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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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vom Geldgeben erlöset werden. Der Wein
ward in dessen gebracht/ sie truncken herumb;
doch wolte der im Winterkleide nicht Be-
scheid thun/ soudern nachdem er sich etliche
mahl bedancket/ gieng er davon. Gelanor
fragte den Wirth/ wer dieß gewesen wäre/
der gab ihm diesen Bericht/ es wäre ein reicher
Kerle/ der von seinem Vater mehr als 30000.
Reichs-Thaler geerbet: Allein er wäre so karg
und knickerhafftich/ daß er sich eher ein Haar
auß dem Barte/ als einen Zweyer auß dem
Beutel vexieren liesse. Der Peltz were in der
Erbschafft mit gewesen/ diesen trüge er nur/
daß er kein Geld an ein Sommer-Kleid wen-
den dürffte. Ja er würde nimmermehr so
viel auf seinen Leib spendieren/ daß er die Mahl-
zeit im Wirthshause esse. So habe er eine
Schuld auf dem Hause stehen/ die also verac[-]
cordi
ret worden/ daß er sie abfressen müste:
doch sey er so genau/ daß/ wenn er einen andern
haben könne/ der ihm 4. Groschen gäbe/ er in-
dessen zu Hause vor einen Pfenning Brot in
Bier brockte/ und das Essen darbte. Es käme
offt/ daß/ wenn er Hoffnung hätte/ die Fresse-
rey zu verhandel[n]/ er die Mahlzeit zuvor etli-
che Stücke Brod einsteckte/ daß er das Brod
zum einbrocken nicht bezahlen dürffte. Den

ver-


vom Geldgeben erloͤſet werden. Der Wein
ward in deſſen gebracht/ ſie truncken herumb;
doch wolte der im Winterkleide nicht Be-
ſcheid thun/ ſoudern nachdem er ſich etliche
mahl bedancket/ gieng er davon. Gelanor
fragte den Wirth/ wer dieß geweſen waͤre/
der gab ihm dieſen Bericht/ es waͤre ein reicher
Kerle/ der von ſeinem Vater mehr als 30000.
Reichs-Thaler geerbet: Allein er waͤre ſo karg
und knickerhafftich/ daß er ſich eher ein Haar
auß dem Barte/ als einen Zweyer auß dem
Beutel vexieren lieſſe. Der Peltz were in der
Erbſchafft mit geweſen/ dieſen truͤge er nur/
daß er kein Geld an ein Sommer-Kleid wen-
den duͤrffte. Ja er wuͤrde nimmermehr ſo
viel auf ſeinen Leib ſpendieren/ daß er die Mahl-
zeit im Wirthshauſe eſſe. So habe er eine
Schuld auf dem Hauſe ſtehen/ die alſo verac[-]
cordi
ret worden/ daß er ſie abfreſſen muͤſte:
doch ſey er ſo genau/ daß/ wenn er einen andern
haben koͤnne/ der ihm 4. Groſchen gaͤbe/ er in-
deſſen zu Hauſe vor einen Pfenning Brot in
Bier brockte/ und das Eſſen darbte. Es kaͤme
offt/ daß/ wenn er Hoffnung haͤtte/ die Freſſe-
rey zu verhandel[n]/ er die Mahlzeit zuvor etli-
che Stuͤcke Brod einſteckte/ daß er das Brod
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[108/0114] vom Geldgeben erloͤſet werden. Der Wein ward in deſſen gebracht/ ſie truncken herumb; doch wolte der im Winterkleide nicht Be- ſcheid thun/ ſoudern nachdem er ſich etliche mahl bedancket/ gieng er davon. Gelanor fragte den Wirth/ wer dieß geweſen waͤre/ der gab ihm dieſen Bericht/ es waͤre ein reicher Kerle/ der von ſeinem Vater mehr als 30000. Reichs-Thaler geerbet: Allein er waͤre ſo karg und knickerhafftich/ daß er ſich eher ein Haar auß dem Barte/ als einen Zweyer auß dem Beutel vexieren lieſſe. Der Peltz were in der Erbſchafft mit geweſen/ dieſen truͤge er nur/ daß er kein Geld an ein Sommer-Kleid wen- den duͤrffte. Ja er wuͤrde nimmermehr ſo viel auf ſeinen Leib ſpendieren/ daß er die Mahl- zeit im Wirthshauſe eſſe. So habe er eine Schuld auf dem Hauſe ſtehen/ die alſo verac- cordiret worden/ daß er ſie abfreſſen muͤſte: doch ſey er ſo genau/ daß/ wenn er einen andern haben koͤnne/ der ihm 4. Groſchen gaͤbe/ er in- deſſen zu Hauſe vor einen Pfenning Brot in Bier brockte/ und das Eſſen darbte. Es kaͤme offt/ daß/ wenn er Hoffnung haͤtte/ die Freſſe- rey zu verhandeln/ er die Mahlzeit zuvor etli- che Stuͤcke Brod einſteckte/ daß er das Brod zum einbrocken nicht bezahlen duͤrffte. Den ver-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/114>, abgerufen am 28.03.2024.