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Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901].

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schönen Vermögen, aus dessen Zinsen sie ihre alten
Tage sorgenfrei hätten verleben können.

Vierzig Jahre lang hatte in Ebnat (Kanton
St. Gallen) ein Knecht gedient und gespart. Als
er anno 1894 starb, fand man zuunterst in seinem
alten Koffer, wohl verwahrt und versteckt, ein Spar-
kassenbüchlein im Werte von 20000 Fr.

In Servion, Kanton Waadt, wurde in den
ersten Tagen des Monats Juni 1901 ein 87jähriger
Knecht begraben. Seit dem 12. Lebensjahre, also
während 75 Jahren
, hatte er auf demselben
Platze gedient. Seine Ersparnisse betrugen 27000 Fr.

Im Jänner 1874 stürzte in Freiburg (Baden)
ein Knecht in einen Keller hinunter, schlug sich
dabei die Hirnschale ein und starb nach einer
Stunde. Dieser Mann hatte mit seinem Lohne
die alte Mutter in einem Dorfe bei Offenburg voll-
ständig erhalten und ihr kurz vor seinem Tode
noch 30 Mark geschickt. Sie kam auch zur Be-
erdigung. Als der Priester die üblichen Gebete
verrichtet hatte, trat die arme Frau an das Grab
ihres Sohnes und sprach unter lautem Schluchzen:
"Gott vergelte dir alles, mein Sohn, was du mir
gethan hast!"
Das war die schönste Leichenrede,
die dem verstorbenen Knechte konnte gehalten
werden.

Darum lasset euch nicht täuschen, ihr jungen
Leute, und höret auf das Wort: "Bleib' im Lande
und nähre dich redlich
!"
Man spiegelt euch
größern Verdienst vor, mehr Freiheit, leichtere

schönen Vermögen, aus dessen Zinsen sie ihre alten
Tage sorgenfrei hätten verleben können.

Vierzig Jahre lang hatte in Ebnat (Kanton
St. Gallen) ein Knecht gedient und gespart. Als
er anno 1894 starb, fand man zuunterst in seinem
alten Koffer, wohl verwahrt und versteckt, ein Spar-
kassenbüchlein im Werte von 20000 Fr.

In Servion, Kanton Waadt, wurde in den
ersten Tagen des Monats Juni 1901 ein 87jähriger
Knecht begraben. Seit dem 12. Lebensjahre, also
während 75 Jahren
, hatte er auf demselben
Platze gedient. Seine Ersparnisse betrugen 27000 Fr.

Im Jänner 1874 stürzte in Freiburg (Baden)
ein Knecht in einen Keller hinunter, schlug sich
dabei die Hirnschale ein und starb nach einer
Stunde. Dieser Mann hatte mit seinem Lohne
die alte Mutter in einem Dorfe bei Offenburg voll-
ständig erhalten und ihr kurz vor seinem Tode
noch 30 Mark geschickt. Sie kam auch zur Be-
erdigung. Als der Priester die üblichen Gebete
verrichtet hatte, trat die arme Frau an das Grab
ihres Sohnes und sprach unter lautem Schluchzen:
„Gott vergelte dir alles, mein Sohn, was du mir
gethan hast!“
Das war die schönste Leichenrede,
die dem verstorbenen Knechte konnte gehalten
werden.

Darum lasset euch nicht täuschen, ihr jungen
Leute, und höret auf das Wort: Bleib' im Lande
und nähre dich redlich
!“
Man spiegelt euch
größern Verdienst vor, mehr Freiheit, leichtere

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[40/0046] schönen Vermögen, aus dessen Zinsen sie ihre alten Tage sorgenfrei hätten verleben können. Vierzig Jahre lang hatte in Ebnat (Kanton St. Gallen) ein Knecht gedient und gespart. Als er anno 1894 starb, fand man zuunterst in seinem alten Koffer, wohl verwahrt und versteckt, ein Spar- kassenbüchlein im Werte von 20000 Fr. In Servion, Kanton Waadt, wurde in den ersten Tagen des Monats Juni 1901 ein 87jähriger Knecht begraben. Seit dem 12. Lebensjahre, also während 75 Jahren, hatte er auf demselben Platze gedient. Seine Ersparnisse betrugen 27000 Fr. Im Jänner 1874 stürzte in Freiburg (Baden) ein Knecht in einen Keller hinunter, schlug sich dabei die Hirnschale ein und starb nach einer Stunde. Dieser Mann hatte mit seinem Lohne die alte Mutter in einem Dorfe bei Offenburg voll- ständig erhalten und ihr kurz vor seinem Tode noch 30 Mark geschickt. Sie kam auch zur Be- erdigung. Als der Priester die üblichen Gebete verrichtet hatte, trat die arme Frau an das Grab ihres Sohnes und sprach unter lautem Schluchzen: „Gott vergelte dir alles, mein Sohn, was du mir gethan hast!“ Das war die schönste Leichenrede, die dem verstorbenen Knechte konnte gehalten werden. Darum lasset euch nicht täuschen, ihr jungen Leute, und höret auf das Wort: „Bleib' im Lande und nähre dich redlich!“ Man spiegelt euch größern Verdienst vor, mehr Freiheit, leichtere

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Zitationshilfe: Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901], S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901/46>, abgerufen am 28.03.2024.