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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Zelle vom Idioplasma des Kerns beherrscht, d. h. in seinem
Charakter bestimmt wird. Die gesetzmässigen Veränderungen,
welche wir an der Eizelle und ihren Theilungsprodukten bei
jeder Embryogenese ihren Ablauf nehmen sehen, müssen ja dann
auf entsprechende gesetzmässige Veränderungen des Idioplasma's
bezogen werden. Aber welcher Art sind diese Verände-
rungen und wie kommen sie zu Stande
?

2. Beherrschung der Zelle durch das Idioplasma.

Um die zuletzt gestellte Frage beantworten zu können, ist
es nöthig, sich zunächst darüber Rechenschaft zu geben, auf
welche Weise die Bestimmung der Zelleigenschaften durch das
Idioplasma des Kerns zu Stande kommt. Wir wissen bis jetzt
nur, dass das Idioplasma einer Zelle zusammengesetzt ist aus
einer grossen Anzahl verschiedener Biophoren und zwar ver-
schiedener Arten derselben.

Damit dasselbe einen bestimmenden Einfluss auf den feinsten
Bau des Zellkörpers und die chemische Zusammensetzung seiner
verschiedenen Theile ausübe, muss es entweder eine Fernwirkung
von sich ausgehen lassen, oder es müssen materielle Theile vom
Kern aus in den Zellkörper austreten.

Strasburger1) hat es versucht, eine dynamische Wirkung
der Kernsubstanz näher zu begründen. Nach seiner Ansicht
pflanzen sich "vom Zellkern aus molekülare Erregungen auf das
umgebende Cytoplasma fort, welche einerseits die Vorgänge des
Stoffwechsels in der Zelle beherrschen, andererseits dem durch
die Ernährung bedingten Wachsthum des Cytoplasma einen be-
stimmten der Species eigenen Charakter geben". So denkbar
eine solche Fortpflanzung vom Kern ausgehender molekülarer
Erregungen auf den Zellkörper sicherlich auch ist, so hat doch

1) E. Strasburger, "Neue Untersuchungen über den Befruchtungs-
vorgang bei den Phanerogamen", 1884, p. 112.

Zelle vom Idioplasma des Kerns beherrscht, d. h. in seinem
Charakter bestimmt wird. Die gesetzmässigen Veränderungen,
welche wir an der Eizelle und ihren Theilungsprodukten bei
jeder Embryogenese ihren Ablauf nehmen sehen, müssen ja dann
auf entsprechende gesetzmässige Veränderungen des Idioplasma’s
bezogen werden. Aber welcher Art sind diese Verände-
rungen und wie kommen sie zu Stande
?

2. Beherrschung der Zelle durch das Idioplasma.

Um die zuletzt gestellte Frage beantworten zu können, ist
es nöthig, sich zunächst darüber Rechenschaft zu geben, auf
welche Weise die Bestimmung der Zelleigenschaften durch das
Idioplasma des Kerns zu Stande kommt. Wir wissen bis jetzt
nur, dass das Idioplasma einer Zelle zusammengesetzt ist aus
einer grossen Anzahl verschiedener Biophoren und zwar ver-
schiedener Arten derselben.

Damit dasselbe einen bestimmenden Einfluss auf den feinsten
Bau des Zellkörpers und die chemische Zusammensetzung seiner
verschiedenen Theile ausübe, muss es entweder eine Fernwirkung
von sich ausgehen lassen, oder es müssen materielle Theile vom
Kern aus in den Zellkörper austreten.

Strasburger1) hat es versucht, eine dynamische Wirkung
der Kernsubstanz näher zu begründen. Nach seiner Ansicht
pflanzen sich „vom Zellkern aus molekülare Erregungen auf das
umgebende Cytoplasma fort, welche einerseits die Vorgänge des
Stoffwechsels in der Zelle beherrschen, andererseits dem durch
die Ernährung bedingten Wachsthum des Cytoplasma einen be-
stimmten der Species eigenen Charakter geben“. So denkbar
eine solche Fortpflanzung vom Kern ausgehender molekülarer
Erregungen auf den Zellkörper sicherlich auch ist, so hat doch

1) E. Strasburger, „Neue Untersuchungen über den Befruchtungs-
vorgang bei den Phanerogamen“, 1884, p. 112.
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[61/0085] Zelle vom Idioplasma des Kerns beherrscht, d. h. in seinem Charakter bestimmt wird. Die gesetzmässigen Veränderungen, welche wir an der Eizelle und ihren Theilungsprodukten bei jeder Embryogenese ihren Ablauf nehmen sehen, müssen ja dann auf entsprechende gesetzmässige Veränderungen des Idioplasma’s bezogen werden. Aber welcher Art sind diese Verände- rungen und wie kommen sie zu Stande? 2. Beherrschung der Zelle durch das Idioplasma. Um die zuletzt gestellte Frage beantworten zu können, ist es nöthig, sich zunächst darüber Rechenschaft zu geben, auf welche Weise die Bestimmung der Zelleigenschaften durch das Idioplasma des Kerns zu Stande kommt. Wir wissen bis jetzt nur, dass das Idioplasma einer Zelle zusammengesetzt ist aus einer grossen Anzahl verschiedener Biophoren und zwar ver- schiedener Arten derselben. Damit dasselbe einen bestimmenden Einfluss auf den feinsten Bau des Zellkörpers und die chemische Zusammensetzung seiner verschiedenen Theile ausübe, muss es entweder eine Fernwirkung von sich ausgehen lassen, oder es müssen materielle Theile vom Kern aus in den Zellkörper austreten. Strasburger 1) hat es versucht, eine dynamische Wirkung der Kernsubstanz näher zu begründen. Nach seiner Ansicht pflanzen sich „vom Zellkern aus molekülare Erregungen auf das umgebende Cytoplasma fort, welche einerseits die Vorgänge des Stoffwechsels in der Zelle beherrschen, andererseits dem durch die Ernährung bedingten Wachsthum des Cytoplasma einen be- stimmten der Species eigenen Charakter geben“. So denkbar eine solche Fortpflanzung vom Kern ausgehender molekülarer Erregungen auf den Zellkörper sicherlich auch ist, so hat doch 1) E. Strasburger, „Neue Untersuchungen über den Befruchtungs- vorgang bei den Phanerogamen“, 1884, p. 112.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/85>, abgerufen am 29.03.2024.