Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


dien/ zwey geschriebenen Büchern voller Lie-
der und Palquille: Mehr durffte mir kein
Mensch abfordern. Jch hatte Anschläge
ansehnliche Hoffmeistereien anzutreten/ aber
zu meinem Unglück traffe ich lauter solche Leu-
te/ die ihre Söhne deßwegen in die Welt
schickten/ daß sie solten klüger werden/ und al-
so musten sie sich an meiner Person ärgern:
Jch aber muste meinen Stab weiter setzen.
Was ich nun vor Mühseligkeit/ Noth und
Verachtung außgestanden/ werde ich die Zeit
meines Lebens nicht erzehlen. Doch war Got-
tes Gnade so groß/ daß endlich Friede ward.
So habe ich meine Feld-Güter nach vermö-
gen angerichtet/ bringe mein Leben kümmerlich
hin/ wüste auch diese Stunde meinen Leiden
keinen Rath/ wenn nicht mein Bruder vor 6.
Jahren gestorben/ und mir etlich hundert
Gülden Erbschafft verlassen hätte. Ach wer
dreißig Jahr zurücke hätte/ ach bin ich nicht
ein Narr gewesen; Ach was vor ein gediege-
ner Mann könte ich ietzund seyn/ ach wie habe
ich mir selbst im Liechte gestanden.

Hierauff fing der ander seine Klaglieder an.
Ach sagte er/das ist noch eine schlechte Thor-
heit/ ich bin erst ein Narr gewesen. Mein
Vater war ein wolhabender Kauffmann/ und

hätte


dien/ zwey geſchriebenen Buͤchern voller Lie-
der und Palquille: Mehr durffte mir kein
Menſch abfordern. Jch hatte Anſchlaͤge
anſehnliche Hoffmeiſtereien anzutreten/ aber
zu meinem Ungluͤck traffe ich lauter ſolche Leu-
te/ die ihre Soͤhne deßwegen in die Welt
ſchickten/ daß ſie ſolten kluͤger werden/ und al-
ſo muſten ſie ſich an meiner Perſon aͤrgern:
Jch aber muſte meinen Stab weiter ſetzen.
Was ich nun vor Muͤhſeligkeit/ Noth und
Verachtung außgeſtanden/ werde ich die Zeit
meines Lebens nicht erzehlen. Doch war Got-
tes Gnade ſo groß/ daß endlich Friede ward.
So habe ich meine Feld-Guͤter nach vermoͤ-
gen angerichtet/ bringe mein Leben kuͤmmeꝛlich
hin/ wuͤſte auch dieſe Stunde meinen Leiden
keinen Rath/ wenn nicht mein Bruder vor 6.
Jahren geſtorben/ und mir etlich hundert
Guͤlden Erbſchafft verlaſſen haͤtte. Ach wer
dreißig Jahr zuruͤcke haͤtte/ ach bin ich nicht
ein Narr geweſen; Ach was vor ein gediege-
ner Mann koͤnte ich ietzund ſeyn/ ach wie habe
ich mir ſelbſt im Liechte geſtanden.

Hierauff fing der ander ſeine Klaglieder an.
Ach ſagte er/das iſt noch eine ſchlechte Thor-
heit/ ich bin erſt ein Narr geweſen. Mein
Vater war ein wolhabender Kauffmann/ und

