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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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eine Stunde arbeiten dörffen. Gewiß ich
wunderte mich von Hertzen/ daß so wenig Leu-
te waren/ welche Müßiggannger brauchten.
Zwar ich begunt es allmehlig nanher zu geben.
Und wie die liebe Noth gar zu groß ward/ ließ
ich mich bey einem von Adel in Dienste ein.
Er sagte zwar/ ich solte sein Secretarius heissen/
aber wann ich vom Pferde fiel/ so stund ein
Schreiber und Tafeldecker wieder auf/ da
ward mir wieder eingeschenckt/ was ich an
meinem Vater verschuldet hatte. Die Frau
schickte mich bald da bald dorthin/ die Kinder
begossen mich mit Wasser/ das Gesinde setzte
mir Eselsohren auf/ kurtz von der Sache zu
reden/ ich war der Narr von Hauß. Es that
mir zwar unerhört bange: Aber was solt ich
thun/ ich wuste nirgend hin/ ohne Unterhalt
konte ich nicht leben/ also hieß es mit mir lieber
ein Narr/ als Hungers gestorben. Doch daß
ich auf meine rechte Thorheit komme/ so hatte
der von Adel 2. Pfarrs-Töchter bey sich/ de-
rer Eltern gestorben waren. Eine zwar ziem-
lich bey Jahren/ zum wenigsten auf einer Sei-
te 18. biß 19. Jahr/ und allem Ansehen nach/
mochte sie wohlwissen/ was für ein Unter-
scheid zwischen einem gemeinen und einem E-
delmann wanre. Die andere war kaum 16.

Jahr


eine Stunde arbeiten doͤrffen. Gewiß ich
wunderte mich von Hertzen/ daß ſo wenig Leu-
te waren/ welche Muͤßiggānger brauchten.
Zwar ich begunt es allmehlig nãher zu geben.
Und wie die liebe Noth gar zu groß ward/ ließ
ich mich bey einem von Adel in Dienſte ein.
Er ſagte zwar/ ich ſolte ſein Secretarius heiſſen/
aber wann ich vom Pferde fiel/ ſo ſtund ein
Schreiber und Tafeldecker wieder auf/ da
ward mir wieder eingeſchenckt/ was ich an
meinem Vater verſchuldet hatte. Die Frau
ſchickte mich bald da bald dorthin/ die Kinder
begoſſen mich mit Waſſer/ das Geſinde ſetzte
mir Eſelsohren auf/ kurtz von der Sache zu
reden/ ich war der Narr von Hauß. Es that
mir zwar unerhoͤrt bange: Aber was ſolt ich
thun/ ich wuſte nirgend hin/ ohne Unterhalt
konte ich nicht leben/ alſo hieß es mit mir lieber
ein Narr/ als Hungers geſtorben. Doch daß
ich auf meine rechte Thorheit komme/ ſo hatte
der von Adel 2. Pfarrs-Toͤchter bey ſich/ de-
rer Eltern geſtorben waren. Eine zwar ziem-
lich bey Jahren/ zum wenigſten auf einer Sei-
te 18. biß 19. Jahr/ und allem Anſehen nach/
mochte ſie wohlwiſſen/ was fuͤr ein Unter-
ſcheid zwiſchen einem gemeinen und einem E-
delmann wãre. Die andere war kaum 16.

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[78/0084] eine Stunde arbeiten doͤrffen. Gewiß ich wunderte mich von Hertzen/ daß ſo wenig Leu- te waren/ welche Muͤßiggānger brauchten. Zwar ich begunt es allmehlig nãher zu geben. Und wie die liebe Noth gar zu groß ward/ ließ ich mich bey einem von Adel in Dienſte ein. Er ſagte zwar/ ich ſolte ſein Secretarius heiſſen/ aber wann ich vom Pferde fiel/ ſo ſtund ein Schreiber und Tafeldecker wieder auf/ da ward mir wieder eingeſchenckt/ was ich an meinem Vater verſchuldet hatte. Die Frau ſchickte mich bald da bald dorthin/ die Kinder begoſſen mich mit Waſſer/ das Geſinde ſetzte mir Eſelsohren auf/ kurtz von der Sache zu reden/ ich war der Narr von Hauß. Es that mir zwar unerhoͤrt bange: Aber was ſolt ich thun/ ich wuſte nirgend hin/ ohne Unterhalt konte ich nicht leben/ alſo hieß es mit mir lieber ein Narr/ als Hungers geſtorben. Doch daß ich auf meine rechte Thorheit komme/ ſo hatte der von Adel 2. Pfarrs-Toͤchter bey ſich/ de- rer Eltern geſtorben waren. Eine zwar ziem- lich bey Jahren/ zum wenigſten auf einer Sei- te 18. biß 19. Jahr/ und allem Anſehen nach/ mochte ſie wohlwiſſen/ was fuͤr ein Unter- ſcheid zwiſchen einem gemeinen und einem E- delmann wãre. Die andere war kaum 16. Jahr

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/84>, abgerufen am 28.03.2024.