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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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denn die Zeit passirte? Mit Sorgen/ sagte der
Wirth/ denn es ist ihm alle Stunden leid/ sein
Geld möchte gestolen werden/ oder die Capi-
talia
möchten caduc werden/ oder es möchte
sonst ein Unglück kommen/ das er nicht zurücke
treiben könte. Er behält zwar nicht über dreis-
sig Thaler im Hause/ es muß verliehen werden
und Nutzen bringen/ doch hat er fast nichts zu
thun/ als daß er Geld zehlt/ da hat er sich an ei-
nem Dreyheller/ dort an einem Vierpfenniger
verrechnet/ und wann man ihn umb einen
Spatziergang anspricht/ so ist kein Mensch
auf der Welt der mehr zuthun hat. Das
ärgste ist/ daß er keinen rechtschaffenen Men-
schen zu Rathe zeucht/ wenn er was vornimt:
sondern da sind lauter Trödelhuren und Wet-
termacherin/ denen er seine Wohlfahrt anver-
traut. Ach du Ertznarr/ ruffte Gelanor über-
laut/ hab ich doch deines gleichen noch nie an-
getroffen. Gott hat die Mittel bescheret/ da-
durch du dein Leben mit höchster reputation
führen köntest; und gleichwohl bistu nicht
wehrt/ daß du einen Heller davon geniessen
solst. O wer ist ärmer als du? Ein Bettel-
mann darff leicht etliche Pfennige zusammen ras-
peln/ so stelt er einen Schmauß an/ darzu er den
folgenden Tag noch vier Heller betteln muß:

du


denn die Zeit paſſirte? Mit Sorgen/ ſagte der
Wirth/ denn es iſt ihm alle Stunden leid/ ſein
Geld moͤchte geſtolen werden/ oder die Capi-
talia
moͤchten caduc werden/ oder es moͤchte
ſonſt ein Ungluͤck kom̃en/ das er nicht zuruͤcke
treiben koͤnte. Er behaͤlt zwar nicht uͤber dreiſ-
ſig Thaler im Hauſe/ es muß verliehen werden
und Nutzen bringen/ doch hat er faſt nichts zu
thun/ als daß er Geld zehlt/ da hat er ſich an ei-
nem Dreyheller/ dort an einem Vierpfenniger
verrechnet/ und wann man ihn umb einen
Spatziergang anſpricht/ ſo iſt kein Menſch
auf der Welt der mehr zuthun hat. Das
aͤrgſte iſt/ daß er keinen rechtſchaffenen Men-
ſchen zu Rathe zeucht/ wenn er was vornimt:
ſondern da ſind lauter Troͤdelhuren und Wet-
termacherin/ denen er ſeine Wohlfahrt anver-
traut. Ach du Ertznarr/ ruffte Gelanor uͤber-
laut/ hab ich doch deines gleichen noch nie an-
getroffen. Gott hat die Mittel beſcheret/ da-
durch du dein Leben mit hoͤchſter reputation
fuͤhren koͤnteſt; und gleichwohl biſtu nicht
wehrt/ daß du einen Heller davon genieſſen
ſolſt. O wer iſt aͤrmer als du? Ein Bettel-
mann darff leicht etliche Pfeñige zuſam̃en raſ-
peln/ ſo ſtelt er einẽ Schmauß an/ darzu er den
folgenden Tag noch vier Heller betteln muß:

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[111/0117] denn die Zeit paſſirte? Mit Sorgen/ ſagte der Wirth/ denn es iſt ihm alle Stunden leid/ ſein Geld moͤchte geſtolen werden/ oder die Capi- talia moͤchten caduc werden/ oder es moͤchte ſonſt ein Ungluͤck kom̃en/ das er nicht zuruͤcke treiben koͤnte. Er behaͤlt zwar nicht uͤber dreiſ- ſig Thaler im Hauſe/ es muß verliehen werden und Nutzen bringen/ doch hat er faſt nichts zu thun/ als daß er Geld zehlt/ da hat er ſich an ei- nem Dreyheller/ dort an einem Vierpfenniger verrechnet/ und wann man ihn umb einen Spatziergang anſpricht/ ſo iſt kein Menſch auf der Welt der mehr zuthun hat. Das aͤrgſte iſt/ daß er keinen rechtſchaffenen Men- ſchen zu Rathe zeucht/ wenn er was vornimt: ſondern da ſind lauter Troͤdelhuren und Wet- termacherin/ denen er ſeine Wohlfahrt anver- traut. Ach du Ertznarr/ ruffte Gelanor uͤber- laut/ hab ich doch deines gleichen noch nie an- getroffen. Gott hat die Mittel beſcheret/ da- durch du dein Leben mit hoͤchſter reputation fuͤhren koͤnteſt; und gleichwohl biſtu nicht wehrt/ daß du einen Heller davon genieſſen ſolſt. O wer iſt aͤrmer als du? Ein Bettel- mann darff leicht etliche Pfeñige zuſam̃en raſ- peln/ ſo ſtelt er einẽ Schmauß an/ darzu er den folgenden Tag noch vier Heller betteln muß: du

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/117>, abgerufen am 19.04.2024.