Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite
CAP. XL.

HJer ward der discurs durch einen un-
verhofften Lermen verstört/ der sich vor
der Stube zwischen der Frau und den Mäg-
den erhub. Der Wirth lieff zu/ und wolte
zum Rechten sehn. Doch ward es viel ärger/
und thät er nichts bey der Sache/ als daß er
das Geschrey grösser machte. Endlich kam
der Hausknecht/ den fragten sie/ was für ein
Unglücke entstanden wäre/ dieser berichte/ die
Mangde wolten alle viere in die Kirche gehen/
die Frau wolte hingegen haben/ es solte eine
bey den Kindern zu Hause bleiben. Eurylas
verwunderte sich über die grosse Andacht/ die
er bey dem heutigen Mägde-Volcke nicht ge-
sucht hätte. Doch der Knecht halff ihm auß
der Verwunderung. Denn er sagte/ sie ris-
sen sich nicht umb die Predigt oder sonst umb
den Gottesdienst: sondern sie würden in der
Kirche das Kind wiegen/ den Vogelgesang
und den Stern mit den Cimbeln gehen lassen/
deßwegen wolte keine die schönen Sachen ver-
säumen. Sonst wüste er wohl/ daß man
vier Wochen zu schelten hätte/ ehe man sie
einmahl könte in die Kirche bringen. Eury-
las
sahe die andern an/ und als sie nichts darzu

reden
CAP. XL.

HJer ward der diſcurs durch einen un-
verhofften Lermen verſtoͤrt/ der ſich vor
der Stube zwiſchen der Frau und den Maͤg-
den erhub. Der Wirth lieff zu/ und wolte
zum Rechten ſehn. Doch ward es viel aͤrger/
und thaͤt er nichts bey der Sache/ als daß er
das Geſchrey groͤſſer machte. Endlich kam
der Hausknecht/ den fragten ſie/ was fuͤr ein
Ungluͤcke entſtanden waͤre/ dieſer berichte/ die
Māgde wolten alle viere in die Kirche gehen/
die Frau wolte hingegen haben/ es ſolte eine
bey den Kindern zu Hauſe bleiben. Eurylas
verwunderte ſich uͤber die groſſe Andacht/ die
er bey dem heutigen Maͤgde-Volcke nicht ge-
ſucht haͤtte. Doch der Knecht halff ihm auß
der Verwunderung. Denn er ſagte/ ſie riſ-
ſen ſich nicht umb die Predigt oder ſonſt umb
den Gottesdienſt: ſondern ſie wuͤrden in der
Kirche das Kind wiegen/ den Vogelgeſang
und den Stern mit den Cimbeln gehen laſſen/
deßwegen wolte keine die ſchoͤnen Sachen ver-
ſaͤumen. Sonſt wuͤſte er wohl/ daß man
vier Wochen zu ſchelten haͤtte/ ehe man ſie
einmahl koͤnte in die Kirche bringen. Eury-
las
ſahe die andern an/ und als ſie nichts darzu

reden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0342" n="336"/>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CAP</hi>. XL.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">H</hi>Jer ward der <hi rendition="#aq">di&#x017F;curs</hi> durch einen un-<lb/>
verhofften Lermen ver&#x017F;to&#x0364;rt/ der &#x017F;ich vor<lb/>
der Stube zwi&#x017F;chen der Frau und den Ma&#x0364;g-<lb/>
den erhub. Der Wirth lieff zu/ und wolte<lb/>
zum Rechten &#x017F;ehn. Doch ward es viel a&#x0364;rger/<lb/>
und tha&#x0364;t er nichts bey der Sache/ als daß er<lb/>
das Ge&#x017F;chrey gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er machte. Endlich kam<lb/>
der Hausknecht/ den fragten &#x017F;ie/ was fu&#x0364;r ein<lb/>
Unglu&#x0364;cke ent&#x017F;tanden wa&#x0364;re/ die&#x017F;er berichte/ die<lb/>
Ma&#x0304;gde wolten alle viere in die Kirche gehen/<lb/>
die <hi rendition="#fr">F</hi>rau wolte hingegen haben/ es &#x017F;olte eine<lb/>
bey den Kindern zu Hau&#x017F;e bleiben. <hi rendition="#aq">Eurylas</hi><lb/>
verwunderte &#x017F;ich u&#x0364;ber die gro&#x017F;&#x017F;e Andacht/ die<lb/>
er bey dem heutigen Ma&#x0364;gde-Volcke nicht ge-<lb/>
&#x017F;ucht ha&#x0364;tte. Doch der Knecht halff ihm auß<lb/>
der <hi rendition="#fr">V</hi>erwunderung. Denn er &#x017F;agte/ &#x017F;ie ri&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ich nicht umb die Predigt oder &#x017F;on&#x017F;t umb<lb/>
den Gottesdien&#x017F;t: &#x017F;ondern &#x017F;ie wu&#x0364;rden in der<lb/>
Kirche das Kind wiegen/ den Vogelge&#x017F;ang<lb/>
und den Stern mit den Cimbeln gehen la&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
deßwegen wolte keine die &#x017F;cho&#x0364;nen Sachen ver-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umen. Son&#x017F;t wu&#x0364;&#x017F;te er wohl/ daß man<lb/>
vier Wochen zu &#x017F;chelten ha&#x0364;tte/ ehe man &#x017F;ie<lb/>
einmahl ko&#x0364;nte in die Kirche bringen. <hi rendition="#aq">Eury-<lb/>
las</hi> &#x017F;ahe die andern an/ und als &#x017F;ie nichts darzu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">reden</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0342] CAP. XL. HJer ward der diſcurs durch einen un- verhofften Lermen verſtoͤrt/ der ſich vor der Stube zwiſchen der Frau und den Maͤg- den erhub. Der Wirth lieff zu/ und wolte zum Rechten ſehn. Doch ward es viel aͤrger/ und thaͤt er nichts bey der Sache/ als daß er das Geſchrey groͤſſer machte. Endlich kam der Hausknecht/ den fragten ſie/ was fuͤr ein Ungluͤcke entſtanden waͤre/ dieſer berichte/ die Māgde wolten alle viere in die Kirche gehen/ die Frau wolte hingegen haben/ es ſolte eine bey den Kindern zu Hauſe bleiben. Eurylas verwunderte ſich uͤber die groſſe Andacht/ die er bey dem heutigen Maͤgde-Volcke nicht ge- ſucht haͤtte. Doch der Knecht halff ihm auß der Verwunderung. Denn er ſagte/ ſie riſ- ſen ſich nicht umb die Predigt oder ſonſt umb den Gottesdienſt: ſondern ſie wuͤrden in der Kirche das Kind wiegen/ den Vogelgeſang und den Stern mit den Cimbeln gehen laſſen/ deßwegen wolte keine die ſchoͤnen Sachen ver- ſaͤumen. Sonſt wuͤſte er wohl/ daß man vier Wochen zu ſchelten haͤtte/ ehe man ſie einmahl koͤnte in die Kirche bringen. Eury- las ſahe die andern an/ und als ſie nichts darzu reden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/342
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/342>, abgerufen am 28.03.2024.