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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
weiteren Vorkehrung, als sämmtliche Schichten in den einzelnen Ho-
rizontal-Ebenen zugleich oder doch beinahe gleichzeitig auszuführen,
d. h. alle Schichten jedesmal rundum abzugleichen. Es ist mithin bei dieser
Art Kreuzgewölbe im Grunde dieselbe Prozedur, wie bei Kugelge-
wölben, wo jede Schicht als Ring in sich geschlossen, allmählig ein
Ring auf den andern gelegt, und so am Ende die Kugel selbst ge-
schlossen wird, nur haben bei diesen Kugeln die oberen Schichten
steilere Lagerflächen, die Steine können daher ohne Anwendung an-
derer Hülfsmittel nicht mehr liegen bleiben, sondern würden gleich
beim Auflegen heruntergleiten, wenn man es nicht auf andere Weise
verhinderte. Das geschieht nun höchst einfach durch einige starke
Schnüre, welche oberhalb und etwas rückwärts von der zu wölbenden
Schicht befestigt, als Senkel herunterhängen und durch einige unten
angebundene Steine belastet sind (siehe ein ähnliches Verfahren in Fig. 373
d. Bandes). Sowie ein Stein gelegt und durch einen mäßigen Schlag
mit dem Mauerhammer etwas gegen seinen Vorgänger angetrieben
ist, wird sogleich eine dieser Schnüre vor denselben gedrückt, wo nun
der durch das Gewicht des eingeknüpften Steines hervorgebrachte
Gegendruck, verbunden mit der Anziehung des Mörtels, hinlänglich
ist, um diesen Stein so lange zu halten, bis er durch die Stoßfuge des
nächsten Steines hinreichend festgehalten, und dieser abermals durch
die vorgerückte Schnur gegen das Herabgleiten gesichert wird.

Sehr häufig finden sich auch über alten Kirchen Kreuzgewölbe,
wo die Diagonallinien aus Halbkreisen bestehen, also die rechtwink-
ligen Linien, wie auch die Abtheilungslinien bei zusammengesetzten
Gewölben, etwas gedrückte Spitzen bilden, deren Radien gewöhnlich
3/4 auch zuweilen nur 2/3 des Durchmessers gleich sind; hier tritt nun
bei den oberen Schichten dieselbe Schwierigkeit ein, und wahrscheinlich
hat man sich auf dieselbe oder ähnliche Weise geholfen; zuweilen be-
merkt man auch ein Hinterwölben jener Schichten, wovon später bei
Beschreibung des Gewölbeschlusses die Rede sein wird.

Der einzige Unterschied zwischen diesen alten Kreuzgewölben und
den gewöhnlichen nach Fig. 426 besteht also einzig darin, daß die letzteren
durch Bewegung zweier horizontalen geraden Linien über vier paar-
weis gegenüberstehende Bogen gebildet werden, mithin alle horizontale
Linien in dem Gewölbe gerade Linien sind und jede Schicht als
scheitrecht liegendes Gewölbe construirt werden muß, um sich frei zu
tragen, was ein sehr sorgfältiges Zuhauen aller Steine und eine

Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
weiteren Vorkehrung, als ſämmtliche Schichten in den einzelnen Ho-
rizontal-Ebenen zugleich oder doch beinahe gleichzeitig auszuführen,
d. h. alle Schichten jedesmal rundum abzugleichen. Es iſt mithin bei dieſer
Art Kreuzgewölbe im Grunde dieſelbe Prozedur, wie bei Kugelge-
wölben, wo jede Schicht als Ring in ſich geſchloſſen, allmählig ein
Ring auf den andern gelegt, und ſo am Ende die Kugel ſelbſt ge-
ſchloſſen wird, nur haben bei dieſen Kugeln die oberen Schichten
ſteilere Lagerflächen, die Steine können daher ohne Anwendung an-
derer Hülfsmittel nicht mehr liegen bleiben, ſondern würden gleich
beim Auflegen heruntergleiten, wenn man es nicht auf andere Weiſe
verhinderte. Das geſchieht nun höchſt einfach durch einige ſtarke
Schnüre, welche oberhalb und etwas rückwärts von der zu wölbenden
Schicht befeſtigt, als Senkel herunterhängen und durch einige unten
angebundene Steine belaſtet ſind (ſiehe ein ähnliches Verfahren in Fig. 373
d. Bandes). Sowie ein Stein gelegt und durch einen mäßigen Schlag
mit dem Mauerhammer etwas gegen ſeinen Vorgänger angetrieben
iſt, wird ſogleich eine dieſer Schnüre vor denſelben gedrückt, wo nun
der durch das Gewicht des eingeknüpften Steines hervorgebrachte
Gegendruck, verbunden mit der Anziehung des Mörtels, hinlänglich
iſt, um dieſen Stein ſo lange zu halten, bis er durch die Stoßfuge des
nächſten Steines hinreichend feſtgehalten, und dieſer abermals durch
die vorgerückte Schnur gegen das Herabgleiten geſichert wird.

