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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Systeme und graphische Construktionen der Kreuzgewölbe.

Das Kreuzgewölbe hat vor allen bis jetzt genannten Ge-
wölbearten den Vorzug, daß es seine ganze Last auf die Ecken

[Abbildung] Fig. 412.
[Abbildung] Fig. 413.
überträgt; denkt man sich nämlich zwei aneinander liegende Kappen
in gleichviel schmale Streifen zerlegt, so vereinigen sich die Kraft-
richtungen je zweier Streifen zu einer Kraftrichtung, die mit der
Gratbogenlinie zusammenfällt und in der sich somit sämmtliche Kraft-
wirkungen vereinigen.

Die Construktion des halbkreisförmigen Kreuzgewölbes mit voll-
ständig horizontalen Scheitellinien ist nur in Hausteinen ausführbar,
hingegen pflegt man bei Bruch- und Ziegelsteinen die Scheitellinien
von den Stirnmauern aus etwas nach der Mitte ansteigen zu lassen;
es durchdringen sich dann streng genommen nur ansteigende Cylinder-
stücke, und ist der Scheitelpunkt die höchste Stelle im Gewölbe.

Diese Ueberhöhung nennt man den "Stich" des Gewölbes, der
erforderlich ist, damit die Scheitellinien nach dem Ausrüsten und
Setzen des Gewölbes nicht tiefer zu liegen kommen, als der höchste
Punkt der Schildlinien (Anläufe).

Wanderley, Bauconstr. II. 26
Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Kreuzgewölbe.

Das Kreuzgewölbe hat vor allen bis jetzt genannten Ge-
wölbearten den Vorzug, daß es ſeine ganze Laſt auf die Ecken

[Abbildung] Fig. 412.
[Abbildung] Fig. 413.
überträgt; denkt man ſich nämlich zwei aneinander liegende Kappen
in gleichviel ſchmale Streifen zerlegt, ſo vereinigen ſich die Kraft-
richtungen je zweier Streifen zu einer Kraftrichtung, die mit der
Gratbogenlinie zuſammenfällt und in der ſich ſomit ſämmtliche Kraft-
wirkungen vereinigen.

Die Conſtruktion des halbkreisförmigen Kreuzgewölbes mit voll-
ſtändig horizontalen Scheitellinien iſt nur in Hauſteinen ausführbar,
hingegen pflegt man bei Bruch- und Ziegelſteinen die Scheitellinien
von den Stirnmauern aus etwas nach der Mitte anſteigen zu laſſen;
es durchdringen ſich dann ſtreng genommen nur anſteigende Cylinder-
ſtücke, und iſt der Scheitelpunkt die höchſte Stelle im Gewölbe.

Dieſe Ueberhöhung nennt man den „Stich“ des Gewölbes, der
erforderlich iſt, damit die Scheitellinien nach dem Ausrüſten und
Setzen des Gewölbes nicht tiefer zu liegen kommen, als der höchſte
Punkt der Schildlinien (Anläufe).

Wanderley, Bauconſtr. II. 26
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[401/0417] Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der Kreuzgewölbe. Das Kreuzgewölbe hat vor allen bis jetzt genannten Ge- wölbearten den Vorzug, daß es ſeine ganze Laſt auf die Ecken [Abbildung Fig. 412.] [Abbildung Fig. 413.] überträgt; denkt man ſich nämlich zwei aneinander liegende Kappen in gleichviel ſchmale Streifen zerlegt, ſo vereinigen ſich die Kraft- richtungen je zweier Streifen zu einer Kraftrichtung, die mit der Gratbogenlinie zuſammenfällt und in der ſich ſomit ſämmtliche Kraft- wirkungen vereinigen. Die Conſtruktion des halbkreisförmigen Kreuzgewölbes mit voll- ſtändig horizontalen Scheitellinien iſt nur in Hauſteinen ausführbar, hingegen pflegt man bei Bruch- und Ziegelſteinen die Scheitellinien von den Stirnmauern aus etwas nach der Mitte anſteigen zu laſſen; es durchdringen ſich dann ſtreng genommen nur anſteigende Cylinder- ſtücke, und iſt der Scheitelpunkt die höchſte Stelle im Gewölbe. Dieſe Ueberhöhung nennt man den „Stich“ des Gewölbes, der erforderlich iſt, damit die Scheitellinien nach dem Ausrüſten und Setzen des Gewölbes nicht tiefer zu liegen kommen, als der höchſte Punkt der Schildlinien (Anläufe). Wanderley, Bauconſtr. II. 26

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/417>, abgerufen am 19.04.2024.