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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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mehrung einer primären Determinante in zwei oder mehrere
neue, ist so gut möglich, als bei der gewöhnlichen Art-Um-
wandlung. Das plötzliche Hervortreten solcher abgeänderter
Determinantengruppen beruht dann auf dem Zufall ungleicher
Kerntheilung. Solche Fälle beweisen die langsame Vorbereitung
der Abänderung, da eine plötzliche Abänderung einer ganzen
Determinantengruppe sowohl der Ursache, als dem Vorgange
selbst nach undenkbar scheint.

Die Grösse der sprungweisen Abänderung wird von dem
Umfang der von abnormaler Ernährung dauernd betroffenen
Determinantengruppen abhängen, ihre Qualität in irgend eine
causale Beziehung zu bestimmten Abänderungs-Einflüssen bringen
zu wollen, wäre heute wohl um Vieles verfrüht. Man wird nur
sagen können, dass in dem so ungemein complicirten Bau des
Keimplasma's auch bestimmte Wege für die Zufuhr der er-
nährenden Flüssigkeit vorgesehen sein werden, durch deren Er-
weiterung oder Verengerung ganz lokale Ernährungsdifferenzen
entstehen müssen, und dass andererseits die Lebens-Einheiten
des Keimplasna's durch geringe Änderungen ihres Baues die
Eigenschaften der Körperstelle, der sie entsprechen, in irgend
einer, für jetzt freilich noch ganz unberechenbaren Weise ver-
ändern müssen. Im Genaueren Rechenschaft darüber zu geben,
durch welche Änderungen der Determinantengruppe der Beine
es möglich war, dass seiner Zeit plötzlich ein krummbeiniges
"Otternschaf" geboren wurde, oder durch welche Abänderung
gewisser Determinanten der Blattanlage die geschlitzten Blätter
der schlitzblättrigen Birke auftraten, ist für jetzt nicht möglich.

b. Ihre Vererbung.

Die Erblichkeit der Spiel-Abänderungen der Pflanzen
war bisher ein recht dunkler Punkt. Samen-Variationen lassen
sich oft durch Samen fortpflanzen, manchmal aber auch nicht,

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neue, ist so gut möglich, als bei der gewöhnlichen Art-Um-
wandlung. Das plötzliche Hervortreten solcher abgeänderter
Determinantengruppen beruht dann auf dem Zufall ungleicher
Kerntheilung. Solche Fälle beweisen die langsame Vorbereitung
der Abänderung, da eine plötzliche Abänderung einer ganzen
Determinantengruppe sowohl der Ursache, als dem Vorgange
selbst nach undenkbar scheint.

Die Grösse der sprungweisen Abänderung wird von dem
Umfang der von abnormaler Ernährung dauernd betroffenen
Determinantengruppen abhängen, ihre Qualität in irgend eine
causale Beziehung zu bestimmten Abänderungs-Einflüssen bringen
zu wollen, wäre heute wohl um Vieles verfrüht. Man wird nur
sagen können, dass in dem so ungemein complicirten Bau des
Keimplasma’s auch bestimmte Wege für die Zufuhr der er-
nährenden Flüssigkeit vorgesehen sein werden, durch deren Er-
weiterung oder Verengerung ganz lokale Ernährungsdifferenzen
entstehen müssen, und dass andererseits die Lebens-Einheiten
des Keimplasna’s durch geringe Änderungen ihres Baues die
Eigenschaften der Körperstelle, der sie entsprechen, in irgend
einer, für jetzt freilich noch ganz unberechenbaren Weise ver-
ändern müssen. Im Genaueren Rechenschaft darüber zu geben,
durch welche Änderungen der Determinantengruppe der Beine
es möglich war, dass seiner Zeit plötzlich ein krummbeiniges
„Otternschaf“ geboren wurde, oder durch welche Abänderung
gewisser Determinanten der Blattanlage die geschlitzten Blätter
der schlitzblättrigen Birke auftraten, ist für jetzt nicht möglich.

b. Ihre Vererbung.

Die Erblichkeit der Spiel-Abänderungen der Pflanzen
war bisher ein recht dunkler Punkt. Samen-Variationen lassen
sich oft durch Samen fortpflanzen, manchmal aber auch nicht,

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[583/0607] mehrung einer primären Determinante in zwei oder mehrere neue, ist so gut möglich, als bei der gewöhnlichen Art-Um- wandlung. Das plötzliche Hervortreten solcher abgeänderter Determinantengruppen beruht dann auf dem Zufall ungleicher Kerntheilung. Solche Fälle beweisen die langsame Vorbereitung der Abänderung, da eine plötzliche Abänderung einer ganzen Determinantengruppe sowohl der Ursache, als dem Vorgange selbst nach undenkbar scheint. Die Grösse der sprungweisen Abänderung wird von dem Umfang der von abnormaler Ernährung dauernd betroffenen Determinantengruppen abhängen, ihre Qualität in irgend eine causale Beziehung zu bestimmten Abänderungs-Einflüssen bringen zu wollen, wäre heute wohl um Vieles verfrüht. Man wird nur sagen können, dass in dem so ungemein complicirten Bau des Keimplasma’s auch bestimmte Wege für die Zufuhr der er- nährenden Flüssigkeit vorgesehen sein werden, durch deren Er- weiterung oder Verengerung ganz lokale Ernährungsdifferenzen entstehen müssen, und dass andererseits die Lebens-Einheiten des Keimplasna’s durch geringe Änderungen ihres Baues die Eigenschaften der Körperstelle, der sie entsprechen, in irgend einer, für jetzt freilich noch ganz unberechenbaren Weise ver- ändern müssen. Im Genaueren Rechenschaft darüber zu geben, durch welche Änderungen der Determinantengruppe der Beine es möglich war, dass seiner Zeit plötzlich ein krummbeiniges „Otternschaf“ geboren wurde, oder durch welche Abänderung gewisser Determinanten der Blattanlage die geschlitzten Blätter der schlitzblättrigen Birke auftraten, ist für jetzt nicht möglich. b. Ihre Vererbung. Die Erblichkeit der Spiel-Abänderungen der Pflanzen war bisher ein recht dunkler Punkt. Samen-Variationen lassen sich oft durch Samen fortpflanzen, manchmal aber auch nicht,

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/607>, abgerufen am 23.04.2024.