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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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durch die Erfahrung nicht geübt sind/ können
sie es nicht besser wissen.

VIII. Die andere So[rte b]egeht die Thor-
heit auß geschwinden und übereileten Affe-
cten
. Wie ein zorniger Mensch auß unbe-
dachtsamer Begierde zur Rache/ darinn er
sich einige Süssigkeit einbildet/ den andern be-
leidiget: welches er nicht thäte/ wann er dem
Verstande Raum liesse/ und bedächte/ was er
selbst vor Straffe und Unglück darauff zu ge-
warten hätte.

IX. Die letzte Sorte erkennet das Gute
und das Böse gar wohl/ doch fält es wissent-
lich in die Thorheit/ daß ein kleines und schein-
bares Gut/ das gegenwärtig ist/ trotz allen
künfftigen und bevorstehenden Straffen und
Belohnungen/ dem warhafftigen und wesent-
lichen Gute vorgezogen wird. Und da ent-
schuldigt keine angemaßete Unwissenheit.
Sondern alle Thorheit wird wissentlich be-
gangen/ da man es hätte sollen und können
besser wissen.

X. Denn gleich wie ein Koch/ der Schla[n-]
gen vor Aal speiset/ sich mit der Unwissenheit
nicht entschuldigen kan. Weil er als [ei]n
Koch krafft seiner Profession diß hat wi[sse]n
sollen: Also hilfftes nicht/ wenn einer spre[che]n

wol/


durch die Erfahrung nicht geübt ſind/ koͤnnen
ſie es nicht beſſer wiſſen.

VIII. Die andere So[rte b]egeht die Thor-
heit auß geſchwinden und uͤbereileten Affe-
cten
. Wie ein zorniger Menſch auß unbe-
dachtſamer Begierde zur Rache/ darinn er
ſich einige Suͤſſigkeit einbildet/ den andern be-
leidiget: welches er nicht thaͤte/ wann er dem
Verſtande Raum lieſſe/ und bedaͤchte/ was er
ſelbſt vor Straffe und Ungluͤck darauff zu ge-
warten haͤtte.

IX. Die letzte Sorte erkennet das Gute
und das Boͤſe gar wohl/ doch faͤlt es wiſſent-
lich in die Thorheit/ daß ein kleines und ſchein-
bares Gut/ das gegenwaͤrtig iſt/ trotz allen
kuͤnfftigen und bevorſtehenden Straffen und
Belohnungen/ dem warhafftigen und weſent-
lichen Gute vorgezogen wird. Und da ent-
ſchuldigt keine angemaßete Unwiſſenheit.
Sondern alle Thorheit wird wiſſentlich be-
gangen/ da man es haͤtte ſollen und koͤnnen
beſſer wiſſen.

X. Denn gleich wie ein Koch/ der Schla[n-]
gen vor Aal ſpeiſet/ ſich mit der Unwiſſenheit
nicht entſchuldigen kan. Weil er als [ei]n
Koch krafft ſeiner Profeſſion diß hat wi[ſſe]n
ſollen: Alſo hilfftes nicht/ wenn einer ſpre[che]n

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[399/0405] durch die Erfahrung nicht geübt ſind/ koͤnnen ſie es nicht beſſer wiſſen. VIII. Die andere Sorte begeht die Thor- heit auß geſchwinden und uͤbereileten Affe- cten. Wie ein zorniger Menſch auß unbe- dachtſamer Begierde zur Rache/ darinn er ſich einige Suͤſſigkeit einbildet/ den andern be- leidiget: welches er nicht thaͤte/ wann er dem Verſtande Raum lieſſe/ und bedaͤchte/ was er ſelbſt vor Straffe und Ungluͤck darauff zu ge- warten haͤtte. IX. Die letzte Sorte erkennet das Gute und das Boͤſe gar wohl/ doch faͤlt es wiſſent- lich in die Thorheit/ daß ein kleines und ſchein- bares Gut/ das gegenwaͤrtig iſt/ trotz allen kuͤnfftigen und bevorſtehenden Straffen und Belohnungen/ dem warhafftigen und weſent- lichen Gute vorgezogen wird. Und da ent- ſchuldigt keine angemaßete Unwiſſenheit. Sondern alle Thorheit wird wiſſentlich be- gangen/ da man es haͤtte ſollen und koͤnnen beſſer wiſſen. X. Denn gleich wie ein Koch/ der Schlan- gen vor Aal ſpeiſet/ ſich mit der Unwiſſenheit nicht entſchuldigen kan. Weil er als ein Koch krafft ſeiner Profeſſion diß hat wiſſen ſollen: Alſo hilfftes nicht/ wenn einer ſprechen wol/

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/405>, abgerufen am 24.04.2024.