Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Bau der fertigen Individuen immer noch einzelne Ide die
Determinanten desselben enthalten. Der Beweis liegt darin,
dass das Organ gelegentlich wieder zum Vorschein kommt, dass
ein Rückschlag auf dasselbe eintreten kann.

Ein interessanter derartiger Fall liegt in den überzähligen
Brustwarzen des Menschen
vor. Die beiden normalen
Brustwarzen kommen beim Mann gewöhnlich in rudimentärer
Form vor; ausser ihnen aber werden zuweilen winzige solche
Warzen an Stellen gefunden, an welchen sie normalerweise nur
bei niederen Ordnungen der Säugethiere, bei Raubthieren, Nagern
und Halbaffen liegen, nämlich ein Paar oberhalb der normalen
Warzen, nicht fern von der Achselgegend, und zwei oder gar
drei Paare unterhalb der normalen Organe am Bauch. Nie-
mals wohl kommen sie alle zusammen vor, sondern meist nur
eine oder ein Paar, aber sowohl beim Mann als beim Weib.
Es kann kein Zweifel sein, dass sie als Rückschlag auf un-
geheuer weit zurückliegende Charaktere unserer niederen Säuge-
thier-Vorfahren aufzufassen sind. O. Ammon's zahlreiche und
genaue Untersuchungen geben über ihr Auftreten im männlichen
Geschlecht und in unserem Volke Auskunft; Ammon fand sie
bei 3 von 100 Rekruten.1)

Da seine Untersuchungen sich nur auf zwei, höchstens drei
Generationen erstrecken, und auch dies nur in einzelnen Fällen,
so lässt sich noch nicht mit Sicherheit urtheilen, wie stark und
in welcher Vertheilung auf die Kinder sie sich vererben. Doch
wird man den Anlass zum Rückschlag auch hier in der Kreuzung
sehen dürfen, d. h. in der Amphimixis solcher Keimzellen, welche
beiderseits eine gewisse Anzahl von Ahnen-Determinanten für
jene Hautstellen in ihrem Keimplasma enthalten, an welchen
bei jenen weit entfernten Vorfahren Milchwarzen lagen. Mög-
lich, dass dieselben auch schon allein durch die Reductions-

1) Ich verdanke die Kenntniss dieser noch nicht veröffentlichten
Beobachtungen der Güte des Herrn Ammon.

dem Bau der fertigen Individuen immer noch einzelne Ide die
Determinanten desselben enthalten. Der Beweis liegt darin,
dass das Organ gelegentlich wieder zum Vorschein kommt, dass
ein Rückschlag auf dasselbe eintreten kann.

Ein interessanter derartiger Fall liegt in den überzähligen
Brustwarzen des Menschen
vor. Die beiden normalen
Brustwarzen kommen beim Mann gewöhnlich in rudimentärer
Form vor; ausser ihnen aber werden zuweilen winzige solche
Warzen an Stellen gefunden, an welchen sie normalerweise nur
bei niederen Ordnungen der Säugethiere, bei Raubthieren, Nagern
und Halbaffen liegen, nämlich ein Paar oberhalb der normalen
Warzen, nicht fern von der Achselgegend, und zwei oder gar
drei Paare unterhalb der normalen Organe am Bauch. Nie-
mals wohl kommen sie alle zusammen vor, sondern meist nur
eine oder ein Paar, aber sowohl beim Mann als beim Weib.
Es kann kein Zweifel sein, dass sie als Rückschlag auf un-
geheuer weit zurückliegende Charaktere unserer niederen Säuge-
thier-Vorfahren aufzufassen sind. O. Ammon’s zahlreiche und
genaue Untersuchungen geben über ihr Auftreten im männlichen
Geschlecht und in unserem Volke Auskunft; Ammon fand sie
bei 3 von 100 Rekruten.1)

Da seine Untersuchungen sich nur auf zwei, höchstens drei
Generationen erstrecken, und auch dies nur in einzelnen Fällen,
so lässt sich noch nicht mit Sicherheit urtheilen, wie stark und
in welcher Vertheilung auf die Kinder sie sich vererben. Doch
wird man den Anlass zum Rückschlag auch hier in der Kreuzung
sehen dürfen, d. h. in der Amphimixis solcher Keimzellen, welche
beiderseits eine gewisse Anzahl von Ahnen-Determinanten für
jene Hautstellen in ihrem Keimplasma enthalten, an welchen
bei jenen weit entfernten Vorfahren Milchwarzen lagen. Mög-
lich, dass dieselben auch schon allein durch die Reductions-

