Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

über die Ursachen derartiger Abänderungen ein sicheres Urtheil
zu haben"...... Ich führte dann einige der vielen in der
Literatur sich seit lange fortschleppenden Fälle an und suchte
zu zeigen, dass keiner derselben der Kritik Stand hält, dass sie
alle der Auslegung Platz lassen, dass nur scheinbar die soma-
togene Abänderung vererbt wird, in Wirklichkeit aber zuerst
eine Abänderung des Keimplasma's durch die Mediumeinflüsse
bewirkt wird, der dann die somatische Abänderung erst nach-
folgt. Dann heisst es weiter: "Immerhin" aber "wird man
zugeben müssen, dass es Fälle giebt, so die klimatischen
Varietäten der Schmetterlinge
, die sich für jetzt nur
gewaltsam einer derartigen Erklärung fügen, und ich selbst
habe vor Jahren einen solchen Fall experimentell näher geprüft,
den ich auch heute nach den bis jetzt vorliegenden Thatsachen
noch nicht anders zu erklären wüsste, als ich es damals gethan
habe, nämlich durch Vererbung somatogener Abänderungen.
"Allein es ist dabei zu bedenken, dass meine Versuche" und auch
ihre spätere Wiederholung an amerikanischen Arten durch
H. W. Edwards "durchaus nicht im Hinblick auf die hier
betonten Gesichtspunkte angestellt waren. Neue und in anderer
Weise variirte Versuche werden nöthig sein".... 1)

Ich habe vergeblich seit dem Jahre 1883 darauf gewartet,
dass etwa die geschickteren Hände eines Entomologen oder auch
einer der zahlreichen Vertheidiger der Vererbung erworbener
Eigenschaften die bezeichneten Versuche ausführen würde. In-
zwischen habe ich sie selbst, soweit Zeit und Material mir zu
Gebote standen, in Angriff genommen, und es liegt mir jetzt
eine Reihe neuer Versuche vor, nicht so viele und nicht so
vollständig und vielseitig durchgeführte, als ich es gewünscht
hätte, aber doch ausreichend zu sicherer Begründung der Theorie

1) Vergleiche meine Schrift: "Über Vererbung", Jena 1883, p. 50;
auch in: "Aufsätze über Vererbung und verwandte biologische Fragen",
Jena 1892. II.

über die Ursachen derartiger Abänderungen ein sicheres Urtheil
zu haben“...... Ich führte dann einige der vielen in der
Literatur sich seit lange fortschleppenden Fälle an und suchte
zu zeigen, dass keiner derselben der Kritik Stand hält, dass sie
alle der Auslegung Platz lassen, dass nur scheinbar die soma-
togene Abänderung vererbt wird, in Wirklichkeit aber zuerst
eine Abänderung des Keimplasma’s durch die Mediumeinflüsse
bewirkt wird, der dann die somatische Abänderung erst nach-
folgt. Dann heisst es weiter: „Immerhin“ aber „wird man
zugeben müssen, dass es Fälle giebt, so die klimatischen
Varietäten der Schmetterlinge
, die sich für jetzt nur
gewaltsam einer derartigen Erklärung fügen, und ich selbst
habe vor Jahren einen solchen Fall experimentell näher geprüft,
den ich auch heute nach den bis jetzt vorliegenden Thatsachen
noch nicht anders zu erklären wüsste, als ich es damals gethan
habe, nämlich durch Vererbung somatogener Abänderungen.
„Allein es ist dabei zu bedenken, dass meine Versuche“ und auch
ihre spätere Wiederholung an amerikanischen Arten durch
H. W. Edwards „durchaus nicht im Hinblick auf die hier
betonten Gesichtspunkte angestellt waren. Neue und in anderer
Weise variirte Versuche werden nöthig sein“.... 1)

Ich habe vergeblich seit dem Jahre 1883 darauf gewartet,
dass etwa die geschickteren Hände eines Entomologen oder auch
einer der zahlreichen Vertheidiger der Vererbung erworbener
Eigenschaften die bezeichneten Versuche ausführen würde. In-
zwischen habe ich sie selbst, soweit Zeit und Material mir zu
Gebote standen, in Angriff genommen, und es liegt mir jetzt
eine Reihe neuer Versuche vor, nicht so viele und nicht so
vollständig und vielseitig durchgeführte, als ich es gewünscht
hätte, aber doch ausreichend zu sicherer Begründung der Theorie

