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Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce te ipsum. Erkenne dich selber O Mensch. Neustadt, 1618.

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Erkenne dich selber/
(es war dir/ als were gar mit e. a. kein Fürst noch König/
noch Rath noch Cantzler in der Welt/ von deren dinge wu-
stestu keinen) liessest dich nicht Regieren die Sonne mit jh-
ren Ascendentibus. War derwegen vnnötig/ durch den
Sabbath den Himmel oder die Alte geburt aus der Erden
hinzulegen/ Du warest ein Christe/ eine Newe Creatur
durch den Glauben/ in einfalt vnnd vnschuld wie Christus
selber/ der da spricht: Lasset die Kindlein zu mir kommen/
dann solcher ist das Reich GOttes/ die lassen sich nicht Re-
gieren von Planeten oder Sternen/ sie seind den Ascenden-
tibus
nichts vnterworffen/ dieweil sie in der vernunfft vnnd
willen nicht leben/ sondern sie haben eine Newe Nativitet,
aus dem Ewigen Himmel durch den Glauben: Drumb
werden sie auch darzu getaufft. Nun weil gesaget/ da du
warest ein solch Kind/ da standestu in der Newen Geburt/
in dem Newen Sterne der da ist Christus Jesus. Aber nach
dem du alt wordest/ namest du dir durch vernunfft/ vnd wil-
len die Ascendenten, nach Ehren zu streben/ (do du ansa-
hest vnd betrachtest das hoffleben vnnd liessest dir dasselbe ge-
fallen/ als ein gut ding/ als einen schönen Baum darvon es
lustig zu Essen were) Dir einen Namen zumachen/ für an-
dern hoch zusitzen/ eines Fürsten oder Königes Rath zu wer-
den/ das ist dieselbe auffsteigenden Gedancken in deinem
Hertzen waren domals den Sonnerischen Ascendenten, die
jmmer von Tag zu Tag krefftiger wurden/ weitter vnd weit-
ter in dir Wircketen/ das du je mehr vnd mehr fortschrittest in
solcher lust/ wüntsch vnnd desiderio, biß du entlich darzu
Erfordert würdest vnd dahinkamest.

Alle deine gedancken nun/ alle dein Tichten vnd Trach-
ten/ Sorgen/ Sinnen/ Speculiren/ Meditiren auff sol-
che sachen/ alle deine Wort vnnd Wercke/ die du hierzu ge-

braucht

Erkenne dich ſelber/
(es war dir/ als were gar mit e. a. kein Fuͤrſt noch Koͤnig/
noch Rath noch Cantzler in der Welt/ von deren dinge wu-
ſteſtu keinen) lieſſeſt dich nicht Regieren die Sonne mit jh-
ren Aſcendentibus. War derwegen vnnoͤtig/ durch den
Sabbath den Himmel oder die Alte geburt aus der Erden
hinzulegen/ Du wareſt ein Chriſte/ eine Newe Creatur
durch den Glauben/ in einfalt vnnd vnſchuld wie Chriſtus
ſelber/ der da ſpricht: Laſſet die Kindlein zu mir kommen/
dann ſolcher iſt das Reich GOttes/ die laſſen ſich nicht Re-
gieren von Planeten oder Sternen/ ſie ſeind den Aſcenden-
tibus
nichts vnterworffen/ dieweil ſie in der vernunfft vnnd
willen nicht leben/ ſondern ſie haben eine Newe Nativitet,
aus dem Ewigen Himmel durch den Glauben: Drumb
werden ſie auch darzu getaufft. Nun weil geſaget/ da du
wareſt ein ſolch Kind/ da ſtandeſtu in der Newen Geburt/
in dem Newen Sterne der da iſt Chriſtus Jeſus. Aber nach
dem du alt wordeſt/ nameſt du dir durch vernunfft/ vnd wil-
len die Aſcendenten, nach Ehren zu ſtreben/ (do du anſa-
heſt vnd betrachteſt das hoffleben vnnd lieſſeſt dir daſſelbe ge-
fallen/ als ein gut ding/ als einen ſchoͤnen Baum darvon es
luſtig zu Eſſen were) Dir einen Namen zumachen/ fuͤr an-
dern hoch zuſitzen/ eines Fuͤrſten oder Koͤniges Rath zu wer-
den/ das iſt dieſelbe auffſteigenden Gedancken in deinem
Hertzen waren domals den Sonneriſchen Aſcendenten, die
jmmer von Tag zu Tag krefftiger wůrden/ weitter vnd weit-
ter in dir Wircketen/ das du je mehr vnd mehr fortſchritteſt in
ſolcher luſt/ wuͤntſch vnnd deſiderio, biß du entlich darzu
Erfordert wuͤrdeſt vnd dahinkameſt.

Alle deine gedancken nun/ alle dein Tichten vnd Trach-
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[65/0072] Erkenne dich ſelber/ (es war dir/ als were gar mit e. a. kein Fuͤrſt noch Koͤnig/ noch Rath noch Cantzler in der Welt/ von deren dinge wu- ſteſtu keinen) lieſſeſt dich nicht Regieren die Sonne mit jh- ren Aſcendentibus. War derwegen vnnoͤtig/ durch den Sabbath den Himmel oder die Alte geburt aus der Erden hinzulegen/ Du wareſt ein Chriſte/ eine Newe Creatur durch den Glauben/ in einfalt vnnd vnſchuld wie Chriſtus ſelber/ der da ſpricht: Laſſet die Kindlein zu mir kommen/ dann ſolcher iſt das Reich GOttes/ die laſſen ſich nicht Re- gieren von Planeten oder Sternen/ ſie ſeind den Aſcenden- tibus nichts vnterworffen/ dieweil ſie in der vernunfft vnnd willen nicht leben/ ſondern ſie haben eine Newe Nativitet, aus dem Ewigen Himmel durch den Glauben: Drumb werden ſie auch darzu getaufft. Nun weil geſaget/ da du wareſt ein ſolch Kind/ da ſtandeſtu in der Newen Geburt/ in dem Newen Sterne der da iſt Chriſtus Jeſus. Aber nach dem du alt wordeſt/ nameſt du dir durch vernunfft/ vnd wil- len die Aſcendenten, nach Ehren zu ſtreben/ (do du anſa- heſt vnd betrachteſt das hoffleben vnnd lieſſeſt dir daſſelbe ge- fallen/ als ein gut ding/ als einen ſchoͤnen Baum darvon es luſtig zu Eſſen were) Dir einen Namen zumachen/ fuͤr an- dern hoch zuſitzen/ eines Fuͤrſten oder Koͤniges Rath zu wer- den/ das iſt dieſelbe auffſteigenden Gedancken in deinem Hertzen waren domals den Sonneriſchen Aſcendenten, die jmmer von Tag zu Tag krefftiger wůrden/ weitter vnd weit- ter in dir Wircketen/ das du je mehr vnd mehr fortſchritteſt in ſolcher luſt/ wuͤntſch vnnd deſiderio, biß du entlich darzu Erfordert wuͤrdeſt vnd dahinkameſt. Alle deine gedancken nun/ alle dein Tichten vnd Trach- ten/ Sorgen/ Sinnen/ Speculiren/ Meditiren auff ſol- che ſachen/ alle deine Wort vnnd Wercke/ die du hierzu ge- braucht

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Gnothi seauton. Nosce te ipsum. Erkenne dich selber O Mensch. Neustadt, 1618, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi02_1618/72>, abgerufen am 24.04.2024.