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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Die Bogenformen.
unterste Auflagsfläche des Bogens ist das "Widerlager", welches bei
Halbkreisen und allen sich stetig anschließenden Bögen (wie Korb-
bogen, Ellipsen, Spitzbogen) horizontal liegt. Bei den Segmentbögen
hingegen hat das Widerlager eine geneigte Lage, die aber immer nach
dem Mittelpunkt des Hauptbogens gerichtet ist. Während die Höhe
des Halbkreises gleich der halben Spannweite mißt, ist bei allen
Segmentbogen die ganze Länge der Spannweite (s) immer ein Viel-
faches von der sogenannten "Pfeilhöhe" p. Meistens wählt man ein
Verhältniß von s : p = 3 : 1 oder 5 : 1, aber auch 8 : 1 bis 12 : 1.

Sehr flache Segmentbögen, welche sich fast der geraden Linie
nähern, heißen "scheitrechte" oder "scheitelrechte Bögen"
(Fig. 195); selbstverständlich können diese nicht ganz horizontal sein,

[Abbildung] Fig. 195.
sondern sie erhalten eine geringe "Stechung" (Anhöhung) nach der Mitte
hin, welche aber so gering ist, daß sie beim Verputzen vollständig ver-
schwindet und dann die Ueberdeckung horizontal erscheint.

Außer diesen Bogenformen giebt es noch gedrückte und über-
höhte Bögen, welche sich der vertikalen Wand stetig an-
schließen
, also mit dieser tangiren.

a) Construktion der Bogenlinien. Man unterscheidet zwe
verschiedene Bogenarten, nämlich:

erstens, Bögen, welche aus mehreren Kreisstücken zusammengesetzt
sind und
zweitens: Bögen, welche aus Brennpunkten construirt werden.

Zur ersteren Gattung gehören die Spitzbögen, Korbbögen,
Ovalen
und Eilinien.

Der Spitzbogen oder altdeutsche Bogen kennzeichnet sich
von allen anderen darin, daß an seiner höchsten Stelle eine "Spitze"
vorhanden ist, welche ihm den Namen giebt. Bei der Construktion
unterscheidet man die verschiedenen Stylperioden; in der Entwickelungs-

Die Bogenformen.
unterſte Auflagsfläche des Bogens iſt das „Widerlager“, welches bei
Halbkreiſen und allen ſich ſtetig anſchließenden Bögen (wie Korb-
bogen, Ellipſen, Spitzbogen) horizontal liegt. Bei den Segmentbögen
hingegen hat das Widerlager eine geneigte Lage, die aber immer nach
dem Mittelpunkt des Hauptbogens gerichtet iſt. Während die Höhe
des Halbkreiſes gleich der halben Spannweite mißt, iſt bei allen
Segmentbogen die ganze Länge der Spannweite (s) immer ein Viel-
faches von der ſogenannten „Pfeilhöhe“ p. Meiſtens wählt man ein
Verhältniß von s : p = 3 : 1 oder 5 : 1, aber auch 8 : 1 bis 12 : 1.

Sehr flache Segmentbögen, welche ſich faſt der geraden Linie
nähern, heißen „ſcheitrechte“ oder „ſcheitelrechte Bögen
(Fig. 195); ſelbſtverſtändlich können dieſe nicht ganz horizontal ſein,

[Abbildung] Fig. 195.
ſondern ſie erhalten eine geringe „Stechung“ (Anhöhung) nach der Mitte
hin, welche aber ſo gering iſt, daß ſie beim Verputzen vollſtändig ver-
ſchwindet und dann die Ueberdeckung horizontal erſcheint.

Außer dieſen Bogenformen giebt es noch gedrückte und über-
höhte Bögen, welche ſich der vertikalen Wand ſtetig an-
ſchließen
, alſo mit dieſer tangiren.

a) Conſtruktion der Bogenlinien. Man unterſcheidet zwe
verſchiedene Bogenarten, nämlich:

erſtens, Bögen, welche aus mehreren Kreisſtücken zuſammengeſetzt
ſind und
zweitens: Bögen, welche aus Brennpunkten conſtruirt werden.

Zur erſteren Gattung gehören die Spitzbögen, Korbbögen,
Ovalen
und Eilinien.

Der Spitzbogen oder altdeutſche Bogen kennzeichnet ſich
von allen anderen darin, daß an ſeiner höchſten Stelle eine „Spitze
vorhanden iſt, welche ihm den Namen giebt. Bei der Conſtruktion
unterſcheidet man die verſchiedenen Stylperioden; in der Entwickelungs-

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[213/0229] Die Bogenformen. unterſte Auflagsfläche des Bogens iſt das „Widerlager“, welches bei Halbkreiſen und allen ſich ſtetig anſchließenden Bögen (wie Korb- bogen, Ellipſen, Spitzbogen) horizontal liegt. Bei den Segmentbögen hingegen hat das Widerlager eine geneigte Lage, die aber immer nach dem Mittelpunkt des Hauptbogens gerichtet iſt. Während die Höhe des Halbkreiſes gleich der halben Spannweite mißt, iſt bei allen Segmentbogen die ganze Länge der Spannweite (s) immer ein Viel- faches von der ſogenannten „Pfeilhöhe“ p. Meiſtens wählt man ein Verhältniß von s : p = 3 : 1 oder 5 : 1, aber auch 8 : 1 bis 12 : 1. Sehr flache Segmentbögen, welche ſich faſt der geraden Linie nähern, heißen „ſcheitrechte“ oder „ſcheitelrechte Bögen“ (Fig. 195); ſelbſtverſtändlich können dieſe nicht ganz horizontal ſein, [Abbildung Fig. 195.] ſondern ſie erhalten eine geringe „Stechung“ (Anhöhung) nach der Mitte hin, welche aber ſo gering iſt, daß ſie beim Verputzen vollſtändig ver- ſchwindet und dann die Ueberdeckung horizontal erſcheint. Außer dieſen Bogenformen giebt es noch gedrückte und über- höhte Bögen, welche ſich der vertikalen Wand ſtetig an- ſchließen, alſo mit dieſer tangiren. a) Conſtruktion der Bogenlinien. Man unterſcheidet zwe verſchiedene Bogenarten, nämlich: erſtens, Bögen, welche aus mehreren Kreisſtücken zuſammengeſetzt ſind und zweitens: Bögen, welche aus Brennpunkten conſtruirt werden. Zur erſteren Gattung gehören die Spitzbögen, Korbbögen, Ovalen und Eilinien. Der Spitzbogen oder altdeutſche Bogen kennzeichnet ſich von allen anderen darin, daß an ſeiner höchſten Stelle eine „Spitze“ vorhanden iſt, welche ihm den Namen giebt. Bei der Conſtruktion unterſcheidet man die verſchiedenen Stylperioden; in der Entwickelungs-

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/229>, abgerufen am 23.04.2024.