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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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ist, um aus äussern Ursachen erklärt werden zu können. Immer-
hin werden aber auch bei diesen zahlreiche Zellen Keimplasma
enthalten, wenn auch in gebundenem Zustand, inaktiv und un-
zerlegbar. Man wird dieses Stadium der Knospungs-Phylogenese
wohl von dem ersten ableiten dürfen, so dass also mit zu-
nehmender Differenzirung der Pflanzen neben Zellen mit vollem
Keimplasma nun auch solche auftraten, die nur bestimmte
einzelne Determinanten enthielten, und dieses kann dann zu
dem Zustand hingeführt haben, den wir heute bei den höchsten
Gewächsen finden, und der sich dadurch kennzeichnet, dass viele
Zellen blos specifische Determinanten enthalten, zahlreiche andere
daneben noch Keimplasma in gebundenem und nur unter ge-
wissen Einflüssen aktiv werdendem Zustand. Ich werde darauf
in einem späteren Abschnitt zurückkommen.

Auch bei den verschiedenen niederen Thiergruppen, bei
welchen Knospung vorkommt, wird ein gemeinsamer Ursprung
derselben nicht angenommen werden dürfen. Wenn aber auch
Knospung unabhängig in verschiedenen Abtheilungen des Thier-
reichs entstand, so wird die Entstehungsgeschichte derselben
im Wesentlichen überall dieselbe gewesen sein, da Knospungs-
Idioplasma sich schon in der Eizelle vom Keimplasma abge-
spaltet haben muss, insofern nur in diesem sämmtliche Determi-
nanten der Art sich bei einander befinden. Auch heute muss
das Knospungs-Idioplasma schon als solches im Keim-
plasma enthalten sein
, weil es andernfalls nicht selbst-
ständig und erblich variirt haben könnte. Dass es dies aber
gethan hat, beweist die Knospung der Medusen von Polypen
und viele andere Fälle von Generationswechsel.

Balfour1) glaubte die Knospung auf jene Theilungen
der befruchteten Eizelle zurückführen zu können, welche bei

1) Francis M. Balfour, "Handbuch der vergleichenden Embryo-
logie", übersetzt von Vetter, Jena 1880, Bd. I, p. 12.

ist, um aus äussern Ursachen erklärt werden zu können. Immer-
hin werden aber auch bei diesen zahlreiche Zellen Keimplasma
enthalten, wenn auch in gebundenem Zustand, inaktiv und un-
zerlegbar. Man wird dieses Stadium der Knospungs-Phylogenese
wohl von dem ersten ableiten dürfen, so dass also mit zu-
nehmender Differenzirung der Pflanzen neben Zellen mit vollem
Keimplasma nun auch solche auftraten, die nur bestimmte
einzelne Determinanten enthielten, und dieses kann dann zu
dem Zustand hingeführt haben, den wir heute bei den höchsten
Gewächsen finden, und der sich dadurch kennzeichnet, dass viele
Zellen blos specifische Determinanten enthalten, zahlreiche andere
daneben noch Keimplasma in gebundenem und nur unter ge-
wissen Einflüssen aktiv werdendem Zustand. Ich werde darauf
in einem späteren Abschnitt zurückkommen.

Auch bei den verschiedenen niederen Thiergruppen, bei
welchen Knospung vorkommt, wird ein gemeinsamer Ursprung
derselben nicht angenommen werden dürfen. Wenn aber auch
Knospung unabhängig in verschiedenen Abtheilungen des Thier-
reichs entstand, so wird die Entstehungsgeschichte derselben
im Wesentlichen überall dieselbe gewesen sein, da Knospungs-
Idioplasma sich schon in der Eizelle vom Keimplasma abge-
spaltet haben muss, insofern nur in diesem sämmtliche Determi-
nanten der Art sich bei einander befinden. Auch heute muss
das Knospungs-Idioplasma schon als solches im Keim-
plasma enthalten sein
, weil es andernfalls nicht selbst-
ständig und erblich variirt haben könnte. Dass es dies aber
gethan hat, beweist die Knospung der Medusen von Polypen
und viele andere Fälle von Generationswechsel.

Balfour1) glaubte die Knospung auf jene Theilungen
der befruchteten Eizelle zurückführen zu können, welche bei

1) Francis M. Balfour, „Handbuch der vergleichenden Embryo-
logie“, übersetzt von Vetter, Jena 1880, Bd. I, p. 12.
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[223/0247] ist, um aus äussern Ursachen erklärt werden zu können. Immer- hin werden aber auch bei diesen zahlreiche Zellen Keimplasma enthalten, wenn auch in gebundenem Zustand, inaktiv und un- zerlegbar. Man wird dieses Stadium der Knospungs-Phylogenese wohl von dem ersten ableiten dürfen, so dass also mit zu- nehmender Differenzirung der Pflanzen neben Zellen mit vollem Keimplasma nun auch solche auftraten, die nur bestimmte einzelne Determinanten enthielten, und dieses kann dann zu dem Zustand hingeführt haben, den wir heute bei den höchsten Gewächsen finden, und der sich dadurch kennzeichnet, dass viele Zellen blos specifische Determinanten enthalten, zahlreiche andere daneben noch Keimplasma in gebundenem und nur unter ge- wissen Einflüssen aktiv werdendem Zustand. Ich werde darauf in einem späteren Abschnitt zurückkommen. Auch bei den verschiedenen niederen Thiergruppen, bei welchen Knospung vorkommt, wird ein gemeinsamer Ursprung derselben nicht angenommen werden dürfen. Wenn aber auch Knospung unabhängig in verschiedenen Abtheilungen des Thier- reichs entstand, so wird die Entstehungsgeschichte derselben im Wesentlichen überall dieselbe gewesen sein, da Knospungs- Idioplasma sich schon in der Eizelle vom Keimplasma abge- spaltet haben muss, insofern nur in diesem sämmtliche Determi- nanten der Art sich bei einander befinden. Auch heute muss das Knospungs-Idioplasma schon als solches im Keim- plasma enthalten sein, weil es andernfalls nicht selbst- ständig und erblich variirt haben könnte. Dass es dies aber gethan hat, beweist die Knospung der Medusen von Polypen und viele andere Fälle von Generationswechsel. Balfour 1) glaubte die Knospung auf jene Theilungen der befruchteten Eizelle zurückführen zu können, welche bei 1) Francis M. Balfour, „Handbuch der vergleichenden Embryo- logie“, übersetzt von Vetter, Jena 1880, Bd. I, p. 12.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/247>, abgerufen am 29.03.2024.