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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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wenig vorgeben können: Hingegen wo ein
Rector zu erwehlen ist/ da muß es ein grosser
Philosophus oder Philologus seyn. Ein
Philologus aber heist ins gemein/ der sich in
alle Critische Subtilitäten vertiefft/ oder der
nichts als Syrische Chaldeische/ Persische
Aethiopische/ Samaritanische Grillen an die
Tafel mahlen kan/ Gott gebe die Jugend
versäume die nothwendigen Sachen darbey
oder nicht. Ein anderer armer Mann/ der
nicht so wohl dahin geht/ daß er außwärtig
will vor einem Gelehrten außgeschryen wer-
den/ als daß er die Jugend fundamentaliter
möchte pro captu anweisen/ der sieht nicht
stoltz gnug auß.

Der Advocat sagte/ diß sey eben die Ursa-
che/ warumb er vor den Scholis publicis ei-
nen Abscheu gehabt/ und seine Kinder viel lie-
ber privatim unterweisen liesse. Der unbe-
kandte Gast aber gab zur Antwort/ es wäre
auch zu Hause nicht alles schnurgleich abge-
messen. Vor eins hätten die Knaben kein
Exempel vor sich/ dadurch sie excitirt wür-
den: Da hingegen in einer Classe von funff-
zig biß sechzig Personen zwey oder drey leicht-
lich gefunden würden/ welche den andern zur
Nachfolge dienten. Nechst diesem wäre es

ver-
G vj


wenig vorgeben koͤnnen: Hingegen wo ein
Rector zu erwehlen iſt/ da muß es ein groſſer
Philoſophus oder Philologus ſeyn. Ein
Philologus aber heiſt ins gemein/ der ſich in
alle Critiſche Subtilitaͤten vertiefft/ oder der
nichts als Syriſche Chaldeiſche/ Perſiſche
Aethiopiſche/ Samaritaniſche Grillen an die
Tafel mahlen kan/ Gott gebe die Jugend
verſaͤume die nothwendigen Sachen darbey
oder nicht. Ein anderer armer Mann/ der
nicht ſo wohl dahin geht/ daß er außwaͤrtig
will vor einem Gelehrten außgeſchryen wer-
den/ als daß er die Jugend fundamentaliter
moͤchte pro captu anweiſen/ der ſieht nicht
ſtoltz gnug auß.

Der Advocat ſagte/ diß ſey eben die Urſa-
che/ warumb er vor den Scholis publicis ei-
nen Abſcheu gehabt/ und ſeine Kinder viel lie-
ber privatim unterweiſen lieſſe. Der unbe-
kandte Gaſt aber gab zur Antwort/ es waͤre
auch zu Hauſe nicht alles ſchnurgleich abge-
meſſen. Vor eins haͤtten die Knaben kein
Exempel vor ſich/ dadurch ſie excitirt wuͤr-
den: Da hingegen in einer Claſſe von funff-
zig biß ſechzig Perſonen zwey oder drey leicht-
lich gefunden wuͤrden/ welche den andern zur
Nachfolge dienten. Nechſt dieſem waͤre es

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[155/0161] wenig vorgeben koͤnnen: Hingegen wo ein Rector zu erwehlen iſt/ da muß es ein groſſer Philoſophus oder Philologus ſeyn. Ein Philologus aber heiſt ins gemein/ der ſich in alle Critiſche Subtilitaͤten vertiefft/ oder der nichts als Syriſche Chaldeiſche/ Perſiſche Aethiopiſche/ Samaritaniſche Grillen an die Tafel mahlen kan/ Gott gebe die Jugend verſaͤume die nothwendigen Sachen darbey oder nicht. Ein anderer armer Mann/ der nicht ſo wohl dahin geht/ daß er außwaͤrtig will vor einem Gelehrten außgeſchryen wer- den/ als daß er die Jugend fundamentaliter moͤchte pro captu anweiſen/ der ſieht nicht ſtoltz gnug auß. Der Advocat ſagte/ diß ſey eben die Urſa- che/ warumb er vor den Scholis publicis ei- nen Abſcheu gehabt/ und ſeine Kinder viel lie- ber privatim unterweiſen lieſſe. Der unbe- kandte Gaſt aber gab zur Antwort/ es waͤre auch zu Hauſe nicht alles ſchnurgleich abge- meſſen. Vor eins haͤtten die Knaben kein Exempel vor ſich/ dadurch ſie excitirt wuͤr- den: Da hingegen in einer Claſſe von funff- zig biß ſechzig Perſonen zwey oder drey leicht- lich gefunden wuͤrden/ welche den andern zur Nachfolge dienten. Nechſt dieſem waͤre es ver- G vj

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/161>, abgerufen am 25.04.2024.