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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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derselben dexterität/ dadurch er vielen behülff-
lich gewesen/ auch seiner gegenwärtigen Noth
beyräthig zu erscheinen. Eurylas, der keinen
Possen außschlug/ wann einer zu machen war/
hörte den Menschen mit grosser Gedult/ und
bließ die Backen so groß auf/ daß man ge-
schworen hätte/ er wäre ein Doctor. End-
lich als er reden solte/ sagte er/ mein Freund/
ich bin deswegen da/ ehrlichen Leuten auffzu-
warten. Jch weiß mich auch zu besinnen/
daßich unterschiedene Personen von dem gros-
sen Gebrechen der Zunge befreyet habe. Al-
lein der Herr kömmt mir zu alt vor/ daß ich
nicht glauben kan/ als würde er die Schmer-
tzen darbey außstehen. Dann er dencke selbst
nach/ wann einem die Zunge auf das neue soll
gelöset werden/ so muß das Fleisch im Rachen
noch jung seyn. Gleichwohl dieser Reden
ungeacht/ bat der gute Kerle Himmelhoch/ er
möchte sich doch über ihn erbarmen; er hätte
sein gantz Vertrauen auf ihn gesetzt/ und wolte
er nun nicht hoffen/ als solte diese seine Hoff-
nung zu Wasser werden. Kurtz/ das Bitten
währte so lang biß sich Eurylas resolvirte/ ei-
nen Doctor zu agiren/ und dem Menschen das
Schnarren zu vertrejben. Allhier wird man-
cher Medicus lachen/ als wäre diese Cur wohl

mit


derſelben dexteritaͤt/ dadurch er vielen behuͤlff-
lich geweſen/ auch ſeiner gegenwaͤrtigen Noth
beyraͤthig zu erſcheinen. Eurylas, der keinen
Poſſen außſchlug/ wann einer zu machen war/
hoͤrte den Menſchen mit groſſer Gedult/ und
bließ die Backen ſo groß auf/ daß man ge-
ſchworen haͤtte/ er waͤre ein Doctor. End-
lich als er reden ſolte/ ſagte er/ mein Freund/
ich bin deswegen da/ ehrlichen Leuten auffzu-
warten. Jch weiß mich auch zu beſinnen/
daßich unteꝛſchiedene Perſonen von dem groſ-
ſen Gebrechen der Zunge befreyet habe. Al-
lein der Herr koͤmmt mir zu alt vor/ daß ich
nicht glauben kan/ als wuͤrde er die Schmer-
tzen daꝛbey außſtehen. Dann er dencke ſelbſt
nach/ wann einem die Zunge auf das neue ſoll
geloͤſet werden/ ſo muß das Fleiſch im Rachen
noch jung ſeyn. Gleichwohl dieſer Reden
ungeacht/ bat der gute Kerle Himmelhoch/ er
moͤchte ſich doch uͤber ihn erbarmen; er haͤtte
ſein gantz Vertrauen auf ihn geſetzt/ und wolte
er nun nicht hoffen/ als ſolte dieſe ſeine Hoff-
nung zu Waſſer werden. Kurtz/ das Bitten
waͤhrte ſo lang biß ſich Eurylas reſolvirte/ ei-
nen Doctor zu agiren/ und dem Menſchen das
Schnarren zu vertrejben. Allhier wird man-
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[209/0215] derſelben dexteritaͤt/ dadurch er vielen behuͤlff- lich geweſen/ auch ſeiner gegenwaͤrtigen Noth beyraͤthig zu erſcheinen. Eurylas, der keinen Poſſen außſchlug/ wann einer zu machen war/ hoͤrte den Menſchen mit groſſer Gedult/ und bließ die Backen ſo groß auf/ daß man ge- ſchworen haͤtte/ er waͤre ein Doctor. End- lich als er reden ſolte/ ſagte er/ mein Freund/ ich bin deswegen da/ ehrlichen Leuten auffzu- warten. Jch weiß mich auch zu beſinnen/ daßich unteꝛſchiedene Perſonen von dem groſ- ſen Gebrechen der Zunge befreyet habe. Al- lein der Herr koͤmmt mir zu alt vor/ daß ich nicht glauben kan/ als wuͤrde er die Schmer- tzen daꝛbey außſtehen. Dann er dencke ſelbſt nach/ wann einem die Zunge auf das neue ſoll geloͤſet werden/ ſo muß das Fleiſch im Rachen noch jung ſeyn. Gleichwohl dieſer Reden ungeacht/ bat der gute Kerle Himmelhoch/ er moͤchte ſich doch uͤber ihn erbarmen; er haͤtte ſein gantz Vertrauen auf ihn geſetzt/ und wolte er nun nicht hoffen/ als ſolte dieſe ſeine Hoff- nung zu Waſſer werden. Kurtz/ das Bitten waͤhrte ſo lang biß ſich Eurylas reſolvirte/ ei- nen Doctor zu agiren/ und dem Menſchen das Schnarren zu vertrejben. Allhier wird man- cher Medicus lachen/ als waͤre dieſe Cur wohl mit

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/215>, abgerufen am 25.04.2024.