haͤtte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="67"/><lb/>
dien/ zwey ge&#x017F;chriebenen Bu&#x0364;chern voller Lie-<lb/>
der und <hi rendition="#aq">Palquille:</hi> Mehr durffte mir kein<lb/>
Men&#x017F;ch abfordern. Jch hatte An&#x017F;chla&#x0364;ge<lb/>
an&#x017F;ehnliche Hoffmei&#x017F;tereien anzutreten/ aber<lb/>
zu meinem Unglu&#x0364;ck traffe ich lauter &#x017F;olche Leu-<lb/>
te/ die ihre So&#x0364;hne deßwegen in die Welt<lb/>
&#x017F;chickten/ daß &#x017F;ie &#x017F;olten klu&#x0364;ger werden/ und al-<lb/>
&#x017F;o mu&#x017F;ten &#x017F;ie &#x017F;ich an meiner Per&#x017F;on a&#x0364;rgern:<lb/>
Jch aber mu&#x017F;te meinen Stab weiter &#x017F;etzen.<lb/>
Was ich nun vor Mu&#x0364;h&#x017F;eligkeit/ Noth und<lb/>
Verachtung außge&#x017F;tanden/ werde ich die Zeit<lb/>
meines Lebens nicht erzehlen. Doch war Got-<lb/>
tes Gnade &#x017F;o groß/ daß endlich Friede ward.<lb/>
So habe ich meine <hi rendition="#fr">F</hi>eld-Gu&#x0364;ter nach vermo&#x0364;-<lb/>
gen angerichtet/ bringe mein Leben ku&#x0364;mme&#xA75B;lich<lb/>
hin/ wu&#x0364;&#x017F;te auch die&#x017F;e Stunde meinen Leiden<lb/>
keinen Rath/ wenn nicht mein Bruder vor 6.<lb/>
Jahren ge&#x017F;torben/ und mir etlich hundert<lb/>
Gu&#x0364;lden Erb&#x017F;chafft verla&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte. Ach wer<lb/>
dreißig Jahr zuru&#x0364;cke ha&#x0364;tte/ ach bin ich nicht<lb/>
ein Narr gewe&#x017F;en; Ach was vor ein gediege-<lb/>
ner Mann ko&#x0364;nte ich ietzund &#x017F;eyn/ ach wie habe<lb/>
ich mir &#x017F;elb&#x017F;t im Liechte ge&#x017F;tanden.</p><lb/>
        <p>Hierauff fing der ander &#x017F;eine Klaglieder an.<lb/>
Ach &#x017F;agte er/das i&#x017F;t noch eine &#x017F;chlechte Thor-<lb/>
heit/ ich bin er&#x017F;t ein Narr gewe&#x017F;en. Mein<lb/>
Vater war ein wolhabender Kauffmann/ und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ha&#x0364;tte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0073] dien/ zwey geſchriebenen Buͤchern voller Lie- der und Palquille: Mehr durffte mir kein Menſch abfordern. Jch hatte Anſchlaͤge anſehnliche Hoffmeiſtereien anzutreten/ aber zu meinem Ungluͤck traffe ich lauter ſolche Leu- te/ die ihre Soͤhne deßwegen in die Welt ſchickten/ daß ſie ſolten kluͤger werden/ und al- ſo muſten ſie ſich an meiner Perſon aͤrgern: Jch aber muſte meinen Stab weiter ſetzen. Was ich nun vor Muͤhſeligkeit/ Noth und Verachtung außgeſtanden/ werde ich die Zeit meines Lebens nicht erzehlen. Doch war Got- tes Gnade ſo groß/ daß endlich Friede ward. So habe ich meine Feld-Guͤter nach vermoͤ- gen angerichtet/ bringe mein Leben kuͤmmeꝛlich hin/ wuͤſte auch dieſe Stunde meinen Leiden keinen Rath/ wenn nicht mein Bruder vor 6. Jahren geſtorben/ und mir etlich hundert Guͤlden Erbſchafft verlaſſen haͤtte. Ach wer dreißig Jahr zuruͤcke haͤtte/ ach bin ich nicht ein Narr geweſen; Ach was vor ein gediege- ner Mann koͤnte ich ietzund ſeyn/ ach wie habe ich mir ſelbſt im Liechte geſtanden. Hierauff fing der ander ſeine Klaglieder an. Ach ſagte er/das iſt noch eine ſchlechte Thor- heit/ ich bin erſt ein Narr geweſen. Mein Vater war ein wolhabender Kauffmann/ und haͤtte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/73
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/73>, abgerufen am 19.04.2024.