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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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dort die Muskeln, die Geschlechtsorgane und in gewissen Gruppen
auch einen äussern (serösen) Zellbelag des Darmrohrs, in noch
andern Gruppen auch eine subcutane Zellschicht zu bilden. So
ergaben wenigstens die neuesten, ohne Zweifel sehr genauen
und zuverlässigen Untersuchungen von Seeliger.1) Unsicher
kann an ihnen nur der eine Punkt erscheinen, ob nicht viel-
leicht doch die Geschlechtsorgane auch aus jener ersten Wuche-
rung der Hautzellen hervorgehen.

Diese Knospungs-Vorgänge fassen unsere allzu schematisch
ausgearbeiteten Schulbegriffe von den Keimblättern etwas un-
sanft an, insofern hier die specifischen Organe des innern Keim-
blattes, der Darm, vom äussern Keimblatt, der Haut geliefert
wird. Vom Standpunkt der Keimplasmalehre verursacht dies
keine Schwierigkeit; man bedarf nur der Annahme, dass ge-
wissen Zellen der Haut die Determinantengruppe des Entoderms
als Neben-Idioplasma beigegeben ist. Diese Beigabe muss zu
einer frühen Zeit der Embryogenese erfolgen, ehe noch die
Trennung der Ur-Entodermzellen von denen des Ektoderms vor
sich geht.

Nitsche glaubte in seinen werthvollen, aber noch mit
weniger vollkommenen Mitteln ausgeführten Untersuchungen die
ganze Knospe auf eine Wucherung der Haut (des Ektoderms)
zurückführen zu können, und wenn seine Angabe sich bestätigt
hätte, so würde die idioplasmatische Erklärung der Bryozoen-
Knospung ebenso einfach sein, wie die der Hydroiden-Knospung,
man hätte dann nur nöthig, jener Ektodermzelle "Knospen-
Idioplasma" als "Neben-Idioplasma" zuzuerkennen. Allein See-
liger
konnte diese Angabe nicht bestätigen und auch die

1) O. Seeliger, "Die ungeschlechtliche Vermehrung der endoprocten
Bryozoen" und "Bemerkungen zur Knospenentwickelung der Bryozoen",
in Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 49 u. 50 (1889 u. 1890).

dort die Muskeln, die Geschlechtsorgane und in gewissen Gruppen
auch einen äussern (serösen) Zellbelag des Darmrohrs, in noch
andern Gruppen auch eine subcutane Zellschicht zu bilden. So
ergaben wenigstens die neuesten, ohne Zweifel sehr genauen
und zuverlässigen Untersuchungen von Seeliger.1) Unsicher
kann an ihnen nur der eine Punkt erscheinen, ob nicht viel-
leicht doch die Geschlechtsorgane auch aus jener ersten Wuche-
rung der Hautzellen hervorgehen.

Diese Knospungs-Vorgänge fassen unsere allzu schematisch
ausgearbeiteten Schulbegriffe von den Keimblättern etwas un-
sanft an, insofern hier die specifischen Organe des innern Keim-
blattes, der Darm, vom äussern Keimblatt, der Haut geliefert
wird. Vom Standpunkt der Keimplasmalehre verursacht dies
keine Schwierigkeit; man bedarf nur der Annahme, dass ge-
wissen Zellen der Haut die Determinantengruppe des Entoderms
als Neben-Idioplasma beigegeben ist. Diese Beigabe muss zu
einer frühen Zeit der Embryogenese erfolgen, ehe noch die
Trennung der Ur-Entodermzellen von denen des Ektoderms vor
sich geht.

Nitsche glaubte in seinen werthvollen, aber noch mit
weniger vollkommenen Mitteln ausgeführten Untersuchungen die
ganze Knospe auf eine Wucherung der Haut (des Ektoderms)
zurückführen zu können, und wenn seine Angabe sich bestätigt
hätte, so würde die idioplasmatische Erklärung der Bryozoen-
Knospung ebenso einfach sein, wie die der Hydroiden-Knospung,
man hätte dann nur nöthig, jener Ektodermzelle „Knospen-
Idioplasma“ als „Neben-Idioplasma“ zuzuerkennen. Allein See-
liger
konnte diese Angabe nicht bestätigen und auch die

1) O. Seeliger, „Die ungeschlechtliche Vermehrung der endoprocten
Bryozoen“ und „Bemerkungen zur Knospenentwickelung der Bryozoen“,
in Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 49 u. 50 (1889 u. 1890).
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[210/0234] dort die Muskeln, die Geschlechtsorgane und in gewissen Gruppen auch einen äussern (serösen) Zellbelag des Darmrohrs, in noch andern Gruppen auch eine subcutane Zellschicht zu bilden. So ergaben wenigstens die neuesten, ohne Zweifel sehr genauen und zuverlässigen Untersuchungen von Seeliger. 1) Unsicher kann an ihnen nur der eine Punkt erscheinen, ob nicht viel- leicht doch die Geschlechtsorgane auch aus jener ersten Wuche- rung der Hautzellen hervorgehen. Diese Knospungs-Vorgänge fassen unsere allzu schematisch ausgearbeiteten Schulbegriffe von den Keimblättern etwas un- sanft an, insofern hier die specifischen Organe des innern Keim- blattes, der Darm, vom äussern Keimblatt, der Haut geliefert wird. Vom Standpunkt der Keimplasmalehre verursacht dies keine Schwierigkeit; man bedarf nur der Annahme, dass ge- wissen Zellen der Haut die Determinantengruppe des Entoderms als Neben-Idioplasma beigegeben ist. Diese Beigabe muss zu einer frühen Zeit der Embryogenese erfolgen, ehe noch die Trennung der Ur-Entodermzellen von denen des Ektoderms vor sich geht. Nitsche glaubte in seinen werthvollen, aber noch mit weniger vollkommenen Mitteln ausgeführten Untersuchungen die ganze Knospe auf eine Wucherung der Haut (des Ektoderms) zurückführen zu können, und wenn seine Angabe sich bestätigt hätte, so würde die idioplasmatische Erklärung der Bryozoen- Knospung ebenso einfach sein, wie die der Hydroiden-Knospung, man hätte dann nur nöthig, jener Ektodermzelle „Knospen- Idioplasma“ als „Neben-Idioplasma“ zuzuerkennen. Allein See- liger konnte diese Angabe nicht bestätigen und auch die 1) O. Seeliger, „Die ungeschlechtliche Vermehrung der endoprocten Bryozoen“ und „Bemerkungen zur Knospenentwickelung der Bryozoen“, in Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 49 u. 50 (1889 u. 1890).

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/234>, abgerufen am 29.03.2024.