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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Alter wieder. Die Bilder lassen zudem keine weitere Ähnlich-
keit mit einem Quagga erkennen. 1)

In dem Falle von Carneri darf nicht verschwiegen werden,
dass er selbst, bevor er Etwas von der Annahme einer sog.
"Infection" wusste, sich den Fall dadurch erklärt hatte, es müsse
ohne sein Wissen doch schon von früher her "ein Tropfen Pinz-
gauer Blut" in seiner Mürzthaler Heerde enthalten gewesen sein.

So sind denn selbst die besten der "Fälle" keine sicheren
und wirklich beweisenden. Soviel darf jedenfalls behauptet
werden, dass diese sog. "Infection", wenn sie überhaupt nicht
gänzlich auf Täuschungen beruht, nur in sehr seltenen Fällen
und keineswegs regelmässig, oder auch nur oft eintritt. Er-
fahrene Thierzüchter, wie Settegast und Kühn in Halle,
glauben nicht daran, weil sie es nie beobachtet haben, trotzdem
sie so viele Kreuzungen von Hausthieren gemacht haben. Die
theoretische Erklärung dafür könnte von unserm Standpunkte
aus nur die sein, dass Samenzellen nach der ersten Begattung
bis ins Ovarium gelangt und dort in einzelne, noch unreife
Eier eingedrungen wären. Augenblickliche Befruchtung derselben
wäre durch die Unreife der Eizellen ausgeschlossen, das Keim-
plasma der Samenzelle aber müsste im Eikörper verharren,
bis zu dessen Reife, um sich dann in Amphimixis mit dem
gereiften Eikern zu verbinden. Erfolgte dies einige Zeit nach
Ablauf der ersten Geburt, so würde es leicht ungefähr mit der
zweiten Begattung zusammentreffen, und so den Schein er-
wecken, als ob die Befruchtung von dieser herrührte. -- Ge-
setzt, die "Infection" würde unzweifelhaft erwiesen, so müsste
man eine solche nachträgliche Befruchtung einer Eizelle für
möglich halten; freilich dürfte man sich dann billig wundern,
warum nicht gelegentlich Stuten, Kühe oder Schafe trächtig

1) Nach Settegast, "Thierzucht". Breslau 1878, Bd. I, p. 223--234.

Alter wieder. Die Bilder lassen zudem keine weitere Ähnlich-
keit mit einem Quagga erkennen. 1)

In dem Falle von Carneri darf nicht verschwiegen werden,
dass er selbst, bevor er Etwas von der Annahme einer sog.
„Infection“ wusste, sich den Fall dadurch erklärt hatte, es müsse
ohne sein Wissen doch schon von früher her „ein Tropfen Pinz-
gauer Blut“ in seiner Mürzthaler Heerde enthalten gewesen sein.

So sind denn selbst die besten der „Fälle“ keine sicheren
und wirklich beweisenden. Soviel darf jedenfalls behauptet
werden, dass diese sog. „Infection“, wenn sie überhaupt nicht
gänzlich auf Täuschungen beruht, nur in sehr seltenen Fällen
und keineswegs regelmässig, oder auch nur oft eintritt. Er-
fahrene Thierzüchter, wie Settegast und Kühn in Halle,
glauben nicht daran, weil sie es nie beobachtet haben, trotzdem
sie so viele Kreuzungen von Hausthieren gemacht haben. Die
theoretische Erklärung dafür könnte von unserm Standpunkte
aus nur die sein, dass Samenzellen nach der ersten Begattung
bis ins Ovarium gelangt und dort in einzelne, noch unreife
Eier eingedrungen wären. Augenblickliche Befruchtung derselben
wäre durch die Unreife der Eizellen ausgeschlossen, das Keim-
plasma der Samenzelle aber müsste im Eikörper verharren,
bis zu dessen Reife, um sich dann in Amphimixis mit dem
gereiften Eikern zu verbinden. Erfolgte dies einige Zeit nach
Ablauf der ersten Geburt, so würde es leicht ungefähr mit der
zweiten Begattung zusammentreffen, und so den Schein er-
wecken, als ob die Befruchtung von dieser herrührte. — Ge-
setzt, die „Infection“ würde unzweifelhaft erwiesen, so müsste
man eine solche nachträgliche Befruchtung einer Eizelle für
möglich halten; freilich dürfte man sich dann billig wundern,
warum nicht gelegentlich Stuten, Kühe oder Schafe trächtig

1) Nach Settegast, „Thierzucht“. Breslau 1878, Bd. I, p. 223—234.
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[506/0530] Alter wieder. Die Bilder lassen zudem keine weitere Ähnlich- keit mit einem Quagga erkennen. 1) In dem Falle von Carneri darf nicht verschwiegen werden, dass er selbst, bevor er Etwas von der Annahme einer sog. „Infection“ wusste, sich den Fall dadurch erklärt hatte, es müsse ohne sein Wissen doch schon von früher her „ein Tropfen Pinz- gauer Blut“ in seiner Mürzthaler Heerde enthalten gewesen sein. So sind denn selbst die besten der „Fälle“ keine sicheren und wirklich beweisenden. Soviel darf jedenfalls behauptet werden, dass diese sog. „Infection“, wenn sie überhaupt nicht gänzlich auf Täuschungen beruht, nur in sehr seltenen Fällen und keineswegs regelmässig, oder auch nur oft eintritt. Er- fahrene Thierzüchter, wie Settegast und Kühn in Halle, glauben nicht daran, weil sie es nie beobachtet haben, trotzdem sie so viele Kreuzungen von Hausthieren gemacht haben. Die theoretische Erklärung dafür könnte von unserm Standpunkte aus nur die sein, dass Samenzellen nach der ersten Begattung bis ins Ovarium gelangt und dort in einzelne, noch unreife Eier eingedrungen wären. Augenblickliche Befruchtung derselben wäre durch die Unreife der Eizellen ausgeschlossen, das Keim- plasma der Samenzelle aber müsste im Eikörper verharren, bis zu dessen Reife, um sich dann in Amphimixis mit dem gereiften Eikern zu verbinden. Erfolgte dies einige Zeit nach Ablauf der ersten Geburt, so würde es leicht ungefähr mit der zweiten Begattung zusammentreffen, und so den Schein er- wecken, als ob die Befruchtung von dieser herrührte. — Ge- setzt, die „Infection“ würde unzweifelhaft erwiesen, so müsste man eine solche nachträgliche Befruchtung einer Eizelle für möglich halten; freilich dürfte man sich dann billig wundern, warum nicht gelegentlich Stuten, Kühe oder Schafe trächtig 1) Nach Settegast, „Thierzucht“. Breslau 1878, Bd. I, p. 223—234.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/530>, abgerufen am 28.03.2024.