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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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und gesetzmässige Theilungen dieser Zelle wird nach Art der
Embryonalbildung eine Gruppe von Zellen gebildet, die nach
Zahl, Gestalt und Anordnung der Zellen fest bestimmt ist. Sie
enthält als Anlagen bereits den ganzen neuen Spross in sich,
und man kann von jeder ihrer Zellen im Voraus sagen, welche
Theile des Sprosses aus ihr hervorgehen werden. Die Nach-
kommen dieser Zellengruppe vermehren sich dann bis zu einer
bestimmten Grenze weiter und brauchen sich dann nur noch
zu vergrössern (zu "strecken") und zugleich feiner zu differen-
ziren, um eine vollständig fertige "Person" des Pflanzenstockes
darzustellen. Diese Person verändert sich dann nicht wesentlich
mehr weiter, aber von der Scheitelzelle kann die Bildung einer
neuen Person ausgehen u. s. w., denn die Scheitelzelle erneut
sich immer wieder, oder wenn man lieber will, sie bleibt immer
dieselbe.

Nehmen wir eine Alge, Chara, als Schema mit Zugrunde-
legung der von Sachs (a. a. O. p. 550) gegebenen Figur, so
erkennt man sofort, dass das Idioplasma der Scheitelzelle (v) bei
ihrer Theilung noch keine Zerlegung in verschiedene Deter-
minanten-Gruppen erleiden kann, weil durch diese Theilung
zwei Zellen gesetzt werden, deren eine die Scheitelzelle bleibt,
deren andere, das sog. "Segment", aber einen ganzen Spross aus
sich hervorgehen lässt, also eben gerade diejenige Bildung, zu
deren Hervorbringung die Scheitelzelle befähigt ist. Aber schon
die folgende Theilung der unteren der beiden Tochterzellen
bringt die erste Sonderung in ungleiche Determinanten-Gruppen
mit sich, indem sie eine obere, biconcave, die sog. "Knoten"-
Zelle hervorbringt, aus welcher die Blätter b', b'', b''', die Seiten-
sprossen K und Geschlechtsorgane a und o hervorgehen, und
eine untere, biconvexe Zelle, welche keine weiteren Theilungen
erfährt, sondern nur bedeutend in die Länge wächst, um so
einen Abschnitt der Längsachse i' i'' i''' des Sprosses zu bilden.

und gesetzmässige Theilungen dieser Zelle wird nach Art der
Embryonalbildung eine Gruppe von Zellen gebildet, die nach
Zahl, Gestalt und Anordnung der Zellen fest bestimmt ist. Sie
enthält als Anlagen bereits den ganzen neuen Spross in sich,
und man kann von jeder ihrer Zellen im Voraus sagen, welche
Theile des Sprosses aus ihr hervorgehen werden. Die Nach-
kommen dieser Zellengruppe vermehren sich dann bis zu einer
bestimmten Grenze weiter und brauchen sich dann nur noch
zu vergrössern (zu „strecken“) und zugleich feiner zu differen-
ziren, um eine vollständig fertige „Person“ des Pflanzenstockes
darzustellen. Diese Person verändert sich dann nicht wesentlich
mehr weiter, aber von der Scheitelzelle kann die Bildung einer
neuen Person ausgehen u. s. w., denn die Scheitelzelle erneut
sich immer wieder, oder wenn man lieber will, sie bleibt immer
dieselbe.

Nehmen wir eine Alge, Chara, als Schema mit Zugrunde-
legung der von Sachs (a. a. O. p. 550) gegebenen Figur, so
erkennt man sofort, dass das Idioplasma der Scheitelzelle (v) bei
ihrer Theilung noch keine Zerlegung in verschiedene Deter-
minanten-Gruppen erleiden kann, weil durch diese Theilung
zwei Zellen gesetzt werden, deren eine die Scheitelzelle bleibt,
deren andere, das sog. „Segment“, aber einen ganzen Spross aus
sich hervorgehen lässt, also eben gerade diejenige Bildung, zu
deren Hervorbringung die Scheitelzelle befähigt ist. Aber schon
die folgende Theilung der unteren der beiden Tochterzellen
bringt die erste Sonderung in ungleiche Determinanten-Gruppen
mit sich, indem sie eine obere, biconcave, die sog. „Knoten“-
Zelle hervorbringt, aus welcher die Blätter b', b'', b''', die Seiten-
sprossen K und Geschlechtsorgane a und o hervorgehen, und
eine untere, biconvexe Zelle, welche keine weiteren Theilungen
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[217/0241] und gesetzmässige Theilungen dieser Zelle wird nach Art der Embryonalbildung eine Gruppe von Zellen gebildet, die nach Zahl, Gestalt und Anordnung der Zellen fest bestimmt ist. Sie enthält als Anlagen bereits den ganzen neuen Spross in sich, und man kann von jeder ihrer Zellen im Voraus sagen, welche Theile des Sprosses aus ihr hervorgehen werden. Die Nach- kommen dieser Zellengruppe vermehren sich dann bis zu einer bestimmten Grenze weiter und brauchen sich dann nur noch zu vergrössern (zu „strecken“) und zugleich feiner zu differen- ziren, um eine vollständig fertige „Person“ des Pflanzenstockes darzustellen. Diese Person verändert sich dann nicht wesentlich mehr weiter, aber von der Scheitelzelle kann die Bildung einer neuen Person ausgehen u. s. w., denn die Scheitelzelle erneut sich immer wieder, oder wenn man lieber will, sie bleibt immer dieselbe. Nehmen wir eine Alge, Chara, als Schema mit Zugrunde- legung der von Sachs (a. a. O. p. 550) gegebenen Figur, so erkennt man sofort, dass das Idioplasma der Scheitelzelle (v) bei ihrer Theilung noch keine Zerlegung in verschiedene Deter- minanten-Gruppen erleiden kann, weil durch diese Theilung zwei Zellen gesetzt werden, deren eine die Scheitelzelle bleibt, deren andere, das sog. „Segment“, aber einen ganzen Spross aus sich hervorgehen lässt, also eben gerade diejenige Bildung, zu deren Hervorbringung die Scheitelzelle befähigt ist. Aber schon die folgende Theilung der unteren der beiden Tochterzellen bringt die erste Sonderung in ungleiche Determinanten-Gruppen mit sich, indem sie eine obere, biconcave, die sog. „Knoten“- Zelle hervorbringt, aus welcher die Blätter b', b'', b''', die Seiten- sprossen K und Geschlechtsorgane a und o hervorgehen, und eine untere, biconvexe Zelle, welche keine weiteren Theilungen erfährt, sondern nur bedeutend in die Länge wächst, um so einen Abschnitt der Längsachse i' i'' i''' des Sprosses zu bilden.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/241>, abgerufen am 28.03.2024.