Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901].

Bild:
<< vorherige Seite

versehen mit Leuten. Weil der Ueberzieher des
Jungen schon sehr abgetragen aussah, so erhielt
er als Geschenk einen besseren. Anderen Tages
erschien der Handelsbeflissene wieder im Geschäfte
und überreichte dem erstaunten Kaufmann 50 Mk.
in Papier: das sei noch in der Rocktasche gewesen.
Der ehrliche Bursche bekam 10 Mk. Belohnung
und wurde sofort angestellt im Hause.

Jean Laserre, gebürtig aus den Unter-Pyrenäen,
hatte in Paris als Küchengehülfe gedient. Da
verlor er seine Stelle. Eine andere fand sich
nicht. Die letzten ersparten Centimes waren ver-
braucht. Er war so arm, daß er von den in den
Schutthaufen aufgefundenen Brotkrusten leben
mußte. Eines Abends, im Mai 1896, ging der
Junge über den Pont-Neuf. Da sah er ein Brief-
Couvert am Boden liegen, hob es auf und fand
darin 1250 Frk. in Banknoten. Am folgenden
Morgen trug er das Geld zum Polizeikommissär.
Dieser fuhr ihn an, warum er das Geld nicht
schon gestern gebracht? Der Jüngling antwortete:
"Ich mußte eilen ins Nachtasyl, damit ich
nicht zu spät kam; denn ich besaß keinen
Sou fürs Schlafgeld
."

Der Eigentümer des Geldes hatte sich bereits
gemeldet. Er schenkte dem redlichen Finder 250 Fr.
und sorgte dafür, daß der brave Jüngling in einer
der besten Familien in Paris als Koch in Dienst kam.

Ein junger Kaufmann aus Berlin hatte eine
dreijährige Gefängnisstrafe abgebüßt. Bei der Ent-

versehen mit Leuten. Weil der Ueberzieher des
Jungen schon sehr abgetragen aussah, so erhielt
er als Geschenk einen besseren. Anderen Tages
erschien der Handelsbeflissene wieder im Geschäfte
und überreichte dem erstaunten Kaufmann 50 Mk.
in Papier: das sei noch in der Rocktasche gewesen.
Der ehrliche Bursche bekam 10 Mk. Belohnung
und wurde sofort angestellt im Hause.

Jean Laserre, gebürtig aus den Unter-Pyrenäen,
hatte in Paris als Küchengehülfe gedient. Da
verlor er seine Stelle. Eine andere fand sich
nicht. Die letzten ersparten Centimes waren ver-
braucht. Er war so arm, daß er von den in den
Schutthaufen aufgefundenen Brotkrusten leben
mußte. Eines Abends, im Mai 1896, ging der
Junge über den Pont-Neuf. Da sah er ein Brief-
Couvert am Boden liegen, hob es auf und fand
darin 1250 Frk. in Banknoten. Am folgenden
Morgen trug er das Geld zum Polizeikommissär.
Dieser fuhr ihn an, warum er das Geld nicht
schon gestern gebracht? Der Jüngling antwortete:
Ich mußte eilen ins Nachtasyl, damit ich
nicht zu spät kam; denn ich besaß keinen
Sou fürs Schlafgeld
.“

Der Eigentümer des Geldes hatte sich bereits
gemeldet. Er schenkte dem redlichen Finder 250 Fr.
und sorgte dafür, daß der brave Jüngling in einer
der besten Familien in Paris als Koch in Dienst kam.

