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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Die Ausführung der Gewölbe.

Die Güte eines Gewölbes zeigt sich erst nach dem Entfernen des
Gerüstes. Zwar setzt sich jedes Gewölbe, das Setzten muß aber
gleichmäßig stattfinden. Zu diesem Behufe muß das Gewölbe sich
nach und nach setzen können, was durch allmähliges Lösen des Ge-
rüstes am sichersten geschieht. Das Lösen des Gerüstes muß, beson-
ders bei Gewölben aus schweren Steinen, vorgenommen werden,
noch ehe der Mörtel vollständig erhärtet ist, sich aber nicht mehr aus
den Fugen herausdrücken läßt. In diesem Zustande besitzt das Ge-
wölbe eine gewisse Elasticität, welche das Nachgeben der Masse be-
günstigt, während bei erhärtetem Mörtel das Gewölbe spröde ge-
worden ist und dann leicht Risse entstehen. Bei Bögen von
kleinem Radius, deren Fugen auf dem Rücken ausgezwickt werden,
darf man die Steinstückchen nicht fest einkeilen.

Bezüglich des Setzens eines Gewölbes ist es stets vortheilhaft, die
Einwölbung ohne Einschalung, d. h. freihändig vorzunehmen.

Da ferner die Ursache des Setzens hauptsächlich im Schwinden
der Fugen liegt, wäre es zweckmäßig, einen Mörtel zu verwenden,
der möglichst wenig schwindet; diese Eigenschaft besitzt der hydrau-
lische Mörtel am meisten. Die Hintermauerung der Gewölbe erfolgt
erst nach Vollendung des Gewölbeschlusses.

Jede Einrüstung muß vollkommen stark genug sein. Beim Heraus-
nehmen der Rüstung ist Vorsicht nöthig und auf gleichmäßiges Senken
zu achten.

Die nicht hinreichend starken Widerlager werden mit Zugstangen
(Schließen) mit einander verbunden, um den Gewölbeschub sicher auf-
fangen zu können.

XV. Gußgewölbe.

Bereits die Römer pflegten die Tonnen- und Kreuzgewölbe aus
Gußmaterial herzustellen. Diese Technik, in den späteren Jahrhun-
derten ganz aufgegeben, ist erst neuerdings, seitdem der sogenannte
Pisee-Bau bei Wänden vielfach mit Erfolg verwendet wurde, wieder
kultivirt worden.

So z. B. sind die unter der Oberleitung des Bauraths S. Schlierholz
vom Bauinspector Döllinger ausgeführten Wärterhäuser aus Beton
angefertigt. Diese Wärterhäuser liegen an der Eisenbahn Aulendorf-
Sigmaringen, also in einer an natürlichen Bausteinen armen Gegend,
da der vorhandene Surokelstein und die Dolomite nicht wetterbeständig

Die Ausführung der Gewölbe.

Die Güte eines Gewölbes zeigt ſich erſt nach dem Entfernen des
Gerüſtes. Zwar ſetzt ſich jedes Gewölbe, das Setzten muß aber
gleichmäßig ſtattfinden. Zu dieſem Behufe muß das Gewölbe ſich
nach und nach ſetzen können, was durch allmähliges Löſen des Ge-
rüſtes am ſicherſten geſchieht. Das Löſen des Gerüſtes muß, beſon-
ders bei Gewölben aus ſchweren Steinen, vorgenommen werden,
noch ehe der Mörtel vollſtändig erhärtet iſt, ſich aber nicht mehr aus
den Fugen herausdrücken läßt. In dieſem Zuſtande beſitzt das Ge-
wölbe eine gewiſſe Elaſticität, welche das Nachgeben der Maſſe be-
günſtigt, während bei erhärtetem Mörtel das Gewölbe ſpröde ge-
worden iſt und dann leicht Riſſe entſtehen. Bei Bögen von
kleinem Radius, deren Fugen auf dem Rücken ausgezwickt werden,
darf man die Steinſtückchen nicht feſt einkeilen.

Bezüglich des Setzens eines Gewölbes iſt es ſtets vortheilhaft, die
Einwölbung ohne Einſchalung, d. h. freihändig vorzunehmen.

Da ferner die Urſache des Setzens hauptſächlich im Schwinden
der Fugen liegt, wäre es zweckmäßig, einen Mörtel zu verwenden,
der möglichſt wenig ſchwindet; dieſe Eigenſchaft beſitzt der hydrau-
liſche Mörtel am meiſten. Die Hintermauerung der Gewölbe erfolgt
erſt nach Vollendung des Gewölbeſchluſſes.

