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Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schmerzen, denn er legte die Hand ängstlich auf die linke Schulter, als könnte er dadurch ein glühendes Brennen lindern. Ammrey zerrieb die Blätter, welche sie gesucht hatte, und legte das kühle Kraut mit sanfter Hand auf die Fleischwunde. Dem Bauer mußte es wohlthun, denn er sagte halblaut: Gottes Dank, Ammrey; bet auch für mich, wenn du's Ave sprichst.

Ihr brauchtet keinen Fürsprech, Basler, wenn Ihr nur selber ans Kreuz Jesu dächtet, entgegnete das Mädchen.

Ich brauche keinen Pfaff! war die Antwort. Der Bauer wandte sich ab und schloß die Augen; hielt aber doch still unter der gleich gutmüthigen Pflege des Mädchens.

Wie sie noch kaum damit fertig war, fiel der Schuß aus Otto's Gewehr. Sie erbleichte und trat in die vordere Stube heraus. Alle waren schon auf den Beinen, ohne Geräusch und Reden, wie Männer, die an Gefahr gewöhnt sind. Der Alte hatte die Köpfe bereits abgezählt, und da Niemand fehlte als der Maurerkarle, der heute eine Kundschaft im Grenzthal übernommen hatte, sandte er die Jünglinge fort, um den Gesellen zu suchen und zugleich auszuspähen, was Widriges um den Weg sei.

Sie saßen bald wieder stumm um den Tisch oder schlummerten am Ofen; man hörte nur den Schwung und das Sausen von Ammrey's Spinnrad.

Nach einer halben Stunde traten die Bursche mit

Schmerzen, denn er legte die Hand ängstlich auf die linke Schulter, als könnte er dadurch ein glühendes Brennen lindern. Ammrey zerrieb die Blätter, welche sie gesucht hatte, und legte das kühle Kraut mit sanfter Hand auf die Fleischwunde. Dem Bauer mußte es wohlthun, denn er sagte halblaut: Gottes Dank, Ammrey; bet auch für mich, wenn du's Ave sprichst.

Ihr brauchtet keinen Fürsprech, Basler, wenn Ihr nur selber ans Kreuz Jesu dächtet, entgegnete das Mädchen.

Ich brauche keinen Pfaff! war die Antwort. Der Bauer wandte sich ab und schloß die Augen; hielt aber doch still unter der gleich gutmüthigen Pflege des Mädchens.

Wie sie noch kaum damit fertig war, fiel der Schuß aus Otto's Gewehr. Sie erbleichte und trat in die vordere Stube heraus. Alle waren schon auf den Beinen, ohne Geräusch und Reden, wie Männer, die an Gefahr gewöhnt sind. Der Alte hatte die Köpfe bereits abgezählt, und da Niemand fehlte als der Maurerkarle, der heute eine Kundschaft im Grenzthal übernommen hatte, sandte er die Jünglinge fort, um den Gesellen zu suchen und zugleich auszuspähen, was Widriges um den Weg sei.

Sie saßen bald wieder stumm um den Tisch oder schlummerten am Ofen; man hörte nur den Schwung und das Sausen von Ammrey's Spinnrad.

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[0046] Schmerzen, denn er legte die Hand ängstlich auf die linke Schulter, als könnte er dadurch ein glühendes Brennen lindern. Ammrey zerrieb die Blätter, welche sie gesucht hatte, und legte das kühle Kraut mit sanfter Hand auf die Fleischwunde. Dem Bauer mußte es wohlthun, denn er sagte halblaut: Gottes Dank, Ammrey; bet auch für mich, wenn du's Ave sprichst. Ihr brauchtet keinen Fürsprech, Basler, wenn Ihr nur selber ans Kreuz Jesu dächtet, entgegnete das Mädchen. Ich brauche keinen Pfaff! war die Antwort. Der Bauer wandte sich ab und schloß die Augen; hielt aber doch still unter der gleich gutmüthigen Pflege des Mädchens. Wie sie noch kaum damit fertig war, fiel der Schuß aus Otto's Gewehr. Sie erbleichte und trat in die vordere Stube heraus. Alle waren schon auf den Beinen, ohne Geräusch und Reden, wie Männer, die an Gefahr gewöhnt sind. Der Alte hatte die Köpfe bereits abgezählt, und da Niemand fehlte als der Maurerkarle, der heute eine Kundschaft im Grenzthal übernommen hatte, sandte er die Jünglinge fort, um den Gesellen zu suchen und zugleich auszuspähen, was Widriges um den Weg sei. Sie saßen bald wieder stumm um den Tisch oder schlummerten am Ofen; man hörte nur den Schwung und das Sausen von Ammrey's Spinnrad. Nach einer halben Stunde traten die Bursche mit

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:16:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:16:28Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/46>, abgerufen am 29.03.2024.