Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


sagte er/ soll ich nicht über mein Unglück Thrä-
nen vergiessen? Da wollen alle Leute an mir
die Schuh wischen/ O wer sich nur solte ein
Leid anthun! gedenckt nur wie mirs geht! da
ist meine Frau in die Wochen kommen/ und
hat einen jungen Sohn bracht. Nun soll
ich ja vor allen Dingen drauf dencken/ wie ich
des jungen Heydens los werde/ und einen neu-
en Christen davor kriege. Aber ihr Herr[en]/
ihr wist es selber/ das Werck läst sich nit thun/
ich muß ehrliche Leute zu Gevattern haben.
Gleichwohl geht mirs so närrisch/ daß ich
flugs möchte davon lauffen. Da ist ein Kerle/
dem hab ich in diesem Gasthoffe wohl sechs-
tausend Gläser Bier eingeschenckt/ den wolt
ich bey diesem Ehrenwercke gerne haben/ we-
gen der alten Bekandschafft. Aber er/ at
mir den Gevatterbrieff zurück geschickt au[ß]
Ursachen/ weil ich ihn nicht Edler/ Wohl-Eh-
renvester titulirt. Eurylas/ fragte weiter/
wer es denn wäre/ ob es ein vornehmer Mann
sey/ der den Titel verdienet habe? der Knecht
gab zur Antwort/ er wisse nicht wie hoch einer
vor dem andren geschoren sey; doch sagten alle
Leute/ der Kerle sey im Kriege bey einem O-
bersten ein Bißgen vornehmer als ein Schuh-
putzer gewesen; so habe der Herr Rector (also

ward
H ij


ſagte er/ ſoll ich nicht uͤber mein Ungluͤck Thraͤ-
nen vergieſſen? Da wollen alle Leute an mir
die Schuh wiſchen/ O wer ſich nur ſolte ein
Leid anthun! gedenckt nur wie mirs geht! da
iſt meine Frau in die Wochen kommen/ und
hat einen jungen Sohn bracht. Nun ſoll
ich ja vor allen Dingen drauf dencken/ wie ich
des jungen Heydens los werde/ und einen neu-
en Chriſten davor kriege. Aber ihr Herr[en]/
ihr wiſt es ſelber/ das Werck laͤſt ſich nit thun/
ich muß ehrliche Leute zu Gevattern haben.
Gleichwohl geht mirs ſo naͤrriſch/ daß ich
flugs moͤchte davon lauffen. Da iſt ein Kerle/
dem hab ich in dieſem Gaſthoffe wohl ſechs-
tauſend Glaͤſer Bier eingeſchenckt/ den wolt
ich bey dieſem Ehrenwercke gerne haben/ we-
gen der alten Bekandſchafft. Aber er/ at
mir den Gevatterbrieff zuruͤck geſchickt au[ß]
Urſachen/ weil ich ihn nicht Edler/ Wohl-Eh-
renveſter titulirt. Eurylas/ fragte weiter/
wer es denn waͤre/ ob es ein vornehmer Mann
ſey/ der den Titel verdienet habe? der Knecht
gab zur Antwort/ er wiſſe nicht wie hoch einer
vor dem andren geſchoren ſey; doch ſagten alle
Leute/ der Kerle ſey im Kriege bey einem O-
berſten ein Bißgen vornehmer als ein Schuh-
putzer geweſen; ſo habe der Herr Rector (alſo