Jede Einrüſtung muß vollkommen ſtark genug ſein. Beim Heraus-
nehmen der Rüſtung iſt Vorſicht nöthig und auf gleichmäßiges Senken
zu achten.

Die nicht hinreichend ſtarken Widerlager werden mit Zugſtangen
(Schließen) mit einander verbunden, um den Gewölbeſchub ſicher auf-
fangen zu können.

XV. Gußgewölbe.

Bereits die Römer pflegten die Tonnen- und Kreuzgewölbe aus
Gußmaterial herzuſtellen. Dieſe Technik, in den ſpäteren Jahrhun-
derten ganz aufgegeben, iſt erſt neuerdings, ſeitdem der ſogenannte
Piſeé-Bau bei Wänden vielfach mit Erfolg verwendet wurde, wieder
kultivirt worden.

So z. B. ſind die unter der Oberleitung des Bauraths S. Schlierholz
vom Bauinſpector Döllinger ausgeführten Wärterhäuſer aus Béton
angefertigt. Dieſe Wärterhäuſer liegen an der Eiſenbahn Aulendorf-
Sigmaringen, alſo in einer an natürlichen Bauſteinen armen Gegend,
da der vorhandene Surokelſtein und die Dolomite nicht wetterbeſtändig

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[463/0479] Die Ausführung der Gewölbe. Die Güte eines Gewölbes zeigt ſich erſt nach dem Entfernen des Gerüſtes. Zwar ſetzt ſich jedes Gewölbe, das Setzten muß aber gleichmäßig ſtattfinden. Zu dieſem Behufe muß das Gewölbe ſich nach und nach ſetzen können, was durch allmähliges Löſen des Ge- rüſtes am ſicherſten geſchieht. Das Löſen des Gerüſtes muß, beſon- ders bei Gewölben aus ſchweren Steinen, vorgenommen werden, noch ehe der Mörtel vollſtändig erhärtet iſt, ſich aber nicht mehr aus den Fugen herausdrücken läßt. In dieſem Zuſtande beſitzt das Ge- wölbe eine gewiſſe Elaſticität, welche das Nachgeben der Maſſe be- günſtigt, während bei erhärtetem Mörtel das Gewölbe ſpröde ge- worden iſt und dann leicht Riſſe entſtehen. Bei Bögen von kleinem Radius, deren Fugen auf dem Rücken ausgezwickt werden, darf man die Steinſtückchen nicht feſt einkeilen. Bezüglich des Setzens eines Gewölbes iſt es ſtets vortheilhaft, die Einwölbung ohne Einſchalung, d. h. freihändig vorzunehmen. Da ferner die Urſache des Setzens hauptſächlich im Schwinden der Fugen liegt, wäre es zweckmäßig, einen Mörtel zu verwenden, der möglichſt wenig ſchwindet; dieſe Eigenſchaft beſitzt der hydrau- liſche Mörtel am meiſten. Die Hintermauerung der Gewölbe erfolgt erſt nach Vollendung des Gewölbeſchluſſes. Jede Einrüſtung muß vollkommen ſtark genug ſein. Beim Heraus- nehmen der Rüſtung iſt Vorſicht nöthig und auf gleichmäßiges Senken zu achten. Die nicht hinreichend ſtarken Widerlager werden mit Zugſtangen (Schließen) mit einander verbunden, um den Gewölbeſchub ſicher auf- fangen zu können. XV. Gußgewölbe. Bereits die Römer pflegten die Tonnen- und Kreuzgewölbe aus Gußmaterial herzuſtellen. Dieſe Technik, in den ſpäteren Jahrhun- derten ganz aufgegeben, iſt erſt neuerdings, ſeitdem der ſogenannte Piſeé-Bau bei Wänden vielfach mit Erfolg verwendet wurde, wieder kultivirt worden. So z. B. ſind die unter der Oberleitung des Bauraths S. Schlierholz vom Bauinſpector Döllinger ausgeführten Wärterhäuſer aus Béton angefertigt. Dieſe Wärterhäuſer liegen an der Eiſenbahn Aulendorf- Sigmaringen, alſo in einer an natürlichen Bauſteinen armen Gegend, da der vorhandene Surokelſtein und die Dolomite nicht wetterbeſtändig

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/479>, abgerufen am 19.03.2024.