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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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Bauer-Mutze anzögen: denn du weists wohl/
die Beine geschwellen den gemeinen Leuten/
wenn sie zu viel Ehre kriegen. Die Wirthin
hatte zwar zum Gespräche Anlaß gegeben/
doch konte sie nicht wieder zu einem Worte
kommen. Und da gemahnete sie dem Florindo,
wie jener Superintendens, der war zur Hoch-
zeit/ und als einer sagte/ es wunderte ihn/ war-
umb die Weiber so stille sässen/ sagte dieser
hingegen/ gebt euch zufrieden/ ich will den
Weibern bald zu reden machen/ und ruffte
seiner Frau überlaut: Jungefrau wie viel
gabt ihr gestern vor einen Stein Flachs? da-
mit war das Wespen-Nest rege gemacht/ daß
die Männer ihr eigen Wort nicht vernehmen
konten/ und ihre retirade zur Stuben hinauß
nehmen musten. Also hatte die gute Wirthin
mit einer Frage so viel zuwege gebracht/ daß
sie stillschweigen kunte/ weil ihr doch das
Reden etwas saur ankam: doch war es ihr
unmöglich/ daß sie gar ungeredt darbey sitzen
solte/ drumb sagte sie dieß darzu: Ach mein
Mann hätte lange können Rathsherr werden/
wenn er gewolt hätte/ aber das Prackdezeren
bringt ihm mehr ein. Sonst dürffte er wider
den Rath nichts annehmen. Er ist bey einem
Freyherrn Gerichts-Verwalter/ das wird ja

so


Bauer-Mutze anzoͤgen: denn du weiſts wohl/
die Beine geſchwellen den gemeinen Leuten/
wenn ſie zu viel Ehre kriegen. Die Wirthin
hatte zwar zum Geſpraͤche Anlaß gegeben/
doch konte ſie nicht wieder zu einem Worte
kommen. Und da gemahnete ſie dem Florindo,
wie jener Superintendens, der war zur Hoch-
zeit/ und als einer ſagte/ es wunderte ihn/ war-
umb die Weiber ſo ſtille ſaͤſſen/ ſagte dieſer
hingegen/ gebt euch zufrieden/ ich will den
Weibern bald zu reden machen/ und ruffte
ſeiner Frau uͤberlaut: Jungefrau wie viel
gabt ihr geſtern vor einen Stein Flachs? da-
mit war das Weſpen-Neſt rege gemacht/ daß
die Maͤnner ihr eigen Wort nicht vernehmen
konten/ und ihre retirade zur Stuben hinauß
nehmen muſten. Alſo hatte die gute Wirthin
mit einer Frage ſo viel zuwege gebracht/ daß
ſie ſtillſchweigen kunte/ weil ihr doch das
Reden etwas ſaur ankam: doch war es ihr
unmoͤglich/ daß ſie gar ungeredt darbey ſitzen
ſolte/ drumb ſagte ſie dieß darzu: Ach mein
Mañ haͤtte lange koͤnnen Rathsherr werden/
wenn er gewolt haͤtte/ aber das Prackdezeren
bringt ihm mehr ein. Sonſt duͤrffte er wider
den Rath nichts annehmen. Er iſt bey einem
Freyherrn Gerichts-Verwalter/ das wird ja

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[350/0356] Bauer-Mutze anzoͤgen: denn du weiſts wohl/ die Beine geſchwellen den gemeinen Leuten/ wenn ſie zu viel Ehre kriegen. Die Wirthin hatte zwar zum Geſpraͤche Anlaß gegeben/ doch konte ſie nicht wieder zu einem Worte kommen. Und da gemahnete ſie dem Florindo, wie jener Superintendens, der war zur Hoch- zeit/ und als einer ſagte/ es wunderte ihn/ war- umb die Weiber ſo ſtille ſaͤſſen/ ſagte dieſer hingegen/ gebt euch zufrieden/ ich will den Weibern bald zu reden machen/ und ruffte ſeiner Frau uͤberlaut: Jungefrau wie viel gabt ihr geſtern vor einen Stein Flachs? da- mit war das Weſpen-Neſt rege gemacht/ daß die Maͤnner ihr eigen Wort nicht vernehmen konten/ und ihre retirade zur Stuben hinauß nehmen muſten. Alſo hatte die gute Wirthin mit einer Frage ſo viel zuwege gebracht/ daß ſie ſtillſchweigen kunte/ weil ihr doch das Reden etwas ſaur ankam: doch war es ihr unmoͤglich/ daß ſie gar ungeredt darbey ſitzen ſolte/ drumb ſagte ſie dieß darzu: Ach mein Mañ haͤtte lange koͤnnen Rathsherr werden/ wenn er gewolt haͤtte/ aber das Prackdezeren bringt ihm mehr ein. Sonſt duͤrffte er wider den Rath nichts annehmen. Er iſt bey einem Freyherrn Gerichts-Verwalter/ das wird ja ſo

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/356>, abgerufen am 28.03.2024.