Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901].

Bild:
<< vorherige Seite

Küche und fand daselbst einen Knaben von 14 bis
15 Jahren, welcher den Bratspieß drehte. Der
König fragte ihn: "Wo bist Du her? Wie heißest
Du? Wie viel verdienst Du hier?"
- "Ich bin
von Berry, heiße Stephan, bin Küchenjunge und
verdiene so viel als der König."
- "Wie viel
verdient denn der König?"
fragte Ludwig. "So viel,
als erbraucht; und ich verdiene auch so viel,
als ich brauche"
, antwortete Stephan. Das gefiel
dem König, und der Küchenjunge wurde zum
Kammerdiener ernannt.

Ich bin jetzt schon über vier Jahre da,
und es ist wirklich nicht mehr zum Aus-
halten. Der Meister wird immer wunder-
licher mit dem Alter, und Lohn zahlt er
auch nicht viel. Ich habe schon lange ge-
betet um einen anderen Platz, aber bisher
nichts gefunden. Gott wird mich nicht
etwa auch noch vergessen
? Nein, aber deine
Geduld will er ein wenig auf die Probe stellen.

"Sei fleißig, fromm und hoffnungsfroh Und warte still: Der liebe Gott giebt, wann und wo Und was er will."
(Weber.)

"Der gute Gott", sagt der launige Wiener
Hofprediger Abraham a Sancta Clara, "ist mit
seiner Hilfe nicht allezeit von Eilenburg, sondern
oft wohl von Wartenberg. Darum müssen

Küche und fand daselbst einen Knaben von 14 bis
15 Jahren, welcher den Bratspieß drehte. Der
König fragte ihn: „Wo bist Du her? Wie heißest
Du? Wie viel verdienst Du hier?“
„Ich bin
von Berry, heiße Stephan, bin Küchenjunge und
verdiene so viel als der König.“
„Wie viel
verdient denn der König?“
fragte Ludwig. „So viel,
als erbraucht; und ich verdiene auch so viel,
als ich brauche
, antwortete Stephan. Das gefiel
dem König, und der Küchenjunge wurde zum
Kammerdiener ernannt.

Ich bin jetzt schon über vier Jahre da,
und es ist wirklich nicht mehr zum Aus-
halten. Der Meister wird immer wunder-
licher mit dem Alter, und Lohn zahlt er
auch nicht viel. Ich habe schon lange ge-
betet um einen anderen Platz, aber bisher
nichts gefunden. Gott wird mich nicht
etwa auch noch vergessen
? Nein, aber deine
Geduld will er ein wenig auf die Probe stellen.

„Sei fleißig, fromm und hoffnungsfroh Und warte still: Der liebe Gott giebt, wann und wo Und was er will.“
(Weber.)

„Der gute Gott“, sagt der launige Wiener
Hofprediger Abraham a Sancta Clara, „ist mit
seiner Hilfe nicht allezeit von Eilenburg, sondern
oft wohl von Wartenberg. Darum müssen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="7">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0069" xml:id="W544R3_001_1901_pb0063_0001" n="63"/>
Küche und fand daselbst einen Knaben von 14 bis<lb/>
15 Jahren, welcher den Bratspieß drehte. Der<lb/>
König fragte ihn: <q>&#x201E;Wo bist Du her? Wie heißest<lb/>
Du? Wie viel verdienst Du hier?&#x201C;</q> &#x2013; <q>&#x201E;Ich bin<lb/>
von Berry, heiße Stephan, bin Küchenjunge und<lb/>
verdiene so viel als der König.&#x201C;</q> &#x2013; <q>&#x201E;Wie viel<lb/>
verdient denn der König?&#x201C;</q> fragte Ludwig. <q>&#x201E;So viel,<lb/>
als erbraucht; und <hi rendition="#g">ich verdiene auch so viel</hi>,<lb/><hi rendition="#g">als ich brauche</hi>&#x201C;</q>, antwortete Stephan. Das gefiel<lb/>
dem König, und der Küchenjunge wurde zum<lb/>
Kammerdiener ernannt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ich bin jetzt schon über vier Jahre da</hi>,<lb/><hi rendition="#g">und es ist wirklich nicht mehr zum Aus-<lb/>
halten. Der Meister wird immer wunder-<lb/>
licher mit dem Alter, und Lohn zahlt er<lb/>
auch nicht viel. Ich habe schon lange ge-<lb/>
betet um einen anderen Platz, aber bisher<lb/>
nichts gefunden. Gott wird mich nicht<lb/>
etwa auch noch vergessen</hi>? Nein, aber deine<lb/>
Geduld will er ein wenig auf die Probe stellen.</p>
          <lg>
            <l rendition="#s">
              <q>&#x201E;Sei fleißig, fromm und hoffnungsfroh</q>
            </l>
            <l rendition="#s">
              <q>Und warte still:</q>
            </l>
            <l rendition="#s">
              <q>Der liebe Gott giebt, wann und wo</q>
            </l>
            <l rendition="#s">
              <q>Und was er will.&#x201C;</q>
            </l>
          </lg>
          <bibl rendition="#right #s">(Weber.)</bibl>
          <p><q>&#x201E;Der gute Gott&#x201C;</q>, sagt der launige Wiener<lb/>
Hofprediger Abraham a Sancta Clara, <q>&#x201E;ist mit<lb/>
seiner Hilfe nicht allezeit von <hi rendition="#g">Eilenburg</hi>, sondern<lb/>
oft wohl von <hi rendition="#g">Wartenberg</hi>. Darum müssen<lb/></q></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] Küche und fand daselbst einen Knaben von 14 bis 15 Jahren, welcher den Bratspieß drehte. Der König fragte ihn: „Wo bist Du her? Wie heißest Du? Wie viel verdienst Du hier?“ – „Ich bin von Berry, heiße Stephan, bin Küchenjunge und verdiene so viel als der König.“ – „Wie viel verdient denn der König?“ fragte Ludwig. „So viel, als erbraucht; und ich verdiene auch so viel, als ich brauche“, antwortete Stephan. Das gefiel dem König, und der Küchenjunge wurde zum Kammerdiener ernannt. Ich bin jetzt schon über vier Jahre da, und es ist wirklich nicht mehr zum Aus- halten. Der Meister wird immer wunder- licher mit dem Alter, und Lohn zahlt er auch nicht viel. Ich habe schon lange ge- betet um einen anderen Platz, aber bisher nichts gefunden. Gott wird mich nicht etwa auch noch vergessen? Nein, aber deine Geduld will er ein wenig auf die Probe stellen. „Sei fleißig, fromm und hoffnungsfroh Und warte still: Der liebe Gott giebt, wann und wo Und was er will.“ (Weber.) „Der gute Gott“, sagt der launige Wiener Hofprediger Abraham a Sancta Clara, „ist mit seiner Hilfe nicht allezeit von Eilenburg, sondern oft wohl von Wartenberg. Darum müssen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901/69
Zitationshilfe: Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901], S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901/69>, abgerufen am 19.04.2024.