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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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sehen/ und könte leicht abnehmen/ daß unter
dem Hauffen ein Liebhaber wäre. Florindo,
der bey einem guten Meister von Jugend
auff war informirt worden/ und im Lauten-
spiel wenig seines gleichen hatte/ bekandte
zwar/ daß er vor etlichen Jahren zwey oder
drey Stückgen gelernet; doch schämte er sich
an einem solchen Orte sich damit hervor zu
thun/ da er Meister vor sich hätte. Der Lau-
tenist präsentirte ihm also bald seine Laute/
und sagte: Monsieur, ich mache profession
von diesem Instrument, ob ich nun gleich ge-
übter darauff bin/ so ist es doch keinem eine
Schande/ der seine profession in anderen Sa-
chen sucht. Jch bin der schlechten Stück-
gen bey meinen Discipuln wohl gewohnt/ er
lasse hören/ ob er einen bessern Meister ge-
habt hat dann ich erkenne es bald am ersten
Griffe/ was hinter einem ist. Florindo dach-
te/ halt ich wil dir den ersten Griff weisen/ daß
du des letzten darbey vergessen solst/ und nahm
die Laute an. Aber was machte der Ertz-
künstler vor grosse Augen/ als er solche Hän-
del auff der Laute hörete/ die er sein Lebtage
nicht in der partitur gesehen hatte. Es gieng
ihm wie einem Calecutischen Hahn/ oder wie
man das zahme Wildpret auff hoch Teutsch

nen-


ſehen/ und koͤnte leicht abnehmen/ daß unter
dem Hauffen ein Liebhaber waͤre. Florindo,
der bey einem guten Meiſter von Jugend
auff war informirt worden/ und im Lauten-
ſpiel wenig ſeines gleichen hatte/ bekandte
zwar/ daß er vor etlichen Jahren zwey oder
drey Stuͤckgen gelernet; doch ſchaͤmte er ſich
an einem ſolchen Orte ſich damit hervor zu
thun/ da er Meiſter vor ſich haͤtte. Der Lau-
teniſt praͤſentirte ihm alſo bald ſeine Laute/
und ſagte: Monſieur, ich mache profeſſion
von dieſem Inſtrument, ob ich nun gleich ge-
uͤbter darauff bin/ ſo iſt es doch keinem eine
Schande/ der ſeine profeſſion in anderen Sa-
chen ſucht. Jch bin der ſchlechten Stuͤck-
gen bey meinen Diſcipuln wohl gewohnt/ er
laſſe hoͤren/ ob er einen beſſern Meiſter ge-
habt hat dann ich erkenne es bald am erſten
Griffe/ was hinter einem iſt. Florindo dach-
te/ halt ich wil dir den erſten Griff weiſen/ daß
du des letzten darbey vergeſſen ſolſt/ und nahm
die Laute an. Aber was machte der Ertz-
kuͤnſtler vor groſſe Augen/ als er ſolche Haͤn-
del auff der Laute hoͤrete/ die er ſein Lebtage
nicht in der partitur geſehen hatte. Es gieng
ihm wie einem Calecutiſchen Hahn/ oder wie
man das zahme Wildpret auff hoch Teutſch

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[360/0366] ſehen/ und koͤnte leicht abnehmen/ daß unter dem Hauffen ein Liebhaber waͤre. Florindo, der bey einem guten Meiſter von Jugend auff war informirt worden/ und im Lauten- ſpiel wenig ſeines gleichen hatte/ bekandte zwar/ daß er vor etlichen Jahren zwey oder drey Stuͤckgen gelernet; doch ſchaͤmte er ſich an einem ſolchen Orte ſich damit hervor zu thun/ da er Meiſter vor ſich haͤtte. Der Lau- teniſt praͤſentirte ihm alſo bald ſeine Laute/ und ſagte: Monſieur, ich mache profeſſion von dieſem Inſtrument, ob ich nun gleich ge- uͤbter darauff bin/ ſo iſt es doch keinem eine Schande/ der ſeine profeſſion in anderen Sa- chen ſucht. Jch bin der ſchlechten Stuͤck- gen bey meinen Diſcipuln wohl gewohnt/ er laſſe hoͤren/ ob er einen beſſern Meiſter ge- habt hat dann ich erkenne es bald am erſten Griffe/ was hinter einem iſt. Florindo dach- te/ halt ich wil dir den erſten Griff weiſen/ daß du des letzten darbey vergeſſen ſolſt/ und nahm die Laute an. Aber was machte der Ertz- kuͤnſtler vor groſſe Augen/ als er ſolche Haͤn- del auff der Laute hoͤrete/ die er ſein Lebtage nicht in der partitur geſehen hatte. Es gieng ihm wie einem Calecutiſchen Hahn/ oder wie man das zahme Wildpret auff hoch Teutſch nen-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/366>, abgerufen am 19.04.2024.