1) Vergleiche meine Schrift: „Über Vererbung“, Jena 1883, p. 50;
auch in: „Aufsätze über Vererbung und verwandte biologische Fragen“,
Jena 1892. II.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0546" n="522"/>
über die Ursachen derartiger Abänderungen ein sicheres Urtheil<lb/>
zu haben&#x201C;...... Ich führte dann einige der vielen in der<lb/>
Literatur sich seit lange fortschleppenden Fälle an und suchte<lb/>
zu zeigen, dass keiner derselben der Kritik Stand hält, dass sie<lb/>
alle der Auslegung Platz lassen, dass nur scheinbar die soma-<lb/>
togene Abänderung vererbt wird, in Wirklichkeit aber zuerst<lb/>
eine Abänderung des Keimplasma&#x2019;s durch die Mediumeinflüsse<lb/>
bewirkt wird, der dann die somatische Abänderung erst nach-<lb/>
folgt. Dann heisst es weiter: &#x201E;Immerhin&#x201C; aber &#x201E;wird man<lb/>
zugeben müssen, dass es Fälle giebt, so die <hi rendition="#g">klimatischen<lb/>
Varietäten der Schmetterlinge</hi>, die sich für jetzt nur<lb/>
gewaltsam einer derartigen Erklärung fügen, und ich selbst<lb/>
habe vor Jahren einen solchen Fall experimentell näher geprüft,<lb/>
den ich auch heute nach den bis jetzt vorliegenden Thatsachen<lb/>
noch nicht anders zu erklären wüsste, als ich es damals gethan<lb/>
habe, nämlich durch Vererbung somatogener Abänderungen.<lb/>
&#x201E;Allein es ist dabei zu bedenken, dass meine Versuche&#x201C; und auch<lb/>
ihre spätere Wiederholung an amerikanischen Arten durch<lb/>
H. W. <hi rendition="#g">Edwards</hi> &#x201E;durchaus nicht im Hinblick auf die hier<lb/>
betonten Gesichtspunkte angestellt waren. Neue und in anderer<lb/>
Weise variirte Versuche werden nöthig sein&#x201C;.... <note place="foot" n="1)"> Vergleiche meine Schrift: &#x201E;Über Vererbung&#x201C;, Jena 1883, p. 50;<lb/>
auch in: &#x201E;Aufsätze über Vererbung und verwandte biologische Fragen&#x201C;,<lb/>
Jena 1892. II.</note></p><lb/>
            <p>Ich habe vergeblich seit dem Jahre 1883 darauf gewartet,<lb/>
dass etwa die geschickteren Hände eines Entomologen oder auch<lb/>
einer der zahlreichen Vertheidiger der Vererbung erworbener<lb/>
Eigenschaften die bezeichneten Versuche ausführen würde. In-<lb/>
zwischen habe ich sie selbst, soweit Zeit und Material mir zu<lb/>
Gebote standen, in Angriff genommen, und es liegt mir jetzt<lb/>
eine Reihe neuer Versuche vor, nicht so viele und nicht so<lb/>
vollständig und vielseitig durchgeführte, als ich es gewünscht<lb/>
hätte, aber doch ausreichend zu sicherer Begründung der Theorie<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[522/0546] über die Ursachen derartiger Abänderungen ein sicheres Urtheil zu haben“...... Ich führte dann einige der vielen in der Literatur sich seit lange fortschleppenden Fälle an und suchte zu zeigen, dass keiner derselben der Kritik Stand hält, dass sie alle der Auslegung Platz lassen, dass nur scheinbar die soma- togene Abänderung vererbt wird, in Wirklichkeit aber zuerst eine Abänderung des Keimplasma’s durch die Mediumeinflüsse bewirkt wird, der dann die somatische Abänderung erst nach- folgt. Dann heisst es weiter: „Immerhin“ aber „wird man zugeben müssen, dass es Fälle giebt, so die klimatischen Varietäten der Schmetterlinge, die sich für jetzt nur gewaltsam einer derartigen Erklärung fügen, und ich selbst habe vor Jahren einen solchen Fall experimentell näher geprüft, den ich auch heute nach den bis jetzt vorliegenden Thatsachen noch nicht anders zu erklären wüsste, als ich es damals gethan habe, nämlich durch Vererbung somatogener Abänderungen. „Allein es ist dabei zu bedenken, dass meine Versuche“ und auch ihre spätere Wiederholung an amerikanischen Arten durch H. W. Edwards „durchaus nicht im Hinblick auf die hier betonten Gesichtspunkte angestellt waren. Neue und in anderer Weise variirte Versuche werden nöthig sein“.... 1) Ich habe vergeblich seit dem Jahre 1883 darauf gewartet, dass etwa die geschickteren Hände eines Entomologen oder auch einer der zahlreichen Vertheidiger der Vererbung erworbener Eigenschaften die bezeichneten Versuche ausführen würde. In- zwischen habe ich sie selbst, soweit Zeit und Material mir zu Gebote standen, in Angriff genommen, und es liegt mir jetzt eine Reihe neuer Versuche vor, nicht so viele und nicht so vollständig und vielseitig durchgeführte, als ich es gewünscht hätte, aber doch ausreichend zu sicherer Begründung der Theorie 1) Vergleiche meine Schrift: „Über Vererbung“, Jena 1883, p. 50; auch in: „Aufsätze über Vererbung und verwandte biologische Fragen“, Jena 1892. II.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/546
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/546>, abgerufen am 28.03.2024.