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Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce te ipsum. Erkenne dich selber O Mensch. Neustadt, 1618.

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Erkenne dich selber/
Hette keinen freyen willen/ vnd Gott hette jhm nicht Ge-
bot noch gewalt gegeben als einem Weysen vber das Ge-
stirn zuherschen/ Das ist/ Gott hette vns nicht den Baum
des Lebens mitten in den Garten gepflantzet/ Er hette vns
Christum seinen Sohn nicht gesand/ noch jhn für vns ster-
ben lassen. Wir sind ja darzu getaufft das wir Christen
sein sollen zu herrschen vber das Gestirne/ vnd demselben zu-
gebieten. So ist der Mensche mehr den das gantze Fir-
mament,
Vnd warumb solte ein Christe oder auch ein Na-
turalis
dem Firmament oder auch allen Sternen nicht ge-
bieten können oder sollen? Jst es doch nur ein Spiegel/
praeludium, fürlauff aller Menschlichen Handierungen/
Leben vnd wesen/ wie ein gemaltes Bilde an der Wand/ o-
der ein Spiegel nicht zwinget den Lebendigen Mann der da-
rein siehet: Also wenig mag auch das Gestirne den Men-
schen nötigen/ zwingen zustelen/ Kriegen/ Fressen/ Sauf-
fen/ Spielen oder andere Büberey zutreiben. Der Men-
sche thut alles mit vernunfft vnd freyen willen/ was das Ge-
stirne vorspielet.

Diß Buch Astrologia Theologizata wird darumb
geschrieben/ das bewiesen werden soll: Wie der Mensche
aus dem Gestirne sey/ vnd doch vber das Gestirne herrsche:
Wie dem Menschen alle Kunste/ Handwercke/ Spra-
chen/ Faculteten/ excepta Theologia & Iustitia, Han-
dierung/ gewerbe/ Empter/ Stände/ etc. Wachsen/ wie
dem Leibe das Brodt aus der Erden/ der Wein auß dem
Reben/ vnd doch alle solche gewerbe fahren lassen musse nach
der Theologi, nach dem Creutz Baume des Lebens mitten
im Garten.

Der das gnothi seauton vnd andere meine Informatori-
os Libellos
verachtet/ der Glaubet mir nicht/ das der

Mensch

Erkenne dich ſelber/
Hette keinen freyen willen/ vnd Gott hette jhm nicht Ge-
bot noch gewalt gegeben als einem Weyſen vber das Ge-
ſtirn zuherſchen/ Das iſt/ Gott hette vns nicht den Baum
des Lebens mitten in den Garten gepflantzet/ Er hette vns
Chriſtum ſeinen Sohn nicht geſand/ noch jhn fuͤr vns ſter-
ben laſſen. Wir ſind ja darzu getaufft das wir Chriſten
ſein ſollen zu herrſchen vber das Geſtirne/ vnd demſelben zu-
gebieten. So iſt der Menſche mehr den das gantze Fir-
mament,
Vnd warumb ſolte ein Chriſte oder auch ein Na-
turalis
dem Firmament oder auch allen Sternen nicht ge-
bieten koͤnnen oder ſollen? Jſt es doch nur ein Spiegel/
præludium, fuͤrlauff aller Menſchlichen Handierungen/
Leben vnd weſen/ wie ein gemaltes Bilde an der Wand/ o-
der ein Spiegel nicht zwinget den Lebendigen Mann der da-
rein ſiehet: Alſo wenig mag auch das Geſtirne den Men-
ſchen noͤtigen/ zwingen zuſtelen/ Kriegen/ Freſſen/ Sauf-
fen/ Spielen oder andere Buͤberey zutreiben. Der Men-
ſche thut alles mit vernunfft vnd freyen willen/ was das Ge-
ſtirne vorſpielet.

Diß Buch Aſtrologia Theologizata wird darumb
geſchrieben/ das bewieſen werden ſoll: Wie der Menſche
aus dem Geſtirne ſey/ vnd doch vber das Geſtirne herrſche:
Wie dem Menſchen alle Kůnſte/ Handwercke/ Spra-
chen/ Faculteten/ exceptâ Theologiâ & Iuſtitiâ, Han-
dierung/ gewerbe/ Empter/ Staͤnde/ etc. Wachſen/ wie
dem Leibe das Brodt aus der Erden/ der Wein auß dem
Reben/ vnd doch alle ſolche gewerbe fahren laſſen můſſe nach
der Theologi, nach dem Creutz Baume des Lebens mitten
im Garten.

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os Libellos
verachtet/ der Glaubet mir nicht/ das der

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce te ipsum. Erkenne dich selber O Mensch. Neustadt, 1618, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi02_1618/40>, abgerufen am 29.03.2024.