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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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Nun war es noch zu zeitlich zur Abendmahl-
zeit/ darum meynten Gelanor und Florindo
es würde am besten seyn/ daß sie durch einen
kleinen Spatziergang sich einen Appetit zum
Essen erweckten. Als sie aber an die Thüre
kamen/ sahen sie in dem Hause gegen über ei-
nen jungen Menschen/ der allen ümbständen
nach wolte vor einen Stutzer angesehen seyn/
er war etwas subtil und klein von Person/ doch
hatte er eine Parucke über sich hencken lassen/
die fast das gantze Gesichte bedeckte/ daß man
eine artige Comoedie vom Storchsneste
hätte spielen können. Uberdiß waren in den
Diebs-Haaren wohl ein Pfund Buder/ und
etliche Pfund Pomade verderbet worden/ und
auß solchem Gepüsche guckte das junge Geel-
schneblichen mit einem paar rothen Bäckgen
herfür/ als wenn er das Gesichte mit rothem
Leder oder mit Leschpappier gestrichen hätte.
Die Lippen bies er bald ein/ bald ließ er sie wie-
der auß/ nicht anders als wie die Schiffer/
wenn sie zu Hamburg das Bier außkosten.
Jn der Krause steckte ein schöner Ring/ der
mit seinen hertzbrechenden Stralen die Venus
selbst überwunden hätte/ wenn nicht ein bund
Band im Wege gestanden. Auf den Er-
meln/ absonderlich auf den Lincken/ der von

Her-


Nun war es noch zu zeitlich zur Abendmahl-
zeit/ darum meynten Gelanor und Florindo
es wuͤrde am beſten ſeyn/ daß ſie durch einen
kleinen Spatziergang ſich einen Appetit zum
Eſſen erweckten. Als ſie aber an die Thuͤre
kamen/ ſahen ſie in dem Hauſe gegen uͤber ei-
nen jungen Menſchen/ der allen uͤmbſtaͤnden
nach wolte vor einen Stutzer angeſehen ſeyn/
er war etwas ſubtil und klein von Perſon/ doch
hatte er eine Parucke uͤber ſich hencken laſſen/
die faſt das gantze Geſichte bedeckte/ daß man
eine artige Comœdie vom Storchsneſte
haͤtte ſpielen koͤnnen. Uberdiß waren in den
Diebs-Haaren wohl ein Pfund Buder/ und
etliche Pfund Pomade verderbet worden/ und
auß ſolchem Gepuͤſche guckte das junge Geel-
ſchneblichen mit einem paar rothen Baͤckgen
herfuͤr/ als wenn er das Geſichte mit rothem
Leder oder mit Leſchpappier geſtrichen haͤtte.
Die Lippen bies er bald ein/ bald ließ er ſie wie-
der auß/ nicht anders als wie die Schiffer/
wenn ſie zu Hamburg das Bier außkoſten.
Jn der Krauſe ſteckte ein ſchoͤner Ring/ der
mit ſeinen hertzbrechenden Stralen die Venus
ſelbſt uͤberwunden haͤtte/ wenn nicht ein bund
Band im Wege geſtanden. Auf den Er-
meln/ abſonderlich auf den Lincken/ der von

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[54/0060] Nun war es noch zu zeitlich zur Abendmahl- zeit/ darum meynten Gelanor und Florindo es wuͤrde am beſten ſeyn/ daß ſie durch einen kleinen Spatziergang ſich einen Appetit zum Eſſen erweckten. Als ſie aber an die Thuͤre kamen/ ſahen ſie in dem Hauſe gegen uͤber ei- nen jungen Menſchen/ der allen uͤmbſtaͤnden nach wolte vor einen Stutzer angeſehen ſeyn/ er war etwas ſubtil und klein von Perſon/ doch hatte er eine Parucke uͤber ſich hencken laſſen/ die faſt das gantze Geſichte bedeckte/ daß man eine artige Comœdie vom Storchsneſte haͤtte ſpielen koͤnnen. Uberdiß waren in den Diebs-Haaren wohl ein Pfund Buder/ und etliche Pfund Pomade verderbet worden/ und auß ſolchem Gepuͤſche guckte das junge Geel- ſchneblichen mit einem paar rothen Baͤckgen herfuͤr/ als wenn er das Geſichte mit rothem Leder oder mit Leſchpappier geſtrichen haͤtte. Die Lippen bies er bald ein/ bald ließ er ſie wie- der auß/ nicht anders als wie die Schiffer/ wenn ſie zu Hamburg das Bier außkoſten. Jn der Krauſe ſteckte ein ſchoͤner Ring/ der mit ſeinen hertzbrechenden Stralen die Venus ſelbſt uͤberwunden haͤtte/ wenn nicht ein bund Band im Wege geſtanden. Auf den Er- meln/ abſonderlich auf den Lincken/ der von Her-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/60>, abgerufen am 28.03.2024.