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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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meinte/ man dürffte in dieser Welt nicht alles
so genau suchen/ es wäre der gemeine Lauff al-
so/ und welcher ohne Sünde wäre/ möchte
den ersten Stein auf solche Leute werffen. Es
wären in der Stadt wohl vornehmere Leute/
die dergleichen Sachen thäten/ und die es als
hochvernünfftige Menschen nicht thun wür-
den/ wenn es wahr wäre/ daß man eben um ei-
ner solchen Lust willen müste zur Höllen fah-
ren. Gelanor sagte darauff; es ist nichts de-
sto besser/ daß vornehme Leute/ durch ihr är-
gerlich Exempel/ den andern Anlaß zu sündi-
gen geben; doch wenn der Teufel die Grossen
hohlen wird/ so mögen die kleinen sehen/ hinter
welchem sie sich verstecken wollen: Entweder
Gott muß zum lügner werden/ oder die Wor-
te stehen noch feste/ daß die Hurer und E-
hebrecher Gott richten wird/
und daß
diejenigen/ welche die Wercke des Fleisches
vollbringen/ das Reich Gottes nicht erer-
ben sollen;
aber wer bedenckt diß schreckliche
Gericht? und gleich wohl bilden sich die unver-
ständigen Blindschleichen groß Glück ein/ ja
Gott hat es wohl Ursache/ daß er euch freund-
lich tractiren solte/ indem ihr mit seinen Gebo-
ten so höfflich wisset ümbzugehen: Blitz und
Donner/ Pestilentz und theur Zeit/ Krieg und

Blut-
K ij


meinte/ man duͤrffte in dieſer Welt nicht alles
ſo genau ſuchen/ es waͤre der gemeine Lauff al-
ſo/ und welcher ohne Suͤnde waͤre/ moͤchte
den erſten Stein auf ſolche Leute werffen. Es
waͤren in der Stadt wohl vornehmere Leute/
die dergleichen Sachen thaͤten/ und die es als
hochvernuͤnfftige Menſchen nicht thun wuͤr-
den/ wenn es wahr waͤre/ daß man eben um ei-
ner ſolchen Luſt willen muͤſte zur Hoͤllen fah-
ren. Gelanor ſagte darauff; es iſt nichts de-
ſto beſſer/ daß vornehme Leute/ durch ihr aͤr-
gerlich Exempel/ den andern Anlaß zu ſuͤndi-
gen geben; doch wenn der Teufel die Groſſen
hohlen wird/ ſo moͤgen die kleinen ſehen/ hinter
welchem ſie ſich verſtecken wollen: Entweder
Gott muß zum luͤgner werden/ oder die Wor-
te ſtehen noch feſte/ daß die Hurer und E-
hebrecher Gott richten wird/
und daß
diejenigen/ welche die Wercke des Fleiſches
vollbringen/ das Reich Gottes nicht erer-
ben ſollen;
aber wer bedenckt diß ſchreckliche
Gericht? und gleich wohl bilden ſich die unver-
ſtaͤndigen Blindſchleichen groß Gluͤck ein/ ja
Gott hat es wohl Urſache/ daß er euch freund-
lich tractiren ſolte/ indem ihr mit ſeinen Gebo-
ten ſo hoͤfflich wiſſet uͤmbzugehen: Blitz und
Donner/ Peſtilentz und theur Zeit/ Krieg und

Blut-
K ij
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[219/0225] meinte/ man duͤrffte in dieſer Welt nicht alles ſo genau ſuchen/ es waͤre der gemeine Lauff al- ſo/ und welcher ohne Suͤnde waͤre/ moͤchte den erſten Stein auf ſolche Leute werffen. Es waͤren in der Stadt wohl vornehmere Leute/ die dergleichen Sachen thaͤten/ und die es als hochvernuͤnfftige Menſchen nicht thun wuͤr- den/ wenn es wahr waͤre/ daß man eben um ei- ner ſolchen Luſt willen muͤſte zur Hoͤllen fah- ren. Gelanor ſagte darauff; es iſt nichts de- ſto beſſer/ daß vornehme Leute/ durch ihr aͤr- gerlich Exempel/ den andern Anlaß zu ſuͤndi- gen geben; doch wenn der Teufel die Groſſen hohlen wird/ ſo moͤgen die kleinen ſehen/ hinter welchem ſie ſich verſtecken wollen: Entweder Gott muß zum luͤgner werden/ oder die Wor- te ſtehen noch feſte/ daß die Hurer und E- hebrecher Gott richten wird/ und daß diejenigen/ welche die Wercke des Fleiſches vollbringen/ das Reich Gottes nicht erer- ben ſollen; aber wer bedenckt diß ſchreckliche Gericht? und gleich wohl bilden ſich die unver- ſtaͤndigen Blindſchleichen groß Gluͤck ein/ ja Gott hat es wohl Urſache/ daß er euch freund- lich tractiren ſolte/ indem ihr mit ſeinen Gebo- ten ſo hoͤfflich wiſſet uͤmbzugehen: Blitz und Donner/ Peſtilentz und theur Zeit/ Krieg und Blut- K ij

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/225>, abgerufen am 29.03.2024.