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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
Zweytes Buch.


Erstes Capitel.
Wer der Käufer des Agathon gewesen.

Der Mann, der sich für zwey Talente das Recht er-
worben hatte, den Agathon als seinen Leibeignen zu be-
handeln, war einer von den merkwürdigen Leuten, die
unter dem Namen der Sophisten in den griechischen
Städten umherzogen, sich der edelsten und reichsten
Jünglinge bemächtigten, und durch die Annehmlichkei-
ten ihres Umgangs und die prächtigen Versprechun-
gen, ihre Freunde zu vollkommnen Rednern, Staats-
männern und Feldherren zu machen, das Geheimniß ge-
funden hatten, welches die Alchymisten bis auf den heu-
tigen Tag vergeblich gesucht haben. Sie wurden von al-
ler Welt mit dem ehrenvollen Namen der Sophisten
oder Weisen benennt; allein die Weisheit, von der sie
Profession machten, war von der Socratischen, die

durch
C 4




Agathon.
Zweytes Buch.


Erſtes Capitel.
Wer der Kaͤufer des Agathon geweſen.

Der Mann, der ſich fuͤr zwey Talente das Recht er-
worben hatte, den Agathon als ſeinen Leibeignen zu be-
handeln, war einer von den merkwuͤrdigen Leuten, die
unter dem Namen der Sophiſten in den griechiſchen
Staͤdten umherzogen, ſich der edelſten und reichſten
Juͤnglinge bemaͤchtigten, und durch die Annehmlichkei-
ten ihres Umgangs und die praͤchtigen Verſprechun-
gen, ihre Freunde zu vollkommnen Rednern, Staats-
maͤnnern und Feldherren zu machen, das Geheimniß ge-
funden hatten, welches die Alchymiſten bis auf den heu-
tigen Tag vergeblich geſucht haben. Sie wurden von al-
ler Welt mit dem ehrenvollen Namen der Sophiſten
oder Weiſen benennt; allein die Weisheit, von der ſie
Profeſſion machten, war von der Socratiſchen, die

durch
C 4
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[39/0061] Agathon. Zweytes Buch. Erſtes Capitel. Wer der Kaͤufer des Agathon geweſen. Der Mann, der ſich fuͤr zwey Talente das Recht er- worben hatte, den Agathon als ſeinen Leibeignen zu be- handeln, war einer von den merkwuͤrdigen Leuten, die unter dem Namen der Sophiſten in den griechiſchen Staͤdten umherzogen, ſich der edelſten und reichſten Juͤnglinge bemaͤchtigten, und durch die Annehmlichkei- ten ihres Umgangs und die praͤchtigen Verſprechun- gen, ihre Freunde zu vollkommnen Rednern, Staats- maͤnnern und Feldherren zu machen, das Geheimniß ge- funden hatten, welches die Alchymiſten bis auf den heu- tigen Tag vergeblich geſucht haben. Sie wurden von al- ler Welt mit dem ehrenvollen Namen der Sophiſten oder Weiſen benennt; allein die Weisheit, von der ſie Profeſſion machten, war von der Socratiſchen, die durch C 4

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/61>, abgerufen am 28.03.2024.