blass (Adj.). *1 Blass, wie der Kalk an der Wand. – Ruppius, Geschichten S. 175. *2 Blass wie ein altenburger Ziegenkäse ohne Kümmel. – Fliegende Blätter 1859, 42a. *3 Er is blass worde, wie das Kätzle am Bauch. (Schwaben.) Blässe. Was mit einer Blässe (Blesse) geboren wird, behält sie. Blesse heisst das weisse Sternchen, das manche Pferde oder Rinder an der Stirn tragen. Blässig. Wat blössig jung ward, starwt ok blössig. (Oberland.) – Frischbier, I, 393. (S. Blässe.) Blatt. 30 Die dort beigefügte erklärende Bemerkung wird als zutreffend bezeichnet; das Blatt schiesst Einem, wenn er Arges, Bedenkliches ahnt. Im Pierer'schen Lexikon findet sie unter „Blatt“ folgende Herleitung. Blatt heisst am Kindeskopf die vordere Fontanelle. Hiervon sagte man ehemals: das Blatt ist geschossen, wenn in hitzigen Krankheiten von Kindern, bei denen besonders das Gehirn entzündlich afficirt war, dieser Theil sich gesenkt und eingedrückt zeigte als ein meist tödtliches Zeichen. Dieser Ausdruck hat sich nun erhalten für etwas Schlimmes, Bedenkliches ahnen. – In Iffland's Jäger wird die Redensart vom zornigen Aufbrausen gebraucht, was übrigens an hitzige Krankheit erinnert. 35 Zu den Zeiten des freien Rom hiess es: Nur Handlungen, aber nicht Worte werden gestraft: Facta arguebantur, dicta impune erant (Tacitus). Die Römer fühlten erst dann den grössten Druck, da die Freiheit zu reden dahin war und der öffentlich Redende mit einem Visir versehen sein musste. Sie sprachen, das Gesicht mit einer Larve bedeckt – Larvate perorabant. Ebenso war's bei den Griechen, da sie genöthigt waren, ihr Angesicht mit Baumblättern zu bedecken. Der Deutsche vernahm es und sagte: „Ich nehme kein Blatt vor's Maul.“ Doch auch unter dem deutschen Himmel hiess es in der Folgezeit: Rara temporum felicitas, ubi sentire, quae velis, et quae sentias, dicere liceat. (Kornmann, III, 24.) – In Luxemburg: Ke Blât fir de Mont huolen. (Dicks, II, 6.) 41 Besser a bitter Blatt von Gott, ass a süsses von den Menschen. (Jüd.-deutsch. Hechingen.) 42 Das Blatt kan sich bald wenden, dass aus Glück Unglück wird. – Petri, II, 58. 43 De bemaolten Blä(d)r un de vêreckigen Knaok'n hämen männigen ôk den Geldbüd'l braok'n. (Altmark.) – Danneil, 277. Karten und Würfelspiel haben schon Manchen arm gemacht. 44 Es geschieht offt, wenn die Blätter vom Baum vff einen fallen, dass der Baum auch hernach fällt. – Lehmann, 832, 87. Also Vorsicht. 45 Es wechst kein Blatt aufm Baum, das nicht seinen sondern Nutz hab. – Petri, II, 303. 46 Fällt das Blatt auf die Dornen, die Dornen durchbohren es; fallen die Dornen auf das Blatt, die Dornen durchbohren es. Der Einsender hat die Heimat dieses Sprichworts mit Tennessee bezeichnet; ich halte aber dafür, dass es eher aus Ostindien als aus Nordamerika stamme. 47 Gut Blatt, schlecht End. Spottwort in Graz auf die von der Regierung unterstützten Zeitungen, die nicht gedeihen, und trotz aller Unterstützung ein baldiges Ende nehmen. (Vgl. Freiheit, Zeitschrift von L. R. Zimmermann, Graz 1868, Nr. 20, S. 147.) 48 Nimm erlige Bletter1, drück se-n-us und wäsch dy Lyb dermit. (Solothurn.) – Schild, 80, 261. 1) Wortspiel mit ehrlichen Blättern und Erlen- Blättern. 49 Sitzen die Blätter der Bäume fest, ein später Winter sich erwarten lässt. – Baier. Hauskalender. 50 So die Blätter abfallen bei Zeit, bringt's auf's Jahr viel Fruchtbarkeit. – Baier. Hauskalender. 51 Stellen die Blätter an den Eichen schon vor Mai sich ein, gedeiht im Lande Korn und Wein. – Baier. Hauskalender. 52 Unter einem hässlichen Blatte findet sich oft eine süsse Frucht. It.: Spesso sotto rozza fronde, soave frutto si nascond e. (Cahier, 2931.) 53 Wenn die besten Blätter1 verworffen, so kann man nichts mehr stechen. – Lehmann, 725, 35. 1) Es sind beim Spiel die Trümpfe gemeint. 54 Wenn die Blätter abfallen, so vertrocknet der Baum. Dän.: Naar lövene falde, visner traeet. (Prov. dan., 397.) 55 Wenn die Blätter im Herbst auf den Bäumen hangen, kommt ein strenger Winter gegangen. – Baier. Hauskalender. 56 Werden die Blätter bald welk und krumm, so sieh nach deinem Ofen dich um. – Baier. Hauskalender. *57 A nemmst sich kö bloat fürsch Maul. (Oesterr.-Schles.) – Peter, 445. *58 Er ist weder Blatt noch Frucht. – Bohemia, Prag 1875, Nr. 68, Beil. *59 Er schlot keis Blatt vor's Mul. (Solothurn.) – Schild, 91, 384. *60 'S Bloat ful'm, wî a doas horte. – Peter, 445. Der Muth sank ihm. Blattelbacken. * Sî blattlbach'n. D. i. backen Blattelen (eine Mehlspeise in Tirol). Von weiblichen Personen, die auf Bällen sitzen bleiben, nicht zum Tanz gelangen. (Westermann, 25, 620.) Blatter. 5 „Ich war mich och gruss drüm hermen, ümme enne sulche ungerathene büsse Blutter.“ (Andr. Gryphius in: „Verliebte Gespenst“; vgl. Palm, 59, 1.) 6 Eine Blatter in der Hand ist besser als ein Strang am Halse. – Herberger, I, 652. Besser arbeiten als stehlen. 7 Von Blattern und von Liebe bleiben wenig Menschen frei. 8 Wer die Blatter in der Hand scheut, muss den Strick am Halse leiden. *9 Aus jeder Blatter eine Stafette aus Frankreich machen. Von Aerzten, die nur kleine Uebel zu einer äusserst gefährlichen Krankheit aufblasen. Um Geld zu erpressen, verwandeln sie Gensfett und Hühnerkoth in egyptischen Balsam und machen jede Blatter zu einer Stafette aus Frankreich. (Syphilis.) (Heinmar, I, 78.) *10 Dem will ich die Blatter aufstechen. (Kammnitz.) Drohung, durch Züchtigung die Bosheit austreiben. Blau. 3 Holl.: Hij is zoo blaauu, als een blaauve Dock. (Harrebomée, I, 140.) – Het is zoo blaauu als lazuur. (Harrebomée, II, 11.)

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5. Leipzig, 1880, S. [505]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon05_1880/517>, abgerufen am 19.03.2024.