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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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oder Idanten zusammensetzen. Jedes Id des Keimplasma's
ist aus Tausenden oder Hunderttausenden von Determinanten
erbaut, Lebenseinheiten zweiter Stufe, die sich dann wieder aus
den eigentlichen Lebensträgern, den Biophoren zusammen-
setzen, den kleinsten Lebenseinheiten. Die Biophoren sind ver-
schiedener Art und jede Art entspricht bestimmten Theilen
einer Zelle; sie sind also "Eigenschaftsträger" von Zellen. In
verschiedener aber fest bestimmter Zahl und Mischung setzen
sie die Determinanten zusammen, deren jede die Anlage einer
bestimmten Zelle, oder einer kleineren, grösseren oder selbst
sehr grossen Zellengruppe (Blutzellen) ist.

Diese Determinanten bestimmen die Zelle dadurch, dass sie
sich in ihre Biophoren auflösen, welche nun durch Poren der
Kernmembran in den Zellkörper auswandern und dort sich
vermehren und nach in ihnen enthaltenen Kräften sich ordnen
und die histologische Structur der Zelle bestimmen. Sie thun
dies aber erst nach Ablauf einer gewissen fest normirten Ent-
wickelungsdauer, während deren sie in die Zelle gelangt sind,
die sie zu determiniren haben.

Dass jede Determinante an den ihr bestimmten Platz im
Körper gelangt, beruht darauf, dass jede von ihnen schon im
Keimplasma-Id ihren bestimmten Platz einnimmt, dass dieses
also eine ererbte und fest bestimmte Architektur besitzt. Die
Ontogenese beruht auf einem allmählichen Zerlegungs-Process
des Keimplasma-Id's, welches sich bei jeder oder doch sehr vielen
Zell- und Kerntheilungen der Entwickelung in immer kleinere
Gruppen von Determinanten spaltet, so dass an Stelle einer
Million verschiedener Determinanten, die etwa das Keimplasma-
Id zusammensetzen möge, auf der folgenden ontogenetischen
Stufe jede Tochterzelle deren nur noch eine halbe Million, jede
der darauf folgenden Stufe nur eine viertel Million u. s. w. ent-
hielte. Zuletzt bleibt in jeder Zelle nur noch eine Art von

oder Idanten zusammensetzen. Jedes Id des Keimplasma’s
ist aus Tausenden oder Hunderttausenden von Determinanten
erbaut, Lebenseinheiten zweiter Stufe, die sich dann wieder aus
den eigentlichen Lebensträgern, den Biophoren zusammen-
setzen, den kleinsten Lebenseinheiten. Die Biophoren sind ver-
schiedener Art und jede Art entspricht bestimmten Theilen
einer Zelle; sie sind also „Eigenschaftsträger“ von Zellen. In
verschiedener aber fest bestimmter Zahl und Mischung setzen
sie die Determinanten zusammen, deren jede die Anlage einer
bestimmten Zelle, oder einer kleineren, grösseren oder selbst
sehr grossen Zellengruppe (Blutzellen) ist.

Diese Determinanten bestimmen die Zelle dadurch, dass sie
sich in ihre Biophoren auflösen, welche nun durch Poren der
Kernmembran in den Zellkörper auswandern und dort sich
vermehren und nach in ihnen enthaltenen Kräften sich ordnen
und die histologische Structur der Zelle bestimmen. Sie thun
dies aber erst nach Ablauf einer gewissen fest normirten Ent-
wickelungsdauer, während deren sie in die Zelle gelangt sind,
die sie zu determiniren haben.

Dass jede Determinante an den ihr bestimmten Platz im
Körper gelangt, beruht darauf, dass jede von ihnen schon im
Keimplasma-Id ihren bestimmten Platz einnimmt, dass dieses
also eine ererbte und fest bestimmte Architektur besitzt. Die
Ontogenese beruht auf einem allmählichen Zerlegungs-Process
des Keimplasma-Id’s, welches sich bei jeder oder doch sehr vielen
Zell- und Kerntheilungen der Entwickelung in immer kleinere
Gruppen von Determinanten spaltet, so dass an Stelle einer
Million verschiedener Determinanten, die etwa das Keimplasma-
Id zusammensetzen möge, auf der folgenden ontogenetischen
Stufe jede Tochterzelle deren nur noch eine halbe Million, jede
der darauf folgenden Stufe nur eine viertel Million u. s. w. ent-
hielte. Zuletzt bleibt in jeder Zelle nur noch eine Art von

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[102/0126] oder Idanten zusammensetzen. Jedes Id des Keimplasma’s ist aus Tausenden oder Hunderttausenden von Determinanten erbaut, Lebenseinheiten zweiter Stufe, die sich dann wieder aus den eigentlichen Lebensträgern, den Biophoren zusammen- setzen, den kleinsten Lebenseinheiten. Die Biophoren sind ver- schiedener Art und jede Art entspricht bestimmten Theilen einer Zelle; sie sind also „Eigenschaftsträger“ von Zellen. In verschiedener aber fest bestimmter Zahl und Mischung setzen sie die Determinanten zusammen, deren jede die Anlage einer bestimmten Zelle, oder einer kleineren, grösseren oder selbst sehr grossen Zellengruppe (Blutzellen) ist. Diese Determinanten bestimmen die Zelle dadurch, dass sie sich in ihre Biophoren auflösen, welche nun durch Poren der Kernmembran in den Zellkörper auswandern und dort sich vermehren und nach in ihnen enthaltenen Kräften sich ordnen und die histologische Structur der Zelle bestimmen. Sie thun dies aber erst nach Ablauf einer gewissen fest normirten Ent- wickelungsdauer, während deren sie in die Zelle gelangt sind, die sie zu determiniren haben. Dass jede Determinante an den ihr bestimmten Platz im Körper gelangt, beruht darauf, dass jede von ihnen schon im Keimplasma-Id ihren bestimmten Platz einnimmt, dass dieses also eine ererbte und fest bestimmte Architektur besitzt. Die Ontogenese beruht auf einem allmählichen Zerlegungs-Process des Keimplasma-Id’s, welches sich bei jeder oder doch sehr vielen Zell- und Kerntheilungen der Entwickelung in immer kleinere Gruppen von Determinanten spaltet, so dass an Stelle einer Million verschiedener Determinanten, die etwa das Keimplasma- Id zusammensetzen möge, auf der folgenden ontogenetischen Stufe jede Tochterzelle deren nur noch eine halbe Million, jede der darauf folgenden Stufe nur eine viertel Million u. s. w. ent- hielte. Zuletzt bleibt in jeder Zelle nur noch eine Art von

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/126>, abgerufen am 19.04.2024.