Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

weil sie noch nichts mit reiffen Judi-
cio schreiben kan/ so wird auch die
Parade mit der curieusen pronun-
ciation noch etwas schlecht gemacht
werden.

LXXII.

Jch halte zwar diesen
Unterscheid in den Wochentlichen
Privat exercitiis, wenn die Meini-
gen entweder bey Gelegenheit der
Disputation Lateinisch/ oder in
Complimenten und politischen Re-
den deutsch reden müssen/ so mögen
sie mit ihrer eigenen elaboration zu
frieden seyn. Denn wer sich nie-
mals an seine Concepte binden ler-
net/ und keinen Anfang zur practi-
cablen extemporalität macht/ der
kan sich leicht verderben/ daß er die
Zeit seines Lebens ein Sclave von
dem Concepte bleiben muß. Und
gleich wie der Stylus bey wachsen-
dem judicio nach und nach gebessert
wird/ also findet sich der Verstand

in

weil ſie noch nichts mit reiffen Judi-
cio ſchreiben kan/ ſo wird auch die
Parade mit der curieuſen pronun-
ciation noch etwas ſchlecht gemacht
werden.

LXXII.

Jch halte zwar dieſen
Unterſcheid in den Wochentlichen
Privat exercitiis, wenn die Meini-
gen entweder bey Gelegenheit der
Diſputation Lateiniſch/ oder in
Complimenten und politiſchen Re-
den deutſch reden muͤſſen/ ſo moͤgen
ſie mit ihrer eigenen elaboration zu
frieden ſeyn. Denn wer ſich nie-
mals an ſeine Concepte binden ler-
net/ und keinen Anfang zur practi-
cablen extemporalitaͤt macht/ der
kan ſich leicht verderben/ daß er die
Zeit ſeines Lebens ein Sclave von
dem Concepte bleiben muß. Und
gleich wie der Stylus bey wachſen-
dem judicio nach und nach gebeſſert
wird/ alſo findet ſich der Verſtand

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071"/>
weil &#x017F;ie noch nichts mit reiffen <hi rendition="#aq">Judi-<lb/>
cio</hi> &#x017F;chreiben kan/ &#x017F;o wird auch die<lb/><hi rendition="#aq">Parade</hi> mit der <hi rendition="#aq">curieu</hi>&#x017F;en <hi rendition="#aq">pronun-<lb/>
ciation</hi> noch etwas &#x017F;chlecht gemacht<lb/>
werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">LXXII.</hi> </head>
          <p>Jch halte zwar die&#x017F;en<lb/>
Unter&#x017F;cheid in den Wochentlichen<lb/><hi rendition="#aq">Privat exercitiis,</hi> wenn die Meini-<lb/>
gen entweder bey Gelegenheit der<lb/><hi rendition="#aq">Di&#x017F;putation</hi> Lateini&#x017F;ch/ oder in<lb/>
Complimenten und politi&#x017F;chen Re-<lb/>
den deut&#x017F;ch reden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o mo&#x0364;gen<lb/>
&#x017F;ie mit ihrer eigenen <hi rendition="#aq">elaboration</hi> zu<lb/>
frieden &#x017F;eyn. Denn wer &#x017F;ich nie-<lb/>
mals an &#x017F;eine Concepte binden ler-<lb/>
net/ und keinen Anfang zur <hi rendition="#aq">practi-<lb/>
cabl</hi>en <hi rendition="#aq">extemporali</hi>ta&#x0364;t macht/ der<lb/>
kan &#x017F;ich leicht verderben/ daß er die<lb/>
Zeit &#x017F;eines Lebens ein Sclave von<lb/>
dem Concepte bleiben muß. Und<lb/>
gleich wie der <hi rendition="#aq">Stylus</hi> bey wach&#x017F;en-<lb/>
dem <hi rendition="#aq">judicio</hi> nach und nach gebe&#x017F;&#x017F;ert<lb/>
wird/ al&#x017F;o findet &#x017F;ich der Ver&#x017F;tand<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0071] weil ſie noch nichts mit reiffen Judi- cio ſchreiben kan/ ſo wird auch die Parade mit der curieuſen pronun- ciation noch etwas ſchlecht gemacht werden. LXXII. Jch halte zwar dieſen Unterſcheid in den Wochentlichen Privat exercitiis, wenn die Meini- gen entweder bey Gelegenheit der Diſputation Lateiniſch/ oder in Complimenten und politiſchen Re- den deutſch reden muͤſſen/ ſo moͤgen ſie mit ihrer eigenen elaboration zu frieden ſeyn. Denn wer ſich nie- mals an ſeine Concepte binden ler- net/ und keinen Anfang zur practi- cablen extemporalitaͤt macht/ der kan ſich leicht verderben/ daß er die Zeit ſeines Lebens ein Sclave von dem Concepte bleiben muß. Und gleich wie der Stylus bey wachſen- dem judicio nach und nach gebeſſert wird/ alſo findet ſich der Verſtand in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/71
Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/71>, abgerufen am 25.04.2024.