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Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895.

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Schwarz.
O Gott ...!
Schön.
Kein o Gott. An dem Glück, das du gekostet,
kann nichts etwas ändern. Geschehen ist geschehen.
Du überschätzest dich gegen besseres Wissen, wenn
du dir einredest, zu verlieren. Es gilt zu ge-
winnen. Mit dem "O Gott" ist nichts gewonnen.
Einen größeren Freundschaftsdienst habe ich dir
noch nicht erwiesen. Ich spreche offen und biete
dir Rat und Hilfe. Zeig' dich dessen nicht unwürdig.
Schwarz.
Als ich sie kennen lernte, sagte sie mir, sie
habe noch nie geliebt.
Schön.
Wenn eine Witwe das sagt! Ihr gereicht es
zur Ehre, daß sie dich zum Manne gewählt. Stelle
die nämliche Anforderung an dich, und dein Glück
ist makellos.
Schwarz.
Er habe sie kurze Kleider tragen lassen.
Schön.
Er hat sie doch geheiratet! -- Das war ihr
Meisterstreich. Wie sie den Mann dazu gebracht,
ist mir unfaßlich. Du mußt es jetzt wissen. Du
genießt die Früchte ihrer Diplomatie.
7*
Schwarz.
O Gott …!
Schön.
Kein o Gott. An dem Glück, das du gekoſtet,
kann nichts etwas ändern. Geſchehen iſt geſchehen.
Du überſchätzeſt dich gegen beſſeres Wiſſen, wenn
du dir einredeſt, zu verlieren. Es gilt zu ge-
winnen. Mit dem „O Gott“ iſt nichts gewonnen.
Einen größeren Freundſchaftsdienſt habe ich dir
noch nicht erwieſen. Ich ſpreche offen und biete
dir Rat und Hilfe. Zeig’ dich deſſen nicht unwürdig.
Schwarz.
Als ich ſie kennen lernte, ſagte ſie mir, ſie
habe noch nie geliebt.
Schön.
Wenn eine Witwe das ſagt! Ihr gereicht es
zur Ehre, daß ſie dich zum Manne gewählt. Stelle
die nämliche Anforderung an dich, und dein Glück
iſt makellos.
Schwarz.
Er habe ſie kurze Kleider tragen laſſen.
Schön.
Er hat ſie doch geheiratet! — Das war ihr
Meiſterſtreich. Wie ſie den Mann dazu gebracht,
iſt mir unfaßlich. Du mußt es jetzt wiſſen. Du
genießt die Früchte ihrer Diplomatie.
7*
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[99/0105] Schwarz. O Gott …! Schön. Kein o Gott. An dem Glück, das du gekoſtet, kann nichts etwas ändern. Geſchehen iſt geſchehen. Du überſchätzeſt dich gegen beſſeres Wiſſen, wenn du dir einredeſt, zu verlieren. Es gilt zu ge- winnen. Mit dem „O Gott“ iſt nichts gewonnen. Einen größeren Freundſchaftsdienſt habe ich dir noch nicht erwieſen. Ich ſpreche offen und biete dir Rat und Hilfe. Zeig’ dich deſſen nicht unwürdig. Schwarz. Als ich ſie kennen lernte, ſagte ſie mir, ſie habe noch nie geliebt. Schön. Wenn eine Witwe das ſagt! Ihr gereicht es zur Ehre, daß ſie dich zum Manne gewählt. Stelle die nämliche Anforderung an dich, und dein Glück iſt makellos. Schwarz. Er habe ſie kurze Kleider tragen laſſen. Schön. Er hat ſie doch geheiratet! — Das war ihr Meiſterſtreich. Wie ſie den Mann dazu gebracht, iſt mir unfaßlich. Du mußt es jetzt wiſſen. Du genießt die Früchte ihrer Diplomatie. 7*

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erdgeist_1895/105>, abgerufen am 29.03.2024.