Ein junger Kaufmann aus Berlin hatte eine
dreijährige Gefängnisstrafe abgebüßt. Bei der Ent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="8">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0081" xml:id="W544R3_001_1901_pb0075_0001" n="75"/>
versehen mit Leuten. Weil der Ueberzieher des<lb/>
Jungen schon sehr abgetragen aussah, so erhielt<lb/>
er als Geschenk einen besseren. Anderen Tages<lb/>
erschien der Handelsbeflissene wieder im Geschäfte<lb/>
und überreichte dem erstaunten Kaufmann 50 Mk.<lb/>
in Papier: das sei noch in der Rocktasche gewesen.<lb/>
Der ehrliche Bursche bekam 10 Mk. Belohnung<lb/>
und wurde sofort angestellt im Hause.</p>
          <p>Jean Laserre, gebürtig aus den Unter-Pyrenäen,<lb/>
hatte in Paris als Küchengehülfe gedient. Da<lb/>
verlor er seine Stelle. Eine andere fand sich<lb/>
nicht. Die letzten ersparten Centimes waren ver-<lb/>
braucht. Er war so arm, daß er von den in den<lb/>
Schutthaufen aufgefundenen Brotkrusten leben<lb/>
mußte. Eines Abends, im Mai 1896, ging der<lb/>
Junge über den <hi rendition="#aq">Pont-Neuf</hi>. Da sah er ein Brief-<lb/>
Couvert am Boden liegen, hob es auf und fand<lb/>
darin 1250 Frk. in Banknoten. Am folgenden<lb/>
Morgen trug er das Geld zum Polizeikommissär.<lb/>
Dieser fuhr ihn an, warum er das Geld nicht<lb/>
schon gestern gebracht? Der Jüngling antwortete:<lb/><q>&#x201E;<hi rendition="#g">Ich mußte eilen ins Nachtasyl, damit ich<lb/>
nicht zu spät kam; denn ich besaß keinen<lb/>
Sou fürs Schlafgeld</hi>.&#x201C;</q></p>
          <p>Der Eigentümer des Geldes hatte sich bereits<lb/>
gemeldet. Er schenkte dem redlichen Finder 250 Fr.<lb/>
und sorgte dafür, daß der brave Jüngling in einer<lb/>
der besten Familien in Paris als Koch in Dienst kam.</p>
          <p>Ein junger Kaufmann aus Berlin hatte eine<lb/>
dreijährige Gefängnisstrafe abgebüßt. Bei der Ent-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0081] versehen mit Leuten. Weil der Ueberzieher des Jungen schon sehr abgetragen aussah, so erhielt er als Geschenk einen besseren. Anderen Tages erschien der Handelsbeflissene wieder im Geschäfte und überreichte dem erstaunten Kaufmann 50 Mk. in Papier: das sei noch in der Rocktasche gewesen. Der ehrliche Bursche bekam 10 Mk. Belohnung und wurde sofort angestellt im Hause. Jean Laserre, gebürtig aus den Unter-Pyrenäen, hatte in Paris als Küchengehülfe gedient. Da verlor er seine Stelle. Eine andere fand sich nicht. Die letzten ersparten Centimes waren ver- braucht. Er war so arm, daß er von den in den Schutthaufen aufgefundenen Brotkrusten leben mußte. Eines Abends, im Mai 1896, ging der Junge über den Pont-Neuf. Da sah er ein Brief- Couvert am Boden liegen, hob es auf und fand darin 1250 Frk. in Banknoten. Am folgenden Morgen trug er das Geld zum Polizeikommissär. Dieser fuhr ihn an, warum er das Geld nicht schon gestern gebracht? Der Jüngling antwortete: „Ich mußte eilen ins Nachtasyl, damit ich nicht zu spät kam; denn ich besaß keinen Sou fürs Schlafgeld.“ Der Eigentümer des Geldes hatte sich bereits gemeldet. Er schenkte dem redlichen Finder 250 Fr. und sorgte dafür, daß der brave Jüngling in einer der besten Familien in Paris als Koch in Dienst kam. Ein junger Kaufmann aus Berlin hatte eine dreijährige Gefängnisstrafe abgebüßt. Bei der Ent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt vom Projekt Digitization Lifecycle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Anmerkungen zur Transkription:

Bei der Zeichenerkennung wurde nach Vorgabe des DLC modernisiert.

In Absprache mit dem MPI wurden die folgenden Aspekte der Vorlage nicht erfasst:

  • Bogensignaturen und Kustoden
  • Kolumnentitel
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterscheide zugunsten der Identifizierung von titleParts verzichtet.
  • Bei Textpassagen, die als Abschnittsüberschrift ausgeweisen werden können, wird auf die zusätzliche Auszeichnung des Layouts verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.

Es wurden alle Anführungszeichen übernommen und die Zitate zusätzlich mit q ausgezeichnet.

Weiche und harte Zeilentrennungen werden identisch als 002D übernommen. Der Zeilenumbruch selbst über lb ausgezeichnet.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901/81
Zitationshilfe: Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901], S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901/81>, abgerufen am 28.03.2024.