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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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verzehre mich zu vor/ ehe ich solches erleben/
und mein süsses Kleinot einer andern Besitze-
rin überlassen solle/ doch mein Hertz/ ich traue
dir solche Falschheit nicht zu. Erkenne du
nur auß dieser Furcht meine Beständigkeit/
und wo du Lust hast mich bey dem Leben zu er-
halten/ so komm der Kranckheit zuvor/ welche
sich durch nichts wird erquicken lassen/ als
durch deine höchstverlangte Gegenwart. Und
diese wird mir das Glücke ertheilen/ daß ich
noch ferner heissen kan

Deine
lebendige und treuverbund.
Dienerin
Silvia.

Gelanor sagte zu Sigmunden, das Frau-
en-Zimmer hat das Ansehen/ als wenn sie ihre
Brieffe mehr auß Alamode-Büchern/ als auß
dem Hertzen schrieben. Rechte Liebe braucht
andere Reden/ welche mehr zu Hertzen gehen.
Und wer weiß/ wo sie einen Tröster hat/ der
diesen Brieff zu erst auffgesetzet. Sigmund
war nicht sonderlich darwider/ doch suchten
sie weiter/ und fanden seine Antwort/ die er ehi-
stes Tages fortschicken wolte/ und darinn er
sich bemühet hatte/ den Senecam, Tacitum,
Curtium
und andere zuverteutschen oder doch
zu imitiren.


Mein


verzehre mich zu vor/ ehe ich ſolches erleben/
und mein ſuͤſſes Kleinot einer andern Beſitze-
rin uͤberlaſſen ſolle/ doch mein Hertz/ ich traue
dir ſolche Falſchheit nicht zu. Erkenne du
nur auß dieſer Furcht meine Beſtaͤndigkeit/
und wo du Luſt haſt mich bey dem Leben zu er-
halten/ ſo komm der Kranckheit zuvor/ welche
ſich durch nichts wird erquicken laſſen/ als
durch deine hoͤchſtverlangte Gegenwart. Und
dieſe wird mir das Gluͤcke ertheilen/ daß ich
noch ferner heiſſen kan

Deine
lebendige und treuverbund.
Dienerin
Silvia.

Gelanor ſagte zu Sigmunden, das Frau-
en-Zimmer hat das Anſehen/ als wenn ſie ihre
Brieffe mehr auß Alamode-Buͤchern/ als auß
dem Hertzen ſchrieben. Rechte Liebe braucht
andere Reden/ welche mehr zu Hertzen gehen.
Und wer weiß/ wo ſie einen Troͤſter hat/ der
dieſen Brieff zu erſt auffgeſetzet. Sigmund
war nicht ſonderlich darwider/ doch ſuchten
ſie weiter/ und fanden ſeine Antwort/ die er ehi-
ſtes Tages fortſchicken wolte/ und darinn er
ſich bemuͤhet hatte/ den Senecam, Tacitum,
Curtium
und andere zuverteutſchen oder doch
zu imitiren.


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[378/0384] verzehre mich zu vor/ ehe ich ſolches erleben/ und mein ſuͤſſes Kleinot einer andern Beſitze- rin uͤberlaſſen ſolle/ doch mein Hertz/ ich traue dir ſolche Falſchheit nicht zu. Erkenne du nur auß dieſer Furcht meine Beſtaͤndigkeit/ und wo du Luſt haſt mich bey dem Leben zu er- halten/ ſo komm der Kranckheit zuvor/ welche ſich durch nichts wird erquicken laſſen/ als durch deine hoͤchſtverlangte Gegenwart. Und dieſe wird mir das Gluͤcke ertheilen/ daß ich noch ferner heiſſen kan Deine lebendige und treuverbund. Dienerin Silvia. Gelanor ſagte zu Sigmunden, das Frau- en-Zimmer hat das Anſehen/ als wenn ſie ihre Brieffe mehr auß Alamode-Buͤchern/ als auß dem Hertzen ſchrieben. Rechte Liebe braucht andere Reden/ welche mehr zu Hertzen gehen. Und wer weiß/ wo ſie einen Troͤſter hat/ der dieſen Brieff zu erſt auffgeſetzet. Sigmund war nicht ſonderlich darwider/ doch ſuchten ſie weiter/ und fanden ſeine Antwort/ die er ehi- ſtes Tages fortſchicken wolte/ und darinn er ſich bemuͤhet hatte/ den Senecam, Tacitum, Curtium und andere zuverteutſchen oder doch zu imitiren. Mein

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/384>, abgerufen am 25.04.2024.