1) Ich verdanke die Kenntniss dieser noch nicht veröffentlichten
Beobachtungen der Güte des Herrn Ammon.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0461" n="437"/>
dem Bau der fertigen Individuen immer noch einzelne Ide die<lb/>
Determinanten desselben enthalten. Der Beweis liegt darin,<lb/>
dass das Organ gelegentlich wieder zum Vorschein kommt, dass<lb/><hi rendition="#g">ein Rückschlag auf dasselbe eintreten kann</hi>.</p><lb/>
            <p>Ein interessanter derartiger Fall liegt in den <hi rendition="#g">überzähligen<lb/>
Brustwarzen des Menschen</hi> vor. Die beiden normalen<lb/>
Brustwarzen kommen beim Mann gewöhnlich in rudimentärer<lb/>
Form vor; ausser ihnen aber werden zuweilen winzige solche<lb/>
Warzen an Stellen gefunden, an welchen sie normalerweise nur<lb/>
bei niederen Ordnungen der Säugethiere, bei Raubthieren, Nagern<lb/>
und Halbaffen liegen, nämlich ein Paar oberhalb der normalen<lb/>
Warzen, nicht fern von der Achselgegend, und zwei oder gar<lb/>
drei Paare unterhalb der normalen Organe am Bauch. Nie-<lb/>
mals wohl kommen sie alle zusammen vor, sondern meist nur<lb/>
eine oder ein Paar, aber sowohl beim Mann als beim Weib.<lb/>
Es kann kein Zweifel sein, dass sie als Rückschlag auf un-<lb/>
geheuer weit zurückliegende Charaktere unserer niederen Säuge-<lb/>
thier-Vorfahren aufzufassen sind. O. <hi rendition="#g">Ammon&#x2019;s</hi> zahlreiche und<lb/>
genaue Untersuchungen geben über ihr Auftreten im männlichen<lb/>
Geschlecht und in unserem Volke Auskunft; <hi rendition="#g">Ammon</hi> fand sie<lb/>
bei 3 von 100 Rekruten.<note place="foot" n="1)">Ich verdanke die Kenntniss dieser noch nicht veröffentlichten<lb/>
Beobachtungen der Güte des Herrn <hi rendition="#g">Ammon</hi>.</note></p><lb/>
            <p>Da seine Untersuchungen sich nur auf zwei, höchstens drei<lb/>
Generationen erstrecken, und auch dies nur in einzelnen Fällen,<lb/>
so lässt sich noch nicht mit Sicherheit urtheilen, wie stark und<lb/>
in welcher Vertheilung auf die Kinder sie sich vererben. Doch<lb/>
wird man den <hi rendition="#g">Anlass</hi> zum Rückschlag auch hier in der Kreuzung<lb/>
sehen dürfen, d. h. in der Amphimixis solcher Keimzellen, welche<lb/>
beiderseits eine gewisse Anzahl von Ahnen-Determinanten für<lb/>
jene Hautstellen in ihrem Keimplasma enthalten, an welchen<lb/>
bei jenen weit entfernten Vorfahren Milchwarzen lagen. Mög-<lb/>
lich, dass dieselben auch schon allein durch die Reductions-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[437/0461] dem Bau der fertigen Individuen immer noch einzelne Ide die Determinanten desselben enthalten. Der Beweis liegt darin, dass das Organ gelegentlich wieder zum Vorschein kommt, dass ein Rückschlag auf dasselbe eintreten kann. Ein interessanter derartiger Fall liegt in den überzähligen Brustwarzen des Menschen vor. Die beiden normalen Brustwarzen kommen beim Mann gewöhnlich in rudimentärer Form vor; ausser ihnen aber werden zuweilen winzige solche Warzen an Stellen gefunden, an welchen sie normalerweise nur bei niederen Ordnungen der Säugethiere, bei Raubthieren, Nagern und Halbaffen liegen, nämlich ein Paar oberhalb der normalen Warzen, nicht fern von der Achselgegend, und zwei oder gar drei Paare unterhalb der normalen Organe am Bauch. Nie- mals wohl kommen sie alle zusammen vor, sondern meist nur eine oder ein Paar, aber sowohl beim Mann als beim Weib. Es kann kein Zweifel sein, dass sie als Rückschlag auf un- geheuer weit zurückliegende Charaktere unserer niederen Säuge- thier-Vorfahren aufzufassen sind. O. Ammon’s zahlreiche und genaue Untersuchungen geben über ihr Auftreten im männlichen Geschlecht und in unserem Volke Auskunft; Ammon fand sie bei 3 von 100 Rekruten. 1) Da seine Untersuchungen sich nur auf zwei, höchstens drei Generationen erstrecken, und auch dies nur in einzelnen Fällen, so lässt sich noch nicht mit Sicherheit urtheilen, wie stark und in welcher Vertheilung auf die Kinder sie sich vererben. Doch wird man den Anlass zum Rückschlag auch hier in der Kreuzung sehen dürfen, d. h. in der Amphimixis solcher Keimzellen, welche beiderseits eine gewisse Anzahl von Ahnen-Determinanten für jene Hautstellen in ihrem Keimplasma enthalten, an welchen bei jenen weit entfernten Vorfahren Milchwarzen lagen. Mög- lich, dass dieselben auch schon allein durch die Reductions- 1) Ich verdanke die Kenntniss dieser noch nicht veröffentlichten Beobachtungen der Güte des Herrn Ammon.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/461
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/461>, abgerufen am 25.04.2024.