Sehr häufig finden ſich auch über alten Kirchen Kreuzgewölbe,
wo die Diagonallinien aus Halbkreiſen beſtehen, alſo die rechtwink-
ligen Linien, wie auch die Abtheilungslinien bei zuſammengeſetzten
Gewölben, etwas gedrückte Spitzen bilden, deren Radien gewöhnlich
¾ auch zuweilen nur ⅔ des Durchmeſſers gleich ſind; hier tritt nun
bei den oberen Schichten dieſelbe Schwierigkeit ein, und wahrſcheinlich
hat man ſich auf dieſelbe oder ähnliche Weiſe geholfen; zuweilen be-
merkt man auch ein Hinterwölben jener Schichten, wovon ſpäter bei
Beſchreibung des Gewölbeſchluſſes die Rede ſein wird.

Der einzige Unterſchied zwiſchen dieſen alten Kreuzgewölben und
den gewöhnlichen nach Fig. 426 beſteht alſo einzig darin, daß die letzteren
durch Bewegung zweier horizontalen geraden Linien über vier paar-
weis gegenüberſtehende Bogen gebildet werden, mithin alle horizontale
Linien in dem Gewölbe gerade Linien ſind und jede Schicht als
ſcheitrecht liegendes Gewölbe conſtruirt werden muß, um ſich frei zu
tragen, was ein ſehr ſorgfältiges Zuhauen aller Steine und eine

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[420/0436] Zweites Kapitel. Die Gewölbe. weiteren Vorkehrung, als ſämmtliche Schichten in den einzelnen Ho- rizontal-Ebenen zugleich oder doch beinahe gleichzeitig auszuführen, d. h. alle Schichten jedesmal rundum abzugleichen. Es iſt mithin bei dieſer Art Kreuzgewölbe im Grunde dieſelbe Prozedur, wie bei Kugelge- wölben, wo jede Schicht als Ring in ſich geſchloſſen, allmählig ein Ring auf den andern gelegt, und ſo am Ende die Kugel ſelbſt ge- ſchloſſen wird, nur haben bei dieſen Kugeln die oberen Schichten ſteilere Lagerflächen, die Steine können daher ohne Anwendung an- derer Hülfsmittel nicht mehr liegen bleiben, ſondern würden gleich beim Auflegen heruntergleiten, wenn man es nicht auf andere Weiſe verhinderte. Das geſchieht nun höchſt einfach durch einige ſtarke Schnüre, welche oberhalb und etwas rückwärts von der zu wölbenden Schicht befeſtigt, als Senkel herunterhängen und durch einige unten angebundene Steine belaſtet ſind (ſiehe ein ähnliches Verfahren in Fig. 373 d. Bandes). Sowie ein Stein gelegt und durch einen mäßigen Schlag mit dem Mauerhammer etwas gegen ſeinen Vorgänger angetrieben iſt, wird ſogleich eine dieſer Schnüre vor denſelben gedrückt, wo nun der durch das Gewicht des eingeknüpften Steines hervorgebrachte Gegendruck, verbunden mit der Anziehung des Mörtels, hinlänglich iſt, um dieſen Stein ſo lange zu halten, bis er durch die Stoßfuge des nächſten Steines hinreichend feſtgehalten, und dieſer abermals durch die vorgerückte Schnur gegen das Herabgleiten geſichert wird. Sehr häufig finden ſich auch über alten Kirchen Kreuzgewölbe, wo die Diagonallinien aus Halbkreiſen beſtehen, alſo die rechtwink- ligen Linien, wie auch die Abtheilungslinien bei zuſammengeſetzten Gewölben, etwas gedrückte Spitzen bilden, deren Radien gewöhnlich ¾ auch zuweilen nur ⅔ des Durchmeſſers gleich ſind; hier tritt nun bei den oberen Schichten dieſelbe Schwierigkeit ein, und wahrſcheinlich hat man ſich auf dieſelbe oder ähnliche Weiſe geholfen; zuweilen be- merkt man auch ein Hinterwölben jener Schichten, wovon ſpäter bei Beſchreibung des Gewölbeſchluſſes die Rede ſein wird. Der einzige Unterſchied zwiſchen dieſen alten Kreuzgewölben und den gewöhnlichen nach Fig. 426 beſteht alſo einzig darin, daß die letzteren durch Bewegung zweier horizontalen geraden Linien über vier paar- weis gegenüberſtehende Bogen gebildet werden, mithin alle horizontale Linien in dem Gewölbe gerade Linien ſind und jede Schicht als ſcheitrecht liegendes Gewölbe conſtruirt werden muß, um ſich frei zu tragen, was ein ſehr ſorgfältiges Zuhauen aller Steine und eine

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/436>, abgerufen am 28.03.2024.