ward
H ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0177" n="171"/><lb/>
&#x017F;agte er/ &#x017F;oll ich nicht u&#x0364;ber mein Unglu&#x0364;ck Thra&#x0364;-<lb/>
nen vergie&#x017F;&#x017F;en? Da wollen alle Leute an mir<lb/>
die Schuh wi&#x017F;chen/ O wer &#x017F;ich nur &#x017F;olte ein<lb/>
Leid anthun! gedenckt nur wie mirs geht! da<lb/>
i&#x017F;t meine Frau in die Wochen kommen/ und<lb/>
hat einen jungen Sohn bracht. Nun &#x017F;oll<lb/>
ich ja vor allen Dingen drauf dencken/ wie ich<lb/>
des jungen Heydens los werde/ und einen neu-<lb/>
en Chri&#x017F;ten davor kriege. Aber ihr Herr<supplied>en</supplied>/<lb/>
ihr wi&#x017F;t es &#x017F;elber/ das Werck la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich nit thun/<lb/>
ich muß ehrliche Leute zu Gevattern haben.<lb/>
Gleichwohl geht mirs &#x017F;o na&#x0364;rri&#x017F;ch/ daß ich<lb/>
flugs mo&#x0364;chte davon lauffen. Da i&#x017F;t ein Kerle/<lb/>
dem hab ich in die&#x017F;em Ga&#x017F;thoffe wohl &#x017F;echs-<lb/>
tau&#x017F;end Gla&#x0364;&#x017F;er Bier einge&#x017F;chenckt/ den wolt<lb/>
ich bey die&#x017F;em Ehrenwercke gerne haben/ we-<lb/>
gen der alten Bekand&#x017F;chafft. Aber er/ at<lb/>
mir den Gevatterbrieff zuru&#x0364;ck ge&#x017F;chickt au<supplied>ß</supplied><lb/>
Ur&#x017F;achen/ weil ich ihn nicht Edler/ Wohl-Eh-<lb/>
renve&#x017F;ter titulirt. <hi rendition="#aq">Eurylas</hi>/ fragte weiter/<lb/>
wer es denn wa&#x0364;re/ ob es ein vornehmer Mann<lb/>
&#x017F;ey/ der den Titel verdienet habe? der Knecht<lb/>
gab zur Antwort/ er wi&#x017F;&#x017F;e nicht wie hoch einer<lb/>
vor dem andren ge&#x017F;choren &#x017F;ey; doch &#x017F;agten alle<lb/>
Leute/ der Kerle &#x017F;ey im Kriege bey einem O-<lb/>
ber&#x017F;ten ein Bißgen vornehmer als ein Schuh-<lb/>
putzer gewe&#x017F;en; &#x017F;o habe der Herr <hi rendition="#aq">Rector</hi> (al&#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H ij</fw><fw place="bottom" type="catch">ward</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0177] ſagte er/ ſoll ich nicht uͤber mein Ungluͤck Thraͤ- nen vergieſſen? Da wollen alle Leute an mir die Schuh wiſchen/ O wer ſich nur ſolte ein Leid anthun! gedenckt nur wie mirs geht! da iſt meine Frau in die Wochen kommen/ und hat einen jungen Sohn bracht. Nun ſoll ich ja vor allen Dingen drauf dencken/ wie ich des jungen Heydens los werde/ und einen neu- en Chriſten davor kriege. Aber ihr Herren/ ihr wiſt es ſelber/ das Werck laͤſt ſich nit thun/ ich muß ehrliche Leute zu Gevattern haben. Gleichwohl geht mirs ſo naͤrriſch/ daß ich flugs moͤchte davon lauffen. Da iſt ein Kerle/ dem hab ich in dieſem Gaſthoffe wohl ſechs- tauſend Glaͤſer Bier eingeſchenckt/ den wolt ich bey dieſem Ehrenwercke gerne haben/ we- gen der alten Bekandſchafft. Aber er/ at mir den Gevatterbrieff zuruͤck geſchickt auß Urſachen/ weil ich ihn nicht Edler/ Wohl-Eh- renveſter titulirt. Eurylas/ fragte weiter/ wer es denn waͤre/ ob es ein vornehmer Mann ſey/ der den Titel verdienet habe? der Knecht gab zur Antwort/ er wiſſe nicht wie hoch einer vor dem andren geſchoren ſey; doch ſagten alle Leute/ der Kerle ſey im Kriege bey einem O- berſten ein Bißgen vornehmer als ein Schuh- putzer geweſen; ſo habe der Herr Rector (alſo ward H ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/177
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/177>, abgerufen am 19.04.2024.