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Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895.

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Lulu.
Wüßten Sie, wie Ihre Wut mich glücklich
macht! Wie stolz ich darauf bin, daß Sie mich
mit allen Mitteln demütigen! Sie erniedrigen
mich so tief -- so tief, wie man ein Weib er-
niedrigen kann, weil Sie hoffen, Sie könnten sich
dann eher über mich hinwegsetzen. Sie haben sich
unsäglich weh gethan durch alles, was Sie mir
sagten. Ich sehe es Ihnen an. Sie sind schon
beinahe am Ende Ihrer Fassung. Gehen Sie!
Um Ihrer Braut willen, lassen Sie mich allein!
Eine Minute noch, dann schlägt Ihre Stimmung
um, und Sie machen mir eine andere Scene, die
Sie jetzt nicht verantworten können.
Schön.
Ich fürchte dich nicht mehr.
Lulu.
Mich? -- Fürchten Sie sich selber. -- Ich
bedarf Ihrer nicht. -- Ich bitte Sie, gehen Sie.
Geben Sie nicht mir die Schuld. Sie wissen, daß
ich nicht ohnmächtig zu werden brauchte, um Ihre
Zukunft zu zerstören. Sie haben ein unbegrenztes
Vertrauen in meine Ehrenhaftigkeit! Gehen Sie,
Sie verlieren die Kraft. Sie glauben nicht nur,
daß ich ein schönes Menschenkind bin; Sie glauben
Lulu.
Wüßten Sie, wie Ihre Wut mich glücklich
macht! Wie ſtolz ich darauf bin, daß Sie mich
mit allen Mitteln demütigen! Sie erniedrigen
mich ſo tief — ſo tief, wie man ein Weib er-
niedrigen kann, weil Sie hoffen, Sie könnten ſich
dann eher über mich hinwegſetzen. Sie haben ſich
unſäglich weh gethan durch alles, was Sie mir
ſagten. Ich ſehe es Ihnen an. Sie ſind ſchon
beinahe am Ende Ihrer Faſſung. Gehen Sie!
Um Ihrer Braut willen, laſſen Sie mich allein!
Eine Minute noch, dann ſchlägt Ihre Stimmung
um, und Sie machen mir eine andere Scene, die
Sie jetzt nicht verantworten können.
Schön.
Ich fürchte dich nicht mehr.
Lulu.
Mich? — Fürchten Sie ſich ſelber. — Ich
bedarf Ihrer nicht. — Ich bitte Sie, gehen Sie.
Geben Sie nicht mir die Schuld. Sie wiſſen, daß
ich nicht ohnmächtig zu werden brauchte, um Ihre
Zukunft zu zerſtören. Sie haben ein unbegrenztes
Vertrauen in meine Ehrenhaftigkeit! Gehen Sie,
Sie verlieren die Kraft. Sie glauben nicht nur,
daß ich ein ſchönes Menſchenkind bin; Sie glauben
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[160/0166] Lulu. Wüßten Sie, wie Ihre Wut mich glücklich macht! Wie ſtolz ich darauf bin, daß Sie mich mit allen Mitteln demütigen! Sie erniedrigen mich ſo tief — ſo tief, wie man ein Weib er- niedrigen kann, weil Sie hoffen, Sie könnten ſich dann eher über mich hinwegſetzen. Sie haben ſich unſäglich weh gethan durch alles, was Sie mir ſagten. Ich ſehe es Ihnen an. Sie ſind ſchon beinahe am Ende Ihrer Faſſung. Gehen Sie! Um Ihrer Braut willen, laſſen Sie mich allein! Eine Minute noch, dann ſchlägt Ihre Stimmung um, und Sie machen mir eine andere Scene, die Sie jetzt nicht verantworten können. Schön. Ich fürchte dich nicht mehr. Lulu. Mich? — Fürchten Sie ſich ſelber. — Ich bedarf Ihrer nicht. — Ich bitte Sie, gehen Sie. Geben Sie nicht mir die Schuld. Sie wiſſen, daß ich nicht ohnmächtig zu werden brauchte, um Ihre Zukunft zu zerſtören. Sie haben ein unbegrenztes Vertrauen in meine Ehrenhaftigkeit! Gehen Sie, Sie verlieren die Kraft. Sie glauben nicht nur, daß ich ein ſchönes Menſchenkind bin; Sie glauben

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erdgeist_1895/166>, abgerufen am 25